
die Lymplie und dev Liquor sanguinis aufgelöstes Eiweiss und
aufgelösten gerinnbaren Faserstoff enthalten; wenn man weiss,
dass die Lymphgefässe den hei der Circulatiou theilweise in die
Partikeln der Organe eindringenden Liquor sanguinis wieder, so
•viel zur Ernährung überflüssig ist, abführen: so sieht man leicht
ein, dass die Veränderungen in der Mischung des Liquor sanguinis
nicht allein die Capillargefässe irritiren und Entzündung in
den Capillargefässen erregen müssen, sondern dass eine und dieselbe
Flüssigkeit auch wieder in den lymphatischen Gelassen Irritation
erzeugen muss. Daher mangelhafte Bereitung des Blutes,
chemische Veränderungen in der Mischung des Blutes nothwendig
auch in vielen Fällen Krankheitserscheinungen in den kleinsten
Blutgefässen und im lymphatischen Systeme erzeugen ^ müssen,
welches zugleich, wie wir pag. 278. gesehen haben, so vielen An-
theil an der Umwandlung des Eiweisses in aufgelösten Faserstoff
hat. Alle andere im Blute aufgelösten Theile, Salze, ihre fehlerhafte
Mischung müssen auch wieder auf den Zustand der Lymphgefässe
Einfluss haben. In denjenigen Krankheiten, in welchen
die aufgelösten Theile des Blutes weniger fehlerhaft gebildet sind,
als der Cruor oder die Blutkörperchen, welche nicht in die
Lymphgefässe eingehen, werden auch weniger Krankheitserscheinungen
in dem lymphatischen System auftreten, wie im Scorbut.
Das fernere Studium der Mischungskrankheiten der Säfte wird
daher in der früher angegebenen Analyse der Lymphe und des
Blutes eine solidere Basis erhalten.
Die Ernährung aller Theile nach dem Urbilde des Ganzen
setzt eine Fortdauer der Kraft voraus, die alle Unterschiede, alle
Organe zuerst als Glieder des Ganzen oder Theile des Begriffes
erzeugt, jener Kraft, welche in dem Keime vor der Erzeugung
der Organe vorhanden ist, wenn der Keim noch das thierische
Wesen potentia ist, welches actu bei der Entwicklung seine Organe
erzeugt, erneut und erhält. Die Ernährung ist also gleichsam
die fortdauernde Wiedererzeugung aller Theile durch die
Kraft des Ganzen; aber diese Wiedererzeugung ist bei dem erwachsenen
Menlschen nur durch Assimilation, durch Verbindung
der neuen Materie mit den assimilirenden Theilen möglich, während
bei dem Embryo ohne organisirte Grundlage die unver-
theilte Kraft des Ganzen die organisirte Grundlage vielmehr erst
erzeugt. Gleichwohl sind alle Organe bis zum Zerfallen des Ganzen
zum Zusammenwirken aller assimilirenden Theile von der einen
organisirenden Kraft des Ganzen beherrscht, deren Wirkungen
wir durch Ausgleichung feiner materieller Veränderungen in
den Krankheiten als Heilkraft der Natur bewundern, während
die Herstellung verlorner organisirter Theile’ in den meisten Fällen
nach der ersten Zeugung ihr unmöglich ist. Vergl. Prolego-
mena pag. 23. In einigen Krankheiten zeigt sich eine solche
fehlerhafte Bildung der thierischen Materie, dass die Assimilation
zu den Gewebetheilclien der Organe in einzelnen Theilen ganz
aufgehoben wird, und wegen des Vorwaltens fremdartiger Affinitäten
nur Afterbildungen entstehen, wie bei dem Krebs und Markschwamme.
Mit dem Leben ist ein beständiger Wechsel der Materie verbunden.
Diess zeigt das Bedürfniss der Nahrungsstoffe im Ver-
hältnlss der Ausscheidungen. Nun frägt sich aber, wechseln die
Bestandtheile der Säfte, oder wechseln selbst die Materien der
organisirten Theile?
1. Wechsel der Materie in den Säften. Es liegt am nächsten,
den Wechsel der Materie zunächst in den Säften anzunehmen,
und zu behaupten, dass dieser tägliche Umtausch von mehreren
Pfunden Nahrung gegen mehrere Pfunde zersetzter Stoffe,
die mit der Hautausdünstung, beim Athmen, mit dem Harnabgang
u. s. w. verloren gehen, bloss innerhalb der Säfte vor sich gehe,
während die organisirten Theile selbst daran wenig Antheil nehmen.
Die Säfte erleiden, indem sie zur Unterhaltung des Lebens
dienen, beständige Zersetzungen, undf man könnte hierin die thierische
Maschine mit einer andern Maschine, z. B. Dampfmaschine,
vergleichen, welche eine gewisse Quantität Brennmaterial zur Erzeugung
der Wasserdämpfe erfordert, durch welche sie wirksam
ist.. Dass der Wechsel der Säfte am grössten ist, ist auch unzweifelhaft
Das Seltenwerden der Harnabsonderung bei hungernden
Amphibien, z. B. Schildkröten, belehrt uns zur Genüge
darüber. So könnte man annehmen, dass die Zersetzung einer
gewissen Quantität der Säfte bei der Unterhaltung des Lebens die
Ausscheidung der zersetzten Stoffe, und die Zufuhr der neuen
Nahrungsstoffe nötbig machen.
2. Wechsel der Materie in den organisirten Theilen. Manche
Phänomene scheinen mit dem Wechsel der, thierischen Materie
in den organisirten Theilen schwer zu vereinigen, wie z. B.
die Erhaltung der Erinnerungen, welche von gewissen Eindrük-
ken auf das Sensörium abhängig sind. Mit der organischen Veränderung
des letztem wird auch der Schatz an früher gewonnenen
Eindrücken verändert und ■'’ermindert, und das Gedächtniss,
für einzelne Beihen der Ideen, für die Architektonik der Sprachen,
ja selbst, wie es scheint, oft für gewisse Theile der Sprache,
Hauptwörter, Namen etc., für räumliche Anschauungen, Perioden
des vergangenen Lebens, aufgehoben. Wie ist nun die
Erinnerung, das geistige Leben des Menschen, als eine conse—
quente Entwicklung aus der Vergangenheit, denkbar, wenn man
einen grossen Wechsel der Materie in dem Gehirne und den
Nerven annimmt? Diese Schwierigkeit würde- jedoch nur für
die Supposition materieller Veränderungen bei den psychischen
Thätigkeiten vorhanden seyn. Auf der andern Seite haben wir
wenigstens keine Beweise von einem schnellen Wechsel der Materie
im Gehirn.
In den meisten Theilen ausser den Nerven sind dagegen vieL
unzweifelhaftere Zeichen des Wechsels, der Materie vorhanden, und
gerade die Knochen, welche noch am stabilsten scheinen, und
doch so deutliche Spuren des Wechsels der Materie zeigen, scheinen
zu beweisen, dass der Wechsel der Materie sich nicht auf
die Säfte beschränkt, sondern ein ausgedehntes Phänomen auch
in den organisirten Theilen ist. Hieher gehören z. B. die Entstehung
der Zellen in den Knochen, die Entstehung der Stirn