
scheint die Folge eines Schwindels zu seyn. Wurde unversehr-
ten Tauben das eine Auge zugebunden, so drehten sie sich auch,
aber nicht so heftig, und nicht so lange; als die verstümmelte
Taube. Bei der Verletzung der Vierhügel treten immer Convul-
sionen auf der entgegengesetzten Seite des Rumpfes ein; aijcli
•wird die entgegengesetzte Seite des Körpers von Muskelschwäche
befallen.
Eine merkwürdige Erscheinung ist, dass die Contractilität
der Iris nach der oberflächlichen Verletzung eines LobuS' opticus
nicht verloren geht, während die. vollständige Wegnähme eines
Lobus opticus die Contractilität der Iris aufhebt; dahingegen
mit der Verletzung eines Lobus opticus jedesmal das Gesicht auf
der entgegengesetzten Seite verloren. geht. F lourens erklärt
diess daraus, dass eine unvollkommene Exstirpction der Lobi optici
die Excitabilität der Sehnerven nicht aufhebt, weil sie nicht
alle Wurzeln der Sehnerven zerstört. Von der Excitation der
Sehnerven durch das Licht hängt aber die Bewegung der Iris
ab; denn sobald F lourens die Sehnerven selbst reizte, entstand
eine Contraction der Iris, und nach Durchschneidung.' der blossen
Sehnerven zieht sich die Iris nicht mehr gegen Lichtreiz zusamt
men. Diese Erklärung ist auch richtig; findess lässt sich die
Fortdauer der Bewegung der Iris gegen das Licht nach der
oberflächlichen Verletzung des Lobus opticus einer Seite auch
noch einfacher erklären. Denn zur Bewegung der Iris ist es allein
schon hinreichend, dass der Sehnerve dér andern Seite von
dem Lichte gereizt wird, wie auch im gesunden Zustande die
Iris des einen Auges auf die Beizung der Retina des andern Auges
contrahirt wird. Durch . die Untersuchungen von H ertwig
{Exp. de effectibus laesionum in, partibus encephali. Beroi. 1826.)
sind die Versuche von F lourens fast durchgängig bestätigt worden.
Dieselben zeigten nämlich, dass die "theilweise Verletzung
eines der Vierhügel bei Säugethieren und Vtjgeln Muskelschwä»
che und Verlust des Gesiebtes auf der entgegengesetzten Seite
des Körpers hervorbringt, dass das Sehen nach einer tbeil-
weisen Verletzung der Vierhügel zwar auf eine Zeitlang verschwindet,
aber dann wiederkehrt j: dass die Bewegung der Iris
durch theilweise Verletzung eines der Vierhügel nicht aufgehoben
wird, sondern zuweilen fortdauert; dass durch die tiefere
oder gänzliche Exstirpation der .Vierhügel sowohl das Sehvermögen
als die Contraction der Iris gänzlich verloren gehen;
dass die Verletzung der Vierhügel in dem Auge fasst dasselbe
bewirkt,, als die .Verletzung der Sehnerven; dass auf. die Verletzung
eines der Hügel eine Muskelschwäche auf, der entgegengesetzten
Seite des Körpers eintritt, aber einige Zeit darauf wieder
v-erschwindet; dass mit dieser Verletzung, auf einer Seite zugleich
eine schwindelartige Bewegung der Thiere im Kreise entsteht;
dass durch die Verletzung der Vierhügel bloss die genannten
Erscheinungen, nicht aber irgend eine andere Störung ?. B. des
Gedächtnisses, des Bewusstseyns bewirkt wird.
H ertwig’s Beobachtungen weichen nur darin- von denen von
F lourens ab, dass H ertwig bei Verletzung der Vierhügel keine
Convulsionen entstehen sah, daher es wahrscheinlich ist, dass
F lourens abweichende Resultate von einem zu tiefen Eindringen
abhängen.
-V. Vom k l e i n e n Ge h i r n e .
Ueber die Kräfte des kleinen Gehirns haben R olando, F lou-
bens, Magendie, S choeps und Hertwig interessante Versuche angestellt.
Aus den Untersuchungen von R olando {Journal de phy-
siol. 1823., Saggio sopra la vera struitura del cerveilo, edit. 3.
Torin. 1828. 3 Voll) ergiebt sich, dass die Abnahme der Bewegungen
mit der Verletzung des kleinen Gehirns im geraden Verhältnisse
steht, dass die Thiere durch diese Verletzung nicht betäubt
werden, und ihre Empfindungskraft in allen Theilen behalten,
dass sie aber die Kraft ihrer Muskelbewegungen verlieren.
Die Thiere haben die Augen offen, sie betrachten alle Gegenstände,
aber umsonst versuchen sie sich in der zur Ortsveränderung
nöthigen Bewegung. Ein Thier, dem die eine Seite des
kleinen Gehirns weggenommen ist, fällt auf dieselbe Seite, und
kann sich auf dem Beine derselben Seite nicht mehr erhalten (?).
Diese Beobachtungen bestimmten R olando zu der unerweislichen
Annahme ,■ dass das kleine Gehirn das Erzeugungsorgan für das
Nervenprincip sey, weiches er mit dem elektrischen Principe vergleicht,
und dass die abwechselnden Lagen von grauer und weisser
Substanz, wie auch R eil glaubte, als eine galvanische Säule wirken.
Die Versuche von F lourens- sind in ihren Resultaten klarer
und entscheidender. Er fand, dass die Thiere bei dem Abfragen
des kleinen Gehirns keine Empfindungen zeigen (Versuche
etc. p. 18.). Nahm er bei Vögeln Schnitt für Schnitt das
kleine Gehirn weg, so trat Schwäche der Muskelbewegungen und
Mangel an Uebereinstimmung derselben ein. Nach der Wegnahme
der oberflächlichen und mittleren Lagen wurden die Thiere unruhig,
ohne in Convuision zugerathen; sie machten heftige und
ungeregelte Bewegungen, aber sahen und hörten. Als die letzten
Lagen weggenommén wurden, verloren die Thiere die Fähigkeit
zum Springen, Fliegen, Gehen, Stehen, zur Erhaltung des
Gleichgewichtes. Wurde ein Vogel in diesem Zustande auf den
Rücken gelegt, so konnte er nicht mehr aufstehen, er flatterte
beständig und zeigte keine Betäubung; er sah den Streich, den
man nach ihm führem wollte, und wollte ihn vermeiden. Es
blieb also Wille, Empfindung und Besinnung, und nur die Kraft
und Fähigkeit,, die Bewegungen der Muskeln gruppenweise zweckmässig
zu Ortsbewegungen zu verbinden, war verloren, und seine
Anstrengungen zur Erhaltung des Gleichgewichtes waren wie die
eines. Trunkenen (a. a, O, p. 34.). Aus diesen Versuchen, die
F lourens. in allen Thierclassen übereinstimmende Resultate gaben,
schliesst derselbe, dass das kleine Gehirn weder zu den sensoriellen,
noch zu den intelleetuellen Apparaten gehört, dass in ihm
nicht die Quelle- der willkührlichen Bewegungen, liegt, dass es
zwar zu den motorischen Apparaten gehört, dass es aber bei
Verletzungen nicht wie andere motorische Apparate, Rückenmark