
bensprincipes ist die Erzeugung der zweckmässsigen: Organisation
in der belebten Materie. Die in der Organisation des einfachsten
Wesens sieb ausdrückende Vernunft- ist vielleicht erhabener
als das Höchste, was das 'Bewusstsein eines thieriseben Wesens
oder Menschen vorzustellen vermag. Alle Probleme’ der Physik
sind vor dieser schaffenden TbätigW?it gelöst. Vor der Natur,
,-welche cflas Auge, das Gehörorgan erzeugt, sind keine Probleme
über die Physik des Sehens, des Hörens verborgen. Sie ist auch
die Ursache des Instinktes, d. h. sie ist die Ursache, dass in dem
Sensorium eines Thieres Träume entstehen, die es zu zweckmässigen,
zu seinem Daseyn nöthigen und vernünftigen Handlungen
nöthigen, ohne dass die Seele des Geschöpfes das Geringste von
diesem vernünftigen Vorgänge und seinem Zusammenhänge einsieht.
Wenn es einen wahren Grund1 für die Ansicht giebt, dass
das psychische Leben auch nur eine'Art- der Manifestation des
Lebensprincipes. der thieriseben Wesen ist, so ist es der, dass beiderlei
Wirkungen der Ausdruck der Vernunft seyn. können > dass
die Erzeugung der Organisation des niedersten Thieres bei dei
Entwickelung des Seimes der Ausdruck der höchsten Vernunft
ist, und dass da« darin waltende Vernünftige alle bewussten Seelenwirkungen
dieses Geschöpfes weit überstrahlt. E r .n s t S ta b il
liess alle thieriseben Wirkungen, weil sie-zweckmässig sind, von
der Seele ausge.henv Diese Seele, wenn von ihr das psychische
Leben im engern Sinne abhängig ist und- äusfliesst, ist in S t a h l -s
Sinne freilich etwas ganz Anderes und Höheres, als was wir gewöhnlich
Seelenleben nennen. Man sieht leicht ein, dass SrAnUs
Theorie die Anschauung von der vernunftgemäss wirkenden
Kraft in jedem'lebenden Wesen zu Grunde liegt, dass e r das,
was wir gewöhnlich Seelenleben nennen, als, einen Ausfluss, jerter
letzten Ursache eines Geschöpfes ansah. Aber wenn diese letztere
Ansicht auch richtig seyn sollte, was sich empirisch nicht
beweisen lässt, so muss man doch immer festhalten,.;dass in das
bewusste und denkende Seelenwirken nur ein kleiner Theil
von den Wirkungen jener hohem, vefnunftgemäss wirkenden Lebensseele
fällt, welche die letzte- Ursache eines Geschöpfes^ ist,
und welche in seiner Organisation, in seinen instinktmässigen
Trieben alle Schicksale desselben im Zusammenfluss mit der äus-
sern Welt vorsieht. . . *
Man fragt, ob das psychische Princip eine Thätigkeit der
Materie oder selbstständige Kraft sey, ob es. an den Leib bloss gebunden
sey, oder ob es nicht anders, als der Ausdruck eines gewissen
Zustandes, einer gewissen Zusammengesetztheit der Materie
sey. Bewegung-, Thätigkeit* ist, vielleicht. der Urzustand der
Materie, da selbst die Ruhe der Massen von der Anziehung ihrer
Theilchen abhängt. Wenn es aber keinen Körper ohne Energie,
ohne Kraft, ohne Thätigkeit giebt, ist nicht die Seele selbst auch
der Ausdruck des Zustandes und der Zusammensetzung der Materie
in den lebenden Wesen? Erscheint die Seele nach dem
Tode nicht mehr an dem Leibe, weil die Materie ihren bisherigen
Zustand, ihre Zusammensetzung, die vereinte^Wirkung und
Anziehung ihrer belebten Atome verloren hat, die nun nacl1
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einem veränderten Zustande in andere Erscheinungsweisen übergehen;
oder erscheint die Seele nicht mehr an dem Körper, weil
sie nicht mehr an »den Körper gebunden ist?
Allerdings sind die Erscheinungen des Seelenlebens, mag es
ein Ausfluss des Lebensprincips seyn, oder von einem selbstständigen
mit dem Leben verknüpften Princip abhängen, durchaus an die
Organisation des Gehirns geknüpft; ohne die Unversehrtheit dieses
so zusammengesetzten Faserbaues erfolgt keine Wirkung der
Seele auf die belebten Werkzeuge des Körpers, öder mit anderen
Worten, erscheint sie nicht an diesem, aber sie kann an ihm latent
seyn, wie ihre Quelle in den Zeuguhgsflüssigkfeiten der thie-
rischen Weseh vorhanden, aber latent ist. Indess, hier wiederholt
sich dieselbe Frage: ist auch der latente Zustand der Seele
nur die Ruhe der einer gewissen Zusammensetzung der Materie
eingebornen Kraft, oder kann das Princip, unabhängig von aller
Materie, sieh mit dieser verbinden und sie verlassen. Fliëssen die
nach dem Materialismus allein thätigen Atome nach der Zerlegung
der mit dem latenten Zustande dès Lebens beseelten Materie
in die Welt zurück, um wieder zur Quelle des Leberts sich
zu einen, wenn sie in einer gewissen Art Wiedër zusammengesetzt
werden; oder ist das latente Lebensprirtcip Und psychische Princip
auch von dem Zerfällen der ^.tome unabhängig;, ist seine
Substanz immateriell, und Weder dié Thätigkeit der Atome der
Materie, noch die Thätigkeit der.in gewisser Art vereinten Atome
der Materie? ^ Obgleich man keine Lösung dieser physiologischen
Fragen von der empirischen Physiologie erwarten darf, so giebt
es doch Thatsaehen, welche bei dem Versuche dieser Lösung zu
benutzen sind. Es giebt allerdings Kräfte der Natur, oder impondérable
Substanzen, welche, wenn auch nicht von der Materie
unabhängig, doch ohne eine Veränderung in dem materiellen
Zustande des Körpers Sie verlassen und auf anderé übergehen
können, wie Licht, Elektricität, Magnetismus. Die Existenz die- \
ser Pnncipien, ihr Erscheinen an den Körpern, und ihr Ueber-
strömen von einem auf den andern Körper zeigt uns deutlich
dass jener Materialismus, welcher ausser den Kräften der Atome
nichts anerkennt, grundlos ist; und ohne entfernter Weise das
Lebenspnncip und psychische Princip mit jenen imponderabeln
Substanzen oder Kräften vergleichen zu wollen, sehen wir wenigstens,
Mass in den Thatsaehen der Physik nichts ist, welches
dié Möglichkeit eines von der Materie unabhängigen, wenngleich
in den organischen Körpern in der Materie wirkenden immateriellen
Princips a-ufhöbe.
' Wir müssen hier'ein anderes Räthsel berühren, dessen
schon im Anfänge dieses Lehrbuches p. 38. gedacht wurde. Es
ist ^ die Frage nach der Ursache des beständigen Vergehens
und der Wiedererzeugung belebter und beseelter individueller
Wesen. Das Lebensprincip wächst nicht allein an Intensität
während des 'Waehsthums der organischen Körper, es ver-
vielfältigt sich auch , durch die Theilung und Zeugung. Aus einem
lebenden Wesen entstehen viele andere, eben so kräftige
und productive, aus diesen wieder andere, während die organi