
gross gewesen. Die organischen Körper besitzen beständig das
Vermögen, die zum Leben des Ganzen nöthige Zusammensetzung
der Theile zu erbalten. So oft diese Zusammensetzung verletzt
wird, äussert sieb jenes „Streben heilkräftig. Diess folgt schon
aus dem Satz, dass die organischen Körper beständig der chemischen
Einwirkung das Gleichgewicht zu halten suchen. Deswegen
strömt einem verletzten Theile noch mehr Blut zu, weil die
organische Thätigkeit sich in demselben vergrössert. Die Wechselwirkung
der vermehrten organischen Thätigkeit, welche dem
Anfänge der Zersetzung das Gleichgewicht zu halten strebt, uhd
des schon eingetretenen Strebens zur Zersetzung erkennt man
in der Entzündung. Deswegen lässt sich aber doch nicht behaupten,
dass die Entzündung wesentlich eine, vermehrte Thätigkeit
ist, sondern sie ist zusammengesetzt aus den Erscheinungen
einer örtlichen Verletzung, einer örtlichen Neigung zur Zersetzung
und einer dagegenwirkenden verstärkten organischen Thätigkeit,
welche dem Zersetzungsstreben das Gleichgewicht zudialten strebt.
Bei einem höhern Grade von Zersetzung in den thieriseben Thei-
len kömmt es gar nicht zu dieser Rückwirkung, und die Entzündung
entsteht nicht, wie hei den narkotischen Vergiftungen.
Wenn sie aber entsteht, so kann die duröh eine Verletzung bedingte
Zersetzung bald so gross werden, , dass die organische
Rückwirkung das Gleichgewicht nicht zu halten vermag, und
dass örtlicher Tod eintritt.
Diese und viele andere Fälle, ja>schon die Ermüdung und
Erschöpfung nach grossen Anstrengungen zeigen unsj dass die
organische Kraft durch die Ausübung der Functionen gleichsam
consumirt wird. Diess zeigt sich noch nach dem Tode. Denn
wenn man von zwei gleichen Muskelstücken eines frisch geschlachteten
Thieres den einen Theil mit dem Messer zu kleinen Zuk-
ktingen reizt, während man den andern sich selbst überlässt, so
wird der erste in dem Maasse früher seine Reizbarkeit verlieren, -
als er sich mehr bewegt. Autenrieth’s Physiol. I. 63. Jeder
Lichteindruck stumpft das Auge einigermaasen ab, und der gleiche
Reiz bringt kurz darauf keine gleiche Reaction hervor, bis
sich das Auge erholt hat. Man könnte - dies daraus erklären,
dass ein Theil der Kraft zur Ausgleichung der durch den Reiz
bewirkten materiellen Veränderungen wirkt. Allein diese Ermüdung
erfolgt auch in dem Falle, wo die Thätigkeit ohne äussern
Reiz vermehrt wird, sobald nur nicht die Kraft zugleich vermehrt
ist. Es scheint also, dass diese Thätigkeit selbst eine materielle
Veränderung in den Organen hervorbringt. Vielleicht
indem jene beständige Veränderung der organischen Substanz
durch die beim Athmen veränderten Bestandteile des Blutes
welche zum Leben, gleich wie die Zersetzung zu- den Erscheinungen
der Verbrennung notwendig ist, beschleunigt oder vermehrt
wird, da doch zur Zeit dieser Beschleunigung nicht auch
die Wiedererzeugung aus den Nahrungsstoffen vermehrt ist, sondern
in der Weise der Erholung erst allmählig geschehen kann.
Ueberhaupt aber, je tätiger ein Mensch ist, um so grösser scheint
die Zersetzung der Stoffe, und um so mehr hat Jemand Bedürfniss
nach Nahrungsmitteln. Menschen und Thiere, die nach sehr
heftigen Kraftäusserungen gestorben sind, wie z. B. ein zu Tode
gejagter Hirsch, sollen selbst schneller faulen als ein zu Tode
gebluteter Körper. Autenrieth, welcher diess bemerkt, fuhrt
auch an, dass ein Muskel aus einem noch reizbaren Thiere geschnitten,
ungleich schneller faule, wenn er zu häufigen Zusarn-
menziehungen vor seinem Absterben gereizt wurde, als ein anderes
gleiches Stück, das ruhig gelassen wurde. Physiologie 1.115,
Vewd. A. v. H umboldt über die gereizte Muskel- und Nervenfaser.
In „den Verrichtungen des Nervensystems ist die Erholung besonders
so notwendig, dass selbst das gleichmässigste Leben des
Schlafes bedarf, der von selbst eintritt, auch wenn die das Nervensystem
in Thätigkeit setzenden Ursachen, die äusseren Reize,
fortdauern, weil die durch die Thätigkeit verursachte Veränderung
im Nervensysteme letzteres unempfindlich für diese Eindrücke
macht.
Die beständige Wiederbelebung der organisirten lheile aus
den allgemeinen integrirenden Lebensreizen ist sonst meistenteils
mit der Fähigkeit zu einer gleichmässigen Thätigkeit verbunden.
Wird aber die Action verstärkt und beschleunigt, so muss Ruhe
erfolgen, wenn So viel Fähigkeit sich zu neuen Actionen bilden,
soll, als durch die Action verloren ist.
Obsclion im gesunden Leben im Allgemeinen eben so viel
Kraft in einer gewissen Zeit wiedererzeugt wird, als durch die
Thätigkeit unwirksam geworden ist, so giebt es doch Fälle, in-
welchen die Wiedererzeugung allmählig immer stärker wird, bei
gleichmässiger geregelter thätigkeit oder bei abwechselnder Thä-
tiokeit und Ruhe. Diess ist namentlich 'in der Jugend der Fall,
weil aus. früher entwickelten Gründen . die Affinität der organischen
Theile zu den allgemeinen Lebensreizen um so. grösser
scheint, je weniger die Entwickelung vorgeschritten isty ab er.
überhaupt wird durch eine nicht zu angestrengte Thätigkeit mit
Ruhe abwechselnd die Kraft eines Organes vermehrt, wie in der
Uebung, während blosse Ruhe die. Organe oft erschlafft. Abwechselung
von Thätigkeit oder Uebung und Ruhe, darin liegt
das Geheimniss, die Kraft unserer Actionen allmählig zu verstäiken.
Vielleicht wird durch die Action ein Theil der Stoffe eines Organes
zersetzt, wie das Leben überhaupt mit Zersetzung verbunden
ist, vielleicht wird ein Theil der Stoffe durch die Action eines
Organes' zersetzt, während durch die vermehrte Action ein
anderer Theil inniger gemischt wird, so dass ein Organ durch,
die Thätigkeit zwar .verliert, aber durch die Action fähiger wird,
neue Stoffe anzuziehen und sich zu verstärken.. Wenn aber die
Thätigkeit zu häufig und zu stark wiederholt worden ist, so ist
die Wiedererzeugung selbst geringer, und es tritt Erschöpfung ein.
Diess ist dann der Fall, wenn die Consumtion organischer Kraft
oder das Unwirksam-werden, derselben durch verstärkte Action.
schneller erfolgt, als die Wiedererzeugung in gleichen Zeiten ist.
Diese Erschöpfung ist umso grösser, je mehr und je edlere Theile
häufig und heftig in Thätigkeit versetzt werden, wie z. B. heim.
Coitus fast das ganze Nervensystem in eine mit Consumtion vom