
Der chemische Process des Athmens ist nicht wesentlich von
den Athmenbewegungen abhängig; diese dienen nur zur'Ventilation,
d.h. das während dem beständigen chemischen Process zwischen
Luft oder Wasser und Blut veränderte Medium, Luft oder
Wasser, auszutreiben und frische Luft oder Wasser in den Apparat
des chemischen Processes zu bringen. Die Lungen bieten
durch ihre innere Oberfläche eine ungeheure Fläche zur Wechselwirkung
zwischen Blut und Luft dar, diese Wechselwirkung ist
beständig, weil die Lungen auch beim Ausathmen nicht von Luft
leer werden. Die Verengerung und Erweiterung des Brustkastens,
dem die anliegenden Lungern folgen, werfen einen Tbeil der Pro-
ducte aus dem BeServoir der Lungen von Zeit zu Zeit aus, und
führen das neue Material zur neuen Production in das Reservoir
der Lungen. Die Fische nehmen das frische, Wasser durch den
Mund auf und treiben einen Theil darauf zwischen den Riemen
heraus, wobei sie die Kiemendeckel öffnen und schliessen.
Die menschliche Lunge enthält nach H. D avy nach möglichst
starkem Ausathmen noch 35, nach gewöhnlichem Ausathmen 108
Cubikzoll Luft; nach D avy werden gewöhnlich 10—13 C. Z. ein-
und ausgeathmet. H erbst (Meck. Arch. 1828.) fand, das grössere
Erwachsene bei ruhigem Einathmen 20—25 C. Z., kleinere 16—18
G. Z. ein- und ausathmen.
D as Athembedürfniss ist sehr verschieden, am grössten bei
den Wirbelthieren, und unter diesen bei den warmblütigen. Die
warmblütigen Thiere sterben in der Luftpumpe schon innerhalb
einer Minute, Vögel in 30— 40 Seeunden. Amphibien dagegen
leben ziemlich lange im luftleeren Raume und irrespirabeln Gasarten,
eine Schildkröte starb unter Oel in Garradori’s Versuchen
[cinn. d. chim. et d. phys. 5. 94.) erst in 24— 36 Stunden. Frösche
sterben unter Oel in weniger als 1 Stunde, unter lufthaltigem
Wasser leben sie (durch Athmen mit der Haut) lange; nach, E dwards
lebten Kröten in der Seine in verschlossenen Körben, Tage
lang, in luftlosem Wasser nach S fallanzani und E dwards einige
Stunden. E dwards, M eck. Arch. 5. 141. Nach meinen'Versuchen
lebten Frösche mit unterbundenen und ausgeschnittenen
Lungen circa 30 Stunden, wahrscheinlich durch Athmen mit der
Haut. Ein Frosch zeigte einmal in den vorher erwähnten Versuchen
in reinem Wasserstoffgas noch nach 12 Stunden deutliche
Lebenszeichen und athmete von Zeit zu Zeit, und war selbst nach
22 Stunden nur scheintodt.
Nach v. H umboldt’s und P rov-encal’s Versuchen lebten Goldfische
in ausgekochtem Wasser 1 Stunde 40 Min.;' nach ihren
Versuchen sterben Fische in wässeriger Kohlensäure und kohlensaurem
Gas in wenigen Minuten, während sie in Stickgas und
Wasserstoffgas, worin sie ihre Kiemendeckel schliessen, erst in 5
Stunden sterben. Die Insecten sterben in Oel nach Carradori
sogleich, auch schnell nach.T reviranus, wenn man ihre. Luftlöcher
mit Oel bestreicht. Dagegen lebten Blaps- und Tenebrio-
Arten in B iot’s Versuchen unter der Luftpumpe in verdünnter
Luft von 1—2 Millimeter Spannung 8 Tage. Bremsenlarven lebten
nach den Versuchen von S chroeder v. d. K olk länge in irrespirabeln
Gasarten. Die Larven einiger Insecten leben in faulenden
Theilen von Pflanzen und Thieren und scheinen wenig
freies Sauerstoffgas zu bedürfen, obgleich man kein Insect kennt,
welches nicht ein Luftröhrensystem und also Luft im Innern enthielte.
B erzeuius sah Larven im Quellwasser leben, das kohlensaures
Eisenöxy dul und etwas Schwefelwasserstoffgas enthielt.
Blutegel scheinen lange ohne Wassererneuerung zu leben. Holo-
thurien starben in T iedemann’s Versuchen im Seewasser, das nicht
erneuert wurde, in einem Tage. Die Eingeweidewürmer scheinen
durch ihren Aufenthalt in belebten Wesen das Athmen nicht zu
bedürfen. Aber überhaupt scheint das Athmen zum Leben der
niedersten Thiere nicht wesentlich nothwendig zu seyn. Ueber
das Athmen im Winterschlaf, siehe oben pag. 78., über das Athmen
der Thiereier unten Cäp. 3. Die vorzüglichsten Arbeiten
über das Athmen siird: G oodwyn on the 'connexion o f life with
respiration. London 1788. L avoisier et S eguin Ann. d. Chim. 91.
318. Menzie’s tentdnicn physiol. de resp.Edinb. 1790. Grell Ann.
1794. 2. 33. H. D avy, G ilb. Ann. 19. 298. P faff, in G ehler
J. de Chem'. 5.' 1Ö3. ; P rovençal et H umboldt, Schweigg. J.V1.
(Edwards - Ann. de Chim. - et de Phys. 22. 35. D ulong,
S chweigg.. J. 38. 505, D espretz Ann. d. Chim. et de Phys. 26.
337. S pallanzani rne'ni. sur la respiration. Genève 1803. H ausmann
de anim. exsang. resp'. Hannov. 1803. S org de resp. insect.
et verm. Rudolst. 1805. N itzsch, de resp. animalium. Viteb. 1808.
N asse, Mecr. Arch. 2. 195. 435. T revIbanus, Zeitsch. fü r Physiol.
4. 1.'
II. Capitel. O rg an o lo g ie d e r Ath emw erk zeu g e.
Viele der niedersten Thiere scheinen mit der ganzen Haut
zu athmen. Das Atbemorgan'entsteht, indem ein zur chemischen
Veränderung der Luft oder des lufthaltigen "Wassers bestimmte!
Tbeil der Haut sich in einem kleinen Raume zu einer grossen
Oberfläche, welche den Contact zu vermehren bestimmt ist, ver-
grössert. Diese Vergrösserung der die Luft zersetzenden Olyer-
fläche geschieht entweder nach innen in den Lungen als sackförmige
oder verzweigte Höhlungen, oder durch Vermehrung der.
Oberfläche nach aussen, - in der Kieme in. Form von Blättern,
Zweigen,. Kämmen, Quasten, Wimpern, federförmigen Auswüchsen,
Formen, die so mannigfaltig sind, dass die Natur hierin gleichsam
die Aufgabe gelöst zu haben seheint, die denkbaren Formen
der Flächenvermebrung nach aussen durch vorspringende Bildungen
zu realisiren. Diese Art des Respirationsorganes nennt man
Kieme. Die dritte Art der Respirationsorgane ist durch Contacts-
vermehrung der thierischen Theile und der Luft in einem durch
alle Organe verzweigten Luftröhrensystem gegeben, welches sich
mit den feinsten Zweigen bis in die kleinsten Theile aller Organe
verbreitet. Dièss ist das Tracheensystem der Insekten und Tracheenspinnen.
Die Lungen athmen gemeiniglich nur Luft, doch
giebt es Ausnahmen, wie z. B. das Respirationsorgan der Holothu