
sehe Kraft der sterbenden vergeht oder latent wird. Diese Vervielfältigung
belebter Wesen geschieht nicht bloss durch ein Ue-
bertragen des wirksamen * Principes von dem Producenten auf
das Product. . Denn der Producent bleibt auch nach der Vervielfältigung
zu neuen Productionen fähig, bis er zuletzt vergeht.
Dasselbe gilt aber von dem psychischen Princip., Der Zeugende
verliert dasselbe nicht durch das Zeugen eines neuen beseelten
Producenten, aber nach der fortdauernden Erzeugung neuer beseelter
Wesen wird die Psyche der zeugenden Eltern mit dem
Sterben für uns latent. Wie ist es nun möglich, dass das Le-
bensprincip und die Psyche sich in j immèr neuen Individuen
ins Unendliche multiplicirt, während doch die Producenten nach
der Production beseelt bleiben und später vergehen; wie ist
diese unendliche Multiplication des psychischen Principes mit
dem Lebensprincip denkbar? Daraul giebt es zwei Antworten
, deren sich keine erweisen lässt. Die erste ist die, dass
das Princip des Lebens und das psychische Princip in allen
Materien, durch deren Aneignung die thierischen Körper wachsen
und zur Multiplication fähig werden, im latenten Zustande
vertheilt s!eyen, und durch die Organisation in den belebten und
beseelten Körpern in Erscheinung treten. . Diess ist die Lösung,
welche,der Pantheismus auf jene Frage ertheilt. Diese
Lösung ist es, welche an der Unsterblichkeit der individuell
beseelten Wesen zweifelt, und auf die Unsterblichkeit des Weltgeistes
reducirt ist. Die zweite Antwort ist, dass das Lebens-
princip^ und psychische Princip nicht latent in allen zur Aneignung
dienenden Materien Verbreitet sind, dass das Lebensprincip
vielmehr nur in den belebten Wesen ist,, und dass das
psychische Princip. so lange sie lehen, an ihre- Materie gebunden
ist. Bei dieser Ansicht lässt sich die Multiplication der beseelten
Individuen nur durch die Annahme erklären, dass das psychische
Princip, wenn es sich durch die Zeugung ins Unendliche multiplicirt,
eine Substanz sey, welche durch Vertheilung nie weder
vergehen noch an Intensität geschwächt werden kann. Dieses
'Princip würde von allen Kräften sich dadurch, unterscheiden, dass
es eine durch Theilung^ sebst bis ins Unendliche, unveräusserliche
und nicht zu schwächende Kraft wäre. Eine Suppositiori,
_ die für unsern Verstand unbegreiflich ist, und wozu doch jeder
gedrängt wird, der dem Pantheismus entgegenstrebt, und mit dem
uns eingebornen Glauben an die Unsterblichkeit nicht des psychischen
Principes überhaupt, sondern der individuell beseelten Wè-
sen, den-Abgrund, welchen keine Wissenschaft ausfüllen kann',
überflügelt.
Die specielle Physiologie des Seelenlebens folgt erst später
nach der Physiologie der Sinne im sechsten Buche diesel Werkes.
Hier kömmt dieser Gegenstand nur in dén allgemeinsten Beziehungen
zum Gehirne vor.
' III. Vo n dem v e r l ä n g e r t e n Ma r t e .
Durch das verlängerte Mark ist das Gehirn mit dem Rückenmark
in Wechselwirkung, die Kenntniss des Verlaufs der Stränge
desselben ist daher für den Physiologen von besonderer Wichtigkeit.
Burdach hat diesen Gegenstand in seinem verdienstvollen
Werke über den Bau und das Leben des Gehirns mehr als
Andere aufgehellt. Man unterscheidet jetzt folgende Stränge des
verlängerten Markes:
1) die Pyramiden; sie bilden sich nach Burdach aus Grundfasern
und Kreuzungsfasern. Die Grundfasern liegen an der vorderen
Fläche des grauen Kernstranges, sie bilden die hintere
Wand des vorderen Einschnittes des Rückenmarkes, steigen aber
am Halse 3 j—l f Zoll unter der Brücke schräg nach vorn herauf,
so dass sie anfangs, die Seitenwände des vordem Einschnittes
bildend, zuletzt zu beiden Seiten des Einschnittes an der
vordem Fläche des Rückenmarkes hervortreten, und an der in-
nern Seite des innern vordem Rückenmarksstranges sich hervordrängen.
Die Kreuzungsfasern sind ein Arm des Seitenstranges
des Rückenmark.es, welcher hinter der Olive weggeht, schräg
nach innen und vorn aufsteigt, und mit. den Grundfasern an der
Oberfläche zur Seite des vordem Einschnittes des Rückenmarkes.
4 Zoll unter der Brücke hervortritt. JNur die Kreuzungsfasern
kreuzen sich, d. h. kommen von der einen Seite des Einschnittes
zur andern, und legen sich an die entgegengesetzten Grundfasern
an. Burdach ü. a. O. 2. 31. Die Fasern der Pyramiden gehen
durch die Bündel der Querfasern der Brücke in die Hirnschenkel
über.
2) Die Hülsenstränge sind nach Burdach die an der innern
und äussern Seite der Olive verlaufenden Faserbündel, welche
an der Oberfläche des verlängerten Markes nicht blossliegen.
Der vordere Hülsenstrang entsteht aus den Markfasern am vordem
Einschnitte des Rückenmarkes, welche an der Stelle, wo
die Pyramiden hervortreten, von der Pyramide nach aussen gedrängt
werden. Der äussere Hülsenstrang ist der äussere Theil
der vordem Rückenmarksstränge an der innern Seite der vordem
Wurzelreihe. Beide Hülsenstränge .liegen an einander bis
da, wo die Olive zwischen ihnen hervortritt. Die inneren Hülsenstränge
gehen durch die Brücke mit den Pyramiden in die Hirn-
schenkel über. Die äusseren Hülsenstränge treten nach oben
und innen um den ohern Theil der Processus cerebelii ad Corpora
quadrigemina, und sofort in die Basis der Vierhügel über.
3) Die Olive entsteht durch, die Ausbreitung des vordem
grauen Stranges im verlängerten Marke. An* dieser Stelle geht
von dem grauen Strange eine mit weisser Markmasse gefüllte,
gefaltete graue Blase ab, die auch äusserlich mit Markmasse
überzogen ist. Die graue gefaltete Blase und der markige
Kern erscheinen auf dem Durchschnitte als Corpus dentatum
der Olive.
4) Der Seitenstrang des Rückenmarkes giebt am Anfänge des
verlängerten Markes die Kreuzungsfasern der Pyramiden nach
innen ah, der übrige Theil schlägt sich über der Olive in deu
Schenkel des kleinen Gehirns zum verlängerten Marke, und geht