
und verlängertes Mark, Convulsionen bewirkt, ydass vielmehr durch
seine Verletzung nur die Kraft der Bewegungen und die Fähigkeit,
sie zweckmässig zu den Ortsbewegungen zu coordiniren, verloren
geht. Wenn diese Ansicht richtig ist, so muss im kleinen
Gehirne die Mechanik zu der gruppenweisen Erregung der Muskeln
vorgebildet seyn,.so dass jede Störung der St.ruetur dieses
Organes gleichsam die prästabilirte Harmonie zwischen diesem
Gentralapparate und den Muskelgruppen und ihren nervösen Leitern
aufhebt. Bemerkenswerth ist noch, dass die Verletzungen
des kleinen Gehirns immer ihre Wirkungen kreuzend auf der
entgegengesetzten Seite des Rumpfes zeigen.
Diese Beobachtungen sind durch die Versuche von H ebtwig
bestätigt worden. Aus diesen ergiebt sich, dass das kleine
Gehirn für sich nicht sensibel ist, durch seine Reizungen keine
Convulsionen der Muskeln eintreten, dass seine ungestörte Wirkung
zur.Verbindung der Bewegungen für einen gewissen Zweck,
z. B. des Fliegens, Stehens, Laufens, zur Erhaltung des Gleichgewichtes
nöthig ist, dass die Verletzung desselben weder auf die
Sinne,' noch auf andere Functionen des Körpers Einfluss hat.
G-leichwohl sah H ertwig, dass die Kraft des kleinen Gehirns nach
einer theiiweisen-Zerstörung sich allmählig wieder herstellte. Die
kreuzende Wirkungfles kleinen Gehirns wird von H ertwig bestätigt.
Magendie sab, dass Igel und Meerschweinchen, denen er das
grosse und auch das kleine Gehirn weggenommen hatte, sich
noch die Nase 'mit den Vorderpfoten rieben, wenn man ihnen
Essig unter die Nase hielt. Derselbe will nach der Verletzung
des kleinen Gehirns beobachtet haben, dass die Thiere sich anstrengten,
vorwärts zu gehen, und durch eine innere Gewalt ge-
nöthigt wurden, rückwärts zu gehen. Nach der Verletzung der
Pedunculi cerebelli ad pontem und des Pons selbst auf einer
Seite sah er constant, dass die Thiere sich nach derselben Seite
herumwälzen. Diese Wirkung erfolgt sogar durch jeden Verti-
calschnitt, welcher die über dem vierten Ventrikel liegende
Markmasse trifft, zeigt sich'aber am stärksten nach Verletzung
der Pedunculi ad pontem. Zuweilen sollen die Thiere 60 Mal in
der Minute sich umdrehen, und er sah diese Bewegung acht Tage
ohne Aufhören fortdauern- DieSe Bewegungen sind keine Gonvul-
sipnen, sondern werden willkührlich von dem Thiere ausgeführt,
als wenn eine innere Gewalt es dazu nöthigte, oder als wenn es
von Schwindel ergriffen wäre. Durch. die Durchschneidung des
Schenkels der andern Seite soll man das Gleichgewicht wieder
herstellen können. H ertwig sah auch Drehungen nach rechts
nach Verletzung des Pons auf der rechten Seite beim Hunde;
dabei war das eine Auge nach oben, das andere nach unten gedreht.
Derselbe beobachtete bei Verletzungen des Pons auf der
Oberfläche massigen Schmerz, und schreibt dem Pons eine kreuzende
Wirkung zu. Convulsionen beobachtete er nach Verletzungen
des Pons nicht.
Der Peduneulus cerebelli inferior (Corpus restiforme) gehört
zum System des Verlängerten Markes; nach seiner Verletzung
treten nach R olahdo’s Versuch an einer Ziege Convulsionen ein,
wobei der Körper des Thieres auf die verletzte Seite sich krümmte.
Saggio ed. 3. p. 128. Die Pedunculi cerebelli anteriores (ad Corp.
quadrig..)' bewirkten nach demselben Autor verletzt auch Convulsionen,
die entgegengesetzten Extremitäten waren mehr bewegt;
das Thier (Kaninchen) fiel nach Sprüngen immer auf die
verletzte Seite.
Nach Gall soll das kleinö Gehirn das Centralorgan des Geschlechtstriebes
seyn.' Diese Ansicht stützt sich nicht auf sichere
Thatsachen. Burdach hat die hieher gehörigen Thatsachen zusammengestellt,
a. a. O. 3. p. 423. Nach Burdach kömmt die
Affection der Geschlechtstheile unter 17 Fällen von Fehlern des
kleinen Gehirns, und unter 332 Fällen von Fehlem des grossen
Gehirns einmal vor. In apoplectischen Fällen mit Erection hat
man Bluterguss- im kleinen Gehirne gefunden (Serres im Journal
de physiol. 3. 114.). D unglison beobachtete bei einer Entzündung
des kleinen Gehirns mit seröser Ergiessung Priapismus. Bei
Zerstörung des Rückenmarks in Thieren bewirkt man auch zuweilen
Erection. H eusinger’s Beobachtungen (Meckel’s Archiv.
6. 551.), der hei zwei Vögeln, die plötzlich gestorben, einen strotzenden
Zustand der Hoden und Blutergiessung im kleinen Gehirne
fand, können wohl nicht als Beweise für Gall’s Ansicht angeführt
werden, und alle übrigen von Burdach angeführten Fälle von
gleichzeitigen Krankheiten des kleinen Gehirns und der Genital-
functionen beweisen im Grunde auch nicht viel. Die Coincidenz
der Rückenmarkskrankheiten mit Affection der Genitalien ist noch
häufiger. ^ Auch steht die Entwickelung des kleinen Gehirns in
keinem Verhältnisse mit der Energie des Geschlechtstriebes in
der Thierwelt. Diess Organ ist bei, den nackten Amphibien, wo
es eine blosse Leiste über den vierten Ventrikel darstellt, ausserordentlich
klein, und gleichwohl ist der Geschlechtstrieb dieser
Thiere zum Sprüchworte geworden, obgleich bei den nackten
Amphibien die Erection wegfällt. Gegen die Hypothese spricht
ferner ein Präparat des anatomischen Museums zu Bonn von dem
kleinen Gehirne eines Mannes, bei dem man bei der Section eine
Atrophie der einen Hälfte des kleinen Gehirns fand. Siehe W eber
in m p . act. not. cur. 14. 111. Dieser Mann war an einer
entzündlichen Krankheit gestorben, und hatte einen eher zu starken
als zu schwachen Geschlechtstrieb; er war verheirathet und
Vater von mehreren Kindern. Am merkwürdigsten sind aber
die von Gruveilhier ( Anat. paihol. livr. 15. 18.) mitgetheilten
Thatsachen. In dem einen dieser Fälle, nämlich von einem
21jährigen Individuum,'fanden sich zwei grosse tuherculöse Massen
in der linken Hemisphäre des kleinen'Gehirns, ohne paralytische
Symptome, ohne, Kopfschmerzen und ohne eine positive
krankhafte Erscheinung in den Genitalien. Da dieses Individuum
keine Neigung zu den Vergnügungen der Liebe gehabt haben
soll, so könnte man diesen Fall als einen Beweis für die GALu’sche
Hypothese ansehen. Indessen zeigt uns der zweite Fall eine Coincidenz
des vollkommenen Mangels des kleinen Gehirns mit Neigung
zur Mastupration; diess war ein elfjähriges Mädchen. Im
7. Jahre zeigte dieses Subject eine grosse Schwäche in den Ex