
dende Abkühlung. Chaussat schliesst daraus, dass die Brusthöhle
■viel weniger Antheil an der Wärmebildung habe als die Bauchhöhle
durch den Einfluss der Nerven. Das Sinken der Temperatur
nach Durchschneidung des Nervus vagus könne man nicht
als Gegenbeweis anführen, da dieser Nerve eben so gut Organe
der Bauchhöhle versieht. Allein Chaussât legt hier auf schwankende
Versuche, die wenig oder gar nichts beweisen, ein grosses
Gewicht, ohne die vielen Einwürfe, die man denselben entgegenstellen
kann, vorauszusehen. ^
Indessen beweisen mehrere der angeführten Erfahrungen jedenfalls,
dass der Nerveneinfluss auf die organischen Processe einen
grossen Antheil an der Wärmeerzeugung ausser den . Lungen
hat. Hiemit stimmt auch Berzelius überein. Was diese Ansicht
ferner zu erhärten scheint, ist die schnelle und momentane, bald
allgemeine, bald ganz lokale Temperaturerhöhung in Aufregungen
der Nerven, das allgemeine Warmwerden bis zum Schweissausbrechen
in Leidenschaften, die aufschiessende Gesichtswärme,
welche nicht bloss subjectives Gefühl ist, die eben so schnelle
Verminderung der Temperatur bei deprimirenden GemüthsafFecten,
Erscheinungen, die sämmtlich freilich auch von vermehrtem und
vermindertem Blutzufluss,. und zum Theil von der veränderten
Bewegung des Herzens abgeleitet werden können. Wir ziehen
aus Allem vorläufig den Schluss, dass Temperaturerhöhung bei allen
organischen Processen stattfindet, dass sie aber zum Theil
bestimmt wird durch die; von den Nerven abhängige Belebung
der organischen Processe. Vergleicht man nun die warmblütigen
Thiere mit den kaltblütigen, so kann man die Ursache des Temperaturunterschiedes
zunächst in der geringem Intensität des
Athemprocesses oder der organischen Processe überhaupt suchen.
Ohne eine Erscheinung von der andern abzuleiten, ist hier zu er-'
Avägen, dass bei den niederen Thieren die Nervenmasse in den
Centraltheilen des Nervensystems im Verhältniss zu den Nerven
selbst abnimmt, dass das Athmen im Verhältniss zur Masse des
Körpers weit geringer ist, dass die kaltblütigen Thiere weniger
gerinnbare Theile des Blutes besitzen, wie P révost und D umas
zeigen, wie denn auch nach S aissy das Blut der Winterschläfer
in demselben Fall seyn soll, ja dass nach P révost und D umas
die Vögel und einige Säugethiere, bei grösserer Quantität der
Blutkörperchen und des Faserstoffes im Blut, auch eine grössere
Wärme haben.
Erst wenn man alle diese Thatsachen über die Ursachen
der Wärmeerzeugung erwogen hat, lassen sich mit Erfolg die
Untersuchungen über die von selbst entstehende Abnahme der
Wärmeerzeugung im Winterschlaf und über die Ursache dieses
letztem anknüpfen. Für’s Erste darf man den Winterschlaf einiger
Säugethiere nicht isolirt betrachten, sondern man muss von
der Thatsache ausgehen, dass alte Thiere, wenn die äussere Temperatur
unter ein gewisses Minimum herabsinkt, in Scheintod
verfallen, erfrieren, ohne dadurch die Fähigkeit zum Leben gerade
zu verlieren, dass aber dieses Minimum nach der Organisation
und geographischen Verbreitung der thierischen Wesen verschieden
ist. .
1. Der Mensch zeigt hierbei offenbar eine grosse Tenacitat
der organischen Kräfte, indem er unter allen Climaten, wo sich
thierische Wesen finden, im höchsten Norden, wie unter dem
Aecpiator, seine eigene Temperatur unter günstigen Bedingungen
erhält. Indessen wird auch er bei Mangel an Schutz durch Kälte
(Reizentziehung).scheintodt, und zwar um so leichter, wenn die
organische Kraft durch berauschende Mittel unterdrückt war.
2 ', Viele Thiere erleiden diesen Zustand leicht, wenn die
zu ihrem Leben nöthige äusseife Wärme, wodurch ihre geographische
Verbreitung bestimm* ist, fehlt, und Vögel wandern wegen
dieser Ursache.
3. Säugethiere, die bei einer gewissen uiedern Temperatur
im erwachsenen Zustande nicht in Scheintod verfallen,^ verfallen
in Scheintod bei dieser Temperatur, wenn sie noch jung sind,
w’i'e Legauuois Beobachtungen von 6 — 8 wöchentlichen Kaninchen
zeigen, welche durch äussere Wärme wieder belebt werden
können. Da nun der beim Athmen stattfindende Stoffwechsel
als Ursache von Wärmeerzeugung durch die Kälte hier offenbar
nicht zunächst beschränkt wird, da alle beim Scheintode durch
Kälte eintretenden Symptome, Unempfindlichkeit, Schlafsucht,
Kraftfosigkeit, vielmehr eine durch Reizentziehung bedingte Abnahme
der organischen Kräfte zeigen, so muss man das geminderte
Athmen als Folge, nicht als Ursache dieses Scheintodes an-
sehen, eben so wie bei der Ohnmacht durch Nervenzufälle, und
die Abnahme der eigenen Wärme ist eben so eine Folge der
Unterdrückung der organischen Kraft, die auch erst durch Verminderung
der Athembewegungen und des Athmens die etwa in
den Lungen bedingte. Wärmeerzeugung verhindern könnte. Die
Ursache, dass gewisse Pliiere leichter in Scheintod durch Kälte
fallen als andere, liegt also ip ihrem zartem Bau und dem grossem
Bedürfniss ihres organischen Processes, durch Wärme ange-
faclit und .gereizt zu werden. Dieses verbunden mit einem periodisch
eintretenden Mangel ari Lebensenergie muss man auch
als Ursache des Winterschlafs bei den Winterschläfern ansehen,
bei dem nur das Eigentümliche ist, dass ihr Scheintod länger
ohne Schaden ausgedehnt werden kann. Die von S aissy und
Andern angeführten Ursachen des Winterschlafs sind zum Theil
blosse Folgen von der Veränderung der organischen Kraft, zum
Theil sind die angeführten Umstände unrichtig, wie O tto yon
der suppouirten Grösse der äusseren Nerven bemerkt, so wie
auch die 'von M angili behauptete Kleinheit der Hirngefässe nach
S aissy und O tto, nicht vorhanden ist. Ueber die Kleinheit der
Lungen lässt sich nach S aissy’s Merkmalen nicht entscheiden.
Der Winterschlaf der Thiere gleicht daher ganz dem Winterschlaf
der Pflanzen, dessen Bedingungen theils Reizentziehung
theils eine periodische Veränderung der Lebensenergie ist. Der
nächtliche Schlaf der Pflanzen, die Lageveränderung der Blätter,
ist durch Reizentziehung, nämlich des Lichtes, bedingt, und tritt
selbst zuweilen am Tage im Dunkeln ein (Journ. de phys. 52. 124,);