Die elastischen Wände der Arterien müssen in Folge dieses
Druckes bei jedem Herzschlage ausgedehnt und zur Zeit der
D iaslole der Ventrikel vermöge ihrer Elasticität wieder auf ihren
vorigen Zustand reducirt werden. Diese Ausdehnung der
Arterien kann in der Länge und in der Breite erfolgen, und sie
erfolgt in der That in beiden Richtungen, aber in der Länge
viel merklicher, als in der Breite. Die Arterien, werden im Momente
des Pulses der Länge nach ausgedehnt, und deshalb verschieben
sie sich schlängeln und strecken sich wiederum zur
Zeit der Ruhe des Ventrikels; sie werden aber auch im Momente
des Pulses ein wenig in der Dimension der Breite ausgedehnt.
Die Ausdehnung in die Breite' ist von R udolphi , L a-
mure, Arthaud, P arry und D oellinger geleugnet worden. Dagegen
haben sie B ichat, v. W alther, T iedemann, Meckel, H astings,
MAGENDJE'und W kdemeyer gesehen. Die Erweiterung der
Arterien im Puls muss jedenfalls kleiner, seyn, da sie nicht immer
gleich deutlich wahrgenommen und von mir selbst nur zuweilen
deutlich gesehen wurde. Dass sie aber existirt, davon kann sich
jeder Beobachter an der ganzen Verzweigung der Arteria pulmo-
nalis beim Frosche überzeugen, wo man nicht allein die Schlängelung
der Arterien, sondern auch ihre Erweiterung gleich deutlich
sieht. Ausserdem habe ich die Erweiterung der Aorta abdominalis
beim Frosche und, einmal vollkommen.deutlich beim Kaninchen
gesehen. Vergl. E. H. W eber Anatomie T. 3. p. 67.
Poi seit ille (Magendie Journ.T. 9. p: 44.) hat durch einen ingeniösen
Versuch sogar die Grösse der Erweiterung an den Arterien
gemessen. Er entblösste die Carotis communis eines lebendigen
Pferdes auf 3 Decimeter, und schob eine offene Röhre von
weissem Blech, die durch eiu. schmales Deckelstück .verschliess-
bar war, darunter. Mit diesem Stücke verschloss er die Röhre
wieder,' verschloss die Enden mit Wachs und Fett; den innern
Raum der Röhre um die Arterie herum füllte er durch eine in
die Röhre eingesetzte Glasröhre von aussen mit Wasser an. Bei
jedem Pulsschlage stieg das. Wasser in der 3 Millimeter weiten
Glasröhre um 70 Millimeter, und fiel um eben so viel jedesmal
darauf. Das eingeschlossene Stück Arterie war 180 Millim.
lang, und nahm 11440Uubicmillim. Raum ein; da es nun durch
jeden Pulsschlag um einen Wassercylinder von 3 Millim. Durchmesser
und 70 Millim. Länge d. h. um 494 Cubicmillim. an Ausdehnung
zunahm, so folgt, dass es ungefähr um seines Rau-
mes ausgedehnt wurde.
Man nimmt gewöhnlich an, dass der Puls in allen Arterien
bei verschiedener Entfernung vom Herzen gleichzeitig sey. W eitbrecht,
L iscovius und E. H. W eber (Adnotat. anatom.) haben in-
dess das Gegentheil gezeigt, und in der That ist es leicht, sich
vom Gegentheil der Behauptung von Bichat zu überzeugen. Die
Arterien pulsiren in der Nähe des Herzens isochronisch mit der
Contraction des Ventrikels, denn der Pulsus cordis ist die Zusammenziehung
der Ventrikel, der Pulsus arteriarum aber die hierdurch
und durch den Druck des Blutes bewirkte Ausdehnung der
Arterien. Allein bei grösserer Entfernung vom Herzen ist der Puls
der Arterien nicht mehr ganz synchronisch mit dem Herzschlage,
und variirt davon nach W eber um -g- — Secunde. So ist der
Puls der Art. radialis schon um etwas später als der Puls der
Carotis communis. Der Puls der Maxill. ext. dagegen, bei ungefähr
gleicher Entfernung vom Herzen, isochronisch mit dem Puls
der Art. axillaris. Der Puls der Art. metatarsea auf dem Fuss-
rücken um etwas später als der Puls der Maxill. ext. und der
Puls der Carotis comm. E. H. W eber hat in der Abhandlung
(de pulSu non in Omnibus arteriis plane synchronico) die Ursachen
dieses Zeitunterschiedes gezeigt. Wäre das Blut von ganz
festen Röhren eingeschlossen, deren Wände keiner Ausdehnung
fähig waren, so würde sich der Stoss des von der Herzkammer
in die Arterien getriebenen Blutes bis zu den Enden der Blutsäule
mit derselben Schnelligkeit fortpflanzen, mit welcher der
Schall durch diese Flüssigkeit sich fortpflanzt (d. h. viel schneller
als der Schall in der atmosph. Luft), dann würde der Druck des
Blutes mit einem ganz unmerklichen Zeitverlust bis zu den Enden
der Arterien sich fortpflanzen. Da aber die Arterien einiger Ausdehnung
in die Breite und noch grösserer in die Länge fähig
sind, so bewirkt die Zusammendrückung des Blutes vom Herzen
aus zunächst nur die Ausdehnung der nächsten Arterien. Worauf
diese durch ihre Elasticität sich wieder zusammenziehen, und
so die nächsten Fortsetzungen der Arterien durch das comprimirte
Blut ausdehnen, die auch wieder durch ihre Zusammenziehung
die nächsten Theile ausdehnen und so weiter, so dass ein, wenn
auch noch so kleiner Zeitraum verstreicht, ehe die Welle, d. h.
die successive Zusammendrückung des Blutes, Erweiterung und
Verengerung der Arterien bis zu den entfernten Arterien gelangt.
W eber vergleicht diess mit der Fortpflanzung der Wellen, die
ein in einen See geworfener Stein bewirkt. Auch diese Wellen
pflanzen sich nicht mit der Schnelligkeit des Schalles fort. Die
Schnelligkeit dieser Fortpflanzung ist vielmehr nach den Versuchen
der Gebrüder W eber (Wellenlehre. Leipz. 1825. p. 188.) in
einem 23 Zoll tiefen Wasser 5^ Par. Fuss in einer Secunde. Bichat
verwechselte die Bewegung der Wellen in einem Flusse mit
seiner Strömung, und glaubte, der Puls rühre nicht von den fortschreitenden
Wellen, sondern von dem allem Arterienblute zu
gleicher Zeit mitgetheilten Stoss her. Die Bewegung der Wellen
hängt aber immer von der durch Stoss bewirkten fortgepflanzten
Oscillation, niemals von der Strömung ab, so dass das Wasser einer
Welle sich hebt und senkt, aber an seinem Orte bleibt, während
die Welle und Oscillation weiter fortschreitet, die also beständig
in anderen Theilen Wassers stattfindet. Daher auch die
leichtesten Körper auf den Wellen sich zwar heben und senken,
aber bei dem Fortschreiten der Wellep an ihrem Orte bleiben.
Zur Fortpflanzung des Pulses wird eine continuirliche Blutsäule
erfordert; wären die Arterien an einzelnen Stellen leer, so
würde, wie W eber schliesst, die Fortpflanzung des Pulses viel
langsamer seyn, oder ganz unterbrochen werden. Denn von Blut
leere Stellen der Arterien müssten erst vom Strome des Blutes
gefüllt werden, ehe der Stoss sich fortpflanzen könnte, und der