
552 II. Buch. Organ, ehern, Processe. IV. Abschnitt. Verdauung. -
von T iedemann und Gmelin wieder auf; denn sie énthalten auch
hier das einzige Sichere, was wir über die Vferänderungen des
Chymus wissen. Der Chymus des Duodenums reagirt sauer. Sein
Reiz auf die Darmwände, der sich auf den Ductus choledochus
und die Gallenwege überhaupt fortpflarizt, hat Ergiessung von
Galle und Succus pancreaticus zur Folge; wenigstens hat T iedemann
die Gallenblase, bei Thieren, während der Verdauung fast
leer gefunden. In den Contentis des Dünndarms liess sich nach
Fütterung mit Leim dieser nicht mehr erkennen, nach Fütterung
mit Butter wurde das Fett wieder erkannt, nach" Fütterung mit
Käse undeutlich der Käsestoff, nach Stärkemehl Reste des letztem,
aber nicht immer, statt Stärke wurde Stärkezucker gefunden.
Von Milch zeigten sich in der ersten Hälfte des Dünndarms
Klümpchen von Käse. Nach Fütterung eines Hundes mit Knochen
fanden sich kleine Knochenstücke in der ersten Hälfte des
Dünndarms, in der zweiten Hälfte viel phosphorsaurer und wenig
kohlensaurer Kalk. Bei Pférden war nach Fütterung ’mit
Hafer, in der ersten Hälfte des Dünndarms i noch Stärkemehl
vorhanden, was seine Eigenschaft im mittlern und untern Theile
verlor. -
Die Contenta des Dünndarms reagirten in der ersten Hälfte
desselben immer sauer, aber schwächer als die des Magens. Die
Säure nahm in der zweiten Hälfte ab und verschwand gewöhnlich
in dem Endstücke des Dünndarms. Tiedemann’s und Gme-
lin’s Untersuchungen lassen es unentschieden, ob das Verschwinden
der Säure des Chymus von der Neutralisation derselben durch
das kohlensaure Alkali der Galle herrührt, wie Boerhave, ’ W erner,
P rout glauben, oder ob der untere Theil des Dünndarms
alkalische Absonderung bat, ob sich durch anfangende Fäulniss
Ammoniak entwickelt, welches dié Säure sättigt, oder ob der Gby-
mus im sauren Zustande resorbirt wird und die Säure in den
Wegén durch die Lymphgefässe und Lymphdrüsen verliert,, da
der Chylus allerdings alkalisch ist. Die im Chymus des Dünndarms
enthaltenen thierischen Materien sind vorzugsweise:
1. Eiweiss; seine Menge nimmt in der letzten Hälfte des
Dünndarms wegen der Resorption des Chymus ab.
2. Käsestoff; er nimmt auf gleiche Art ab. Von beiden lasst
sich nicht angeben, wie viel der Verdauung, wie viel- den Ver-
danungssäften, z. B. dem pankreatischen Safte, angehöre.' T iedemann
und Gmelin finden es möglich, dass der Käsestoff des pan-
creatischen Saftes, als sehr stickstoffreiche Materie, einen Theil
seines Stickstoffs an weniger stickstoffhaltige Nahrungsstoffe abgebe
und sich damit in Gleichgewicht setze, wodurch, solcher
Nahrungsstoff in Eiweiss verwandelt werden könnte.
3. "Durch salzsaures Zinn fällbare stickstoffhaltige Materie
(Speichelstoff und Osmazom). Sie nimmt nach unten ab.
4. Durch Chlor sich röthende Materie, wahrscheinlich vom
pankreatischen Safte, da sie sich nicht im Magen zeigt, nicht von
der Galle, da sie auch nach Unterbindung des Gallenganges noch
vorkommt. Sie findet sich nicht in Excrementen wieder.
5. Im Weingeist, nicht im Wasser, lösliche Materien: Fett,
5. Veränderungen der Speisen im Darmkanal. Dünndarmverdauung. 553
Talg, Farbestoff und Harz der Galle. In qualitativer Hinsicht unterscheiden
sich jedoch die aufgeführten Stoffe nieht von denjenigen,
welche T iedemann und/GMELiN in 'dem Darmkanale von nüchternen
Thieren fanden. Sie sind daher „ausser der von den Nahrungsmitteln
herrührenden Menge von Eiweiss wahrscheinlich den
Verdauungssäften, namentlich dem Succus pancreaticus, angehörend,
der Eiweiss, Käsestoff, durch Chlor sich röthende Materie
enthält.
Hier wäre nun der Ort, den Einfluss der Galie auf den Chy-
müs zu untersuchen. Beaumont hat einige Versuche über das
Verhalten von Galle zum Chymus ausser dem lebenden Körper
angestellt. Wurde Ochsengalle mit Chymus aus dem Magen des
St. Martin versetzt, so bildete sich ein trübes, gelblich-weisses
Fluidurri oder vielmehr feine, weisse Coagula, die sich, einige Zeit
gestanden, in hellgelbe, zu. Boden sinkende Coagula und ein trübes,
milchfarbenes Fluidum sonder.ten. Vermischte Beaumont zur
Vergleichung Galle'und verdünnte Salzsäure, von beiden 1 Drachme
mit 2 Unzen Wasser, so entstand eine ähnliche Trübung, aber
es bildete sich ein tief grüner, gallertartiger Bodensatz in einer
bläulichgrünen Flüssigkeit ohne milchiges Ansehen, wie in der
Mixtur, von Chymus. Nach einer Beobachtung von P urkinje unterbricht
wenig Galle schon die künstliche Verdauung ausserdem
thierischen Körper durch Verdauungsprincip. Ueber den Antheil
dör Galle an der Chymification haben auch T iedemann’s und Gme-
■ LirCs Untersuchungen keine vollen Aufschlüsse gegeben. Durch
die Säure des Chymus wird aus der Galle der Schleim derselben
geronnen mit einem grossen Theil des Farbestoffs der Galle gefällt.
Ausserdem wird Gallenfett niedergeschlagen, welches beim
Ausziehen des im Wasser unauflöslichen Theils der Contenta des
Darms mit Weingeist erhalten wurde. Die von T iedemann und
Gmelin im Darmkanal gefundene Talgsäure erklären sie als aus
der Galle abgeschieden1. Der nicht im Wasser lösliche Theil der
Contenta enthielt Gallenharz, welches ein excrementieller Stoff zu
seyn schien, ohne Einfluss auf die Umwandlung der Nahrungsstoffe,
ein Hauptbestandtheil der Excremente. T iedemann und
Gmelin fanden die von W erner {exp. circa modum, quo chymus in
chylum mutatur, diss. inaug. praes. Autenrieth. Tiib. 1800.) eingeführte
Ansicht, dass der Chylus von der Galle in Form von
FIdcken niedergeschlagen werde, ungegründet. Bei Vermischung
von Galle mit dem flüssigen Mageninhalte erfolgen nur diejenigen
Niederschläge aus der Galle, wie sie beim Vermischen einer Säure
mit der Galle entstehen. Die sogenannten Chylusflocken im Dünndärme
sind nur Schleimflpcken, welche sich auch nach Unterbindung
des gemeinschaftlichen Gallenganges zeigten. Der resorptionsfähige
Chymus ist flüssig. Nach Autenrieth und A. Cooper
wäre der Chylus im Dünndarme eine ziemlich consistente, zwischen
den Zotten haftende, an der Luft gerinnbare Materie. Vergl.
Abernethy physiol. lect. p. 189. Nach Tiedemann und Gmelin ist
diess aber Schleim, und dann muss die Gerinnung ein Missver-
ständniss seyn. Die aus der Galle zur Umwandlung des Chymus
anwendbaren Flüssigkeiten, sind wahrscheinlich dasPikromel, das