
den Organen durch das Atlimen hervorbringt, kann bei den Amphibien
nur eine kurze Zeit, und bei den Menschen nur einige
Secunden fehle^. Die Warme endlich, vorzüglich dann wichtig,
wenn das thiensche Wesen Anfangs selbst noch keine Wärme zu
bilden vermag, überhaupt aber für alle organische Wesen, Pflanzen
und Thiere unentbehrlich, scheint auch in die Zusammensetzung
der organischen Wesen einzugehen. Denn die organischen
Processe erfordern bei jedem Thiere und bei jeder Pflanze eine
bestimmte Temperatur; wir wissen auch, dass chemische Processe
binärer Verbindungen, indeüi sie eine gewisse Temperatur erfordern,
ein bestimmtes Quantum Wärme für die Bildung neuer Verbindungen
absorbiren. Unter dem Einflüsse jener Bedingungen,
Nahrungsstoff', Wasser, atmosphärische Luft und.Wärme, entwik-
kelt sich das organische Wesen aus dem Keim von selbst, indem
beständig vorhandene organische Materie zersetzt wird und die
Lebenserscheinungen selbst die Erscheinungen der beständigen
Bindung neuer Stoffe und Zersetzung vorhandener, so wie der
'Veränderungen in der organisirten Materie sind. Ob auchElec-
tricität zur Entwickelung des Lebens nothwendig ist, ist uns noch
ganz unklar.
Nun zeigt sich aber sogleich eine verschiedene Abhängigkeit
der lebenden Wesen gegen verschiedene Lebensreize. E dwards
bat beobachtet, dass neugeborne warmblütige Thiere am meisten
äussere Wärme nöthig haben, und ohne dieselbe nicht leben können,
während diese Thiere viel länger ohne zu athmen lebend
unter Wasser zubringen, als erwachsene. Ihre Fähigkeit im Wasser
auszudauern, nimmt mit der Temperatur des Wassers von 0
—20° zu, bleibt von 20—30° und vermindert sich von 30—40°
des Wassers. E dwards de l’influence des agens physiques sur la vie.
Paris 1824. F roriep’s Not. 150, 151. Vergl. L egallois exp. sur
le principe de la vie. Das erwachsene Thier ist durch die Lebensverhältnisse
seiner Art und Gattung auf eine gewisse äussere Temperatur
und daher auf eine gewisse geographische Verbreitung zu
seinem Gedeihen angewiesen. Die Dauer der Reizbarkeit ohne
Lebensreiz steht im Allgemeinen im umgekehrten Verhältniss mit
der Organisation. Die einfachsten Thiere' entbehren diese Reize
am längsten. Mollusken, Insecten hat man Monate lang ohne Nahrung
gesehen. Man sehe das ähnliche Beispiel vom Scorpion in
meiner Abhandlung; Meckel’s Archiv 1828. Schlangen und Schildkröten
leben Monate lang ohne Nahrung,' während der Mensch im
gesunden Zustande kaum über eine Woche hungernd ausdauert.
Mehrere Insecten leben Tage lang in mephitischen Gasarten, die
Oesti-uslarve z. B. lange Zeit in irrespirabler Luft nach den Versuchen
von S chroeder van der K olk. Mollusken hat man 24
Stunden unter der Luftpumpe erhalten. Die Amphibien leben sehr
lange ohne zu athmen, in luftlosem Wasser, nach S pallanzani und
E dwards z. B. einige Stunden,- in lufthaltigem Wasser 10 — 20
Stunden, und Frösche, denen ich die Lungen exstirpirt, lebten noch
30 Stunden. Indessen gehören die vielen Erzählungen von lebend
gefundenen Kröten u. s. w. in Marmorblöcken, in Bäumen, wohl zu
den Täuschungen und zum physikalischen Aberglauben, wenn gleich
H erissant und E dwards Amphibien in Gyps eingeschlossen, einige
Zeit lebend erhielten. E dwards hat sich überzeugt, dass Gyps für
atmosphärische Luft durchdringlich ist, daher Amphibien in Gyps
und Quecksilber eingeschlossen so schnell wie bei der Submersion
; in Wasser starben. E dwards in M eckel’s Archiv. 3. 617. Vergl.
* B uckland F roriep’s Notizen. 33. Bd. Die Cömplication der Or-
| ganbildüng erhöht das abhängige Verhältniss der Organe von
(einander, daher einfache Thiere nach Verletzungen länger leben
? als höhere Thiere. Der Scheintod lässt bei niederen Tbieren
»viel leichter Wiederaufleben zu. S pallanzani und F ontana sahen
: vertrocknete Räderthierchen selbst nach langer Zeit durch Wasser
■wieder aufleben, was E hrenberg läugnet. Dasselbe haben Steinbuch
und Bauer von den Vibrionen der kranken Samen des Wei-'
zens und einer Agrostis gesehen, als die Samen nach Jahren wieder
befeuchtet wurden. Die grössten Verletzungen lassen bei
Amphibien noch lange Zeit Zeichen des Lebens zurück, und bekannt
ist die lange dauernde Reizbarkeit in Muskeln und Nerven
dieser Thiere. Auch bei jungen Thieren sind wahrscheinlich
wegen der grossem Einfachheit die Lebenszeichen ausdauernder.
Ich habe die Muskelreizbarkeit in getödteten Embryonen von
(Kaninchen länger dauern gesehen, als in erwachsenen Kaninchen;
ich sah lebende Kaninchen-Füetus, aus dem Uterus genommen, 15
(Minuten in der Luftpumpe ausdauern. L egallois hat hierüber
schöne Versuche angeslellt. Es geht daraus hervor, dass, wenn
(man Thiere nach der Geburt am 1. 5. 10. und so fort bis 30.
'Tage durch Untertauchen in Wasser, Ausschneiden des Herzens,
Eröffnung der Brust zu tödten sucht, die Dauer der Sensibilität
Lalle 5 Tage kürzer wird, so dass sie z. B. nach der Geburt 15
(Min., am 30. Tage Min. beträgt. Dasselbe beobachtete L egal-
xois in Hinsicht der Dauer des Kreislaufs nach Zerschneidung
;der Medulla spinalis, Amputation des Kopfes. Alle diese Erscheinungen
erklären sich völlig aus dem Satze, dass, je entwickelter
[die Theile eines Ganzen sind, desto abhängiger sie von einander
:seyn müssen.
Nun bleibt uns noch die Vergänglichkeit der organischen
Körper und der organischen Materie zu untersuchen übrig.
Die organischen Körper sind vergänglich, indem sich das Leben
mit einem Schein von Unsterblichkeit von einem zum andern
Individuum erhält, vergehen die Individuen selbst, aber mit der
Vertilgung aller Individuen stirbt auch eine Pflanzen- oder Tbier-
species aus, wie die Geschichte der Erde beweist. Die organische
Kraft ergiesst sich gleichsam in einem Strom von den pro-
Iducirenden Theilen aus in immer neue producirte, während die
alten absterben. Diess hat Autenrieth schön geschildert. Au-
teniueth sagt: „Nur diejenigen organischen Körper, weiche durch
Ausläufer, wie die kriechenden Pflanzen, oder wie manche Bäume
durch abwärts gesenkte Zweige immer wieder neue Wurzeln
Schlagen, sterben nicht. Bei diesen ist in einer gewissen Zeit der
neue Sprosse jedesmal zugleich ein Tbeil des alten organischen
Körpers und ein neuer für sich bestehender. Immer aberstirbt
auch bei diesen Pflanzen der alte Stamm nach und nach ab, und
:5 M ü lle r’s Physiologie. 1, 3