
auf der entgegengesetzten Seite ohne Zuckung, Wird aber das
kleine Gehirn und das verlängerte Mark zugleich auf einer Seite
verwundet, so hat man lähmungsartige Schwäche auf der entgegengesetzten
, und Zuckung und Lähmung auf derselben Seite.
Siehe F loubens a. a. O. p. 108. So viel Licht indess die Versuche
-von F lourens über die Kreuzung der Lähmungen und Con-
vulsionen werfen, so scheint derselbe doch aus seinen Versuchen
zu viel gegen die Möglichkeit von gleichseitigen Convulsiönen
hei Hirnfehlern auf einer Seite geschlossen zu haben. IJs ist zu
auffallend, dass in Bukdach’s Zusammenstellung von einseitigen
Hirnfehlern die Convulsion in 25 Fällenf gleichseitig, nur in 3
Fällen ungleichseitig erfolgte; unter diesen Beobachtungen sind
uns gerade diejenigen von Wichtigkeit, wo hei ungleichseitiger
Lähmung gleichseitige Convulsion erfolgte. Bei Fehlern in dem
Corpus striatum einer Seite kommen auf 36 Fälle von ungleichseitiger
Lähmung 6 Fälle 'mit gleichseitiger Convulsion, und
keine mit ungleichseitiger Convulsion vor. Diess dürfte ziemlich
deutlich für den alten- Satz sprechen, dass,* wenn bei einseitigen
Hirnfehlern mit ungleichseitigen Lähmungen Convulsionen
Vorkommen, diese - leich ter - gleichseitig als ungleichseitig sind.
Die Erklärung der kreuzenden Wirkung durch die Kreuzung
der Fasciculi pyramidales des verlängerten Markes' liegt zu nahe,
als dass sie nicht seit der Kenntniss dieser Kreuzung als Ursache
der kreuzenden Hirnwirkungen angenommen worden wäre.
Es beweist auch die Kreuzung dieser Fascikel in Uebereinstim-
mung mit der kreuzenden Wirkung des Gehirns auf den Rumpf,
dass die Pyramiden unter den Strängen des verlängerten Markes
vorzüglich es sind, welche den motorischen Einfluss vom Gehirn
auf den Rumpf leiten. Da indess die übrigen Fascikel des verlängerten
Markes sich nicht kreuzen, so fehlt es auch nicht an
einem Erklärungsgrunde für die ausnahmsweise stattfindende
gleichseitige Wirkung des Gehirns auf den Rumpf.
Eine ganz besondere Schwierigkeit bietet das .Verhalten dér
Hirnnerven in Beziehung auf Kreuzung und Wichtkreuzung der
Wirkungen dar. Denn da diese grösstentheils über der Kreuzung
der Pyramiden ihren Ursprung .nehmen, so lässt sich die Kreuzung
der Pyramiden auch nicht als Erklärung der kreuzenden
Wirkung der Hirnverletzungen auf die Hirnnerven annehmen;
und was die Sache noch verwickelter macht, ist der Umstand,
dass die Hirnnerven heim Menschen wenigstens eben so häufig
eine gleichseitige, als eine kreuzende Wirkung des Gehirns erfahren.
Ich verweise in dieser Hinsicht auf die von Bubdach
mit einem bewunderungswürdigen Fleissè zusammengestellten That-
sachen. Bei einseitigem Hirnfehler erfolgte Lähmung der Gé-
sichtsmuskeln in 28 Fällen auf der entgegengesetzten Seite, in 10
Fällen auf derselben Seite. Lähmung des- Augenliedes erfolgte
gleichseitig in 6, kreuzend in 5 Fällen; Lähmung dér Augenmuskeln
gleichseitig in 8, kreuzend in 4 Fallen; Lähmung der Iris
gleichseitig in 5, kreuzend in 5 Fällen. B urdach 3. 372. Die
. Zunge ist in der Régel gegen die gelähmte Seite des Gesichts
hingezogen. Burdach 3/ 377.
Beim Menschen beobachtet man in Hirnfehlern eben so oft
eine gleichseitige als eine kreuzende Lähmung des. Auges-. Burdach
3. 378. Da zu der Zusammensetzung des Sehnerven jedes Auges
beide”Hemisphären beitragen, indem jede Sehnervenwurzel
im Chiasma Fasern für beide Augen abgiebt, so ist die Gleichzahl
der kreuzenden und nicht kreuzenden Wirkung leicht einsichtlich.
Aber nach der Theorie sollte durch einen einseitigen
Hirnfehler weder eine kreuzende noch eine gleichseitige
Blindheit, sondern halbseitige Lähmung der Markhäute beider
Augen, also Halbsehen erfolgen; indem die linke Sehnervenwurzel
in den linken Theil der Sehnerven beider Augen, die rechte
Sehnervenwurzel in den rechten Theil der Sehnerven beider
Augen im Chiasma übergehti Man hat zwar schon öfter Halb-
sehen als vorübergehendes - Symptom beobachtet. Siehe Muel-
ler’s Physiol. d. Gesichtsinnes, p. 93. Aber bei einseitigen Hirnfehlern
kömmt'nicht Halbsehen,’ sondern in der Regel Blindheit
des einen, oder des andern, oder beider Augen vor. Sehr merkwürdig
ist der Unterschied des Menschen und der Thiere, dass
bei ersterem^ Hirnfehler eben so leicht eine gleichseitige als
eine kreuzende Blindheit hervorbringen, während bei den Thieren
immer auf einseitige Hirnverletzungen kreuzende Blindheit
eintritt. Diess erklärt sich indess aus der bei den Thieren verschiedenen
Mischung der Fasern in dem Chiasma der Sehnerven.
Bei den Thieren scheint der grösste Theil der Fasern kreuzweise
zur entgegengesetzten Seite zu gehen, und diess ist wohl
durch den Umstand nothwendig bedingt, dass die Thiere mit
dem grössten Theile der Sehfelder ihrer divergirenden Augen
ganz verschiedene Gegenstände sehenl Nur die mittlern Objecte
zwischen beiden Augen werfen ihr Bild, auf beide Augen; also
nur ein kleiner Theil des Sehfeldes beider Augen ist identisch.
Beim Menschen aber sehen die geometrisch correspondirenden
Theile beider Markhäute bei der gewöhnlichen Stellung beider
Augen immer dasselbe Object. Diese geometrisch übereinstirn-
ipenden Theile ihrer Sebnervenhaut haben nur eine Empfindung
trotz zwei, Organen. Und damit stimmt der Bau des Chiasmas
beim Menschen überein, dass nämlich jede Sehnervenwurzel die
äusseren Fasern des Sehnerveus derselben Se'ite, und die inneren
Fasern des entgegengesetzten Sehnervens abgiebt. Vergl.
oben p. 716. -
Aus den vorher entwickelten Thatsacben der-Mechanik des
Gehirns, und aus den schon in der Lehre vom Rückenmark aufgestellten
Grundsätzen der Mechanik desselben lässt sich nun
eine Classification der Lähmungen und Krämpfe in Hinsicht ihres
Ursprunges geben.
A. Lähmungen. • Die Lähmungen sind theils Nervenlähmungen,
die ihren Sitz bloss in" einem einzelnen Nerven und nicht
im Gehirne und Rückenmarke haben, theils’Hirn- und Rücken-
markslähmungen. Die ersteren entstehen durch alle Ursachen,
welche in den Nerven örtlich die Leitung aufheben, wie rheumatische
Affection, Durchschneidung, Geschwülste der Nerven etc.
Bei den letzteren ist die Ursache nicht in den Nerven, sondern