
da sie, wie rpan bald sehen wird, von-Anfang an darin selbstständig
und isolirt sind.
Die erste und wichtigste Frage ist, ob, da die Nerven sich
vielfach unter sich, und selbst die Bündel eines Nerven von Stelle
zu Stelle Zusammenhängen, dasselbe von den in diesen Fasern
enthaltenen Primitivfasern gilt. Verbinden sich die Primitivfasern
unter sich niemals,- so steht das Hirnende einer Primitivfaser
immer auch nur mit einem einzigen peripherischen Ende im
Zusammenhang, und dem peripherischen Ende entspricht nur eine
einzige Stelle im Gehirn oder Rückenmark, und so viele Millionen
Primitivfasern zu peripherischen Theilen hingehen, so viele
peripherische Punkte des Körpers sind im Gehirn repräsentirt.
Wenn aber die Primitivfasern theils in den Bündeln der Nerven,
theils in den Anastomosen und Plexus Zusammenhängen, und
nicht bloss juxtaponirt sind: so repräsentirt das Hirnende einer
Primitivfaser sehr viele peripherische . Punkte, und zwar alle
Punkte, deren Fasern^ unterwegs in einander fliessen. Da nun
die Nerven überall sich scheinbar verbinden, so würde, wenn sich
auch die Primitivfasern verbänden, fast so gut wie kein einziger
Punkt des Körpers im Gehirn isoliüt und einzeln repräsentirt
-werden, und die Reizung einer Primitivfaser in einem Punkte
der Haut würde sich auf alle Verbindungen fortpflanzen müssen,
d. li. es. würde nicht die Empfindung eines Punktes im Gehirn
entstehen können. Denn die Empfindung eines Punktes im Ge^.
hirli hängt offenbar davon ah, dass da, wo das Bewusstseyn statt
findet, auch nur durch Eine Faser und an Einem Ort ein Eindruck
geschieht. Man sieht leicht ein, dass, wenn die Anastomosen
der. Nerven für die Leitung des Nervenprincips dieselbe Bedeutung
hätten, als die Anastompsen der Gefässe, gar keine, örtliche
Nervenwirkung vom Gehirn auf die peripherischen Theile,
und von den peripherischen Theilen nach dem Gehirn stattfinden
könnte. Die ganze Möglichkeit einer exacten Physik der
Nerven hängt davon ab, ob die Primitivfasern der Nerven in den
Anastomosen der Bündel oder Scheiden sich wirklich- oder nicht
verbinden. Schon Fontana und später Prevost und Dumas haben
die Beobachtung gemacht, dass die Primitivfasern der Nerven
sich in dem Bündel nicht mit einander verbinden, sondern
nur neben einander fortgehen. Zu dieser Zeit hat man schwerlich
schon eine Ahnung von der Wichtigkeit dieser Beobachtung für
die Physik der Nerven gehabt. Vor einigen Jahren, zur selben
Zeit, als ich meine Versuche über die motorischen und sepsi-
beln Wurzeln der Nerven bekannt machte, beschäftigte ich mich
mit der Untersuchung jener Frage. Natürlich lässt sich immer
nur eine Strecke unter dein Mikroskop untersuchen. Durch Fortrücken
von Stelle zu Stelle kann man aber eine grössere Gewissheit
erhallen, oh solche Verbindungen statthaben oder nicht.
Nun ist es mir nie gelungen, bei Beobachtung der auseinandergespreizten
Primitivfasern eines Nervenbündelchens auf einem
schwarzen Blättchen unter dem einfacheü Mikroskop solche Verbindungen
zu sehen; immer liefen diese Fasern nebeneinander,
übereinander weg, und auch da, wo sich zwei Bündelchen veiv.
banden, habe ich heine wirkliche Vereinigung der Fasern, sondern
ganz deutlich eine ganz einfache Juxtaposition derselben sehen
können. Man kann dieses Verhalten eigentlich schon aus
der äussern Beschaffenheit der Nerven vor und nach einer solchen
Vereinigung erkennen. Wenn sich die Primitivfasern bei
solchen Vereinigungen verbänden, also verschmölzen und also an
Zahl geringer würden, so müsste das Bündel, welches aus der
Vereinigung zweier hervorgeht, halb so dünn seyn wie beide zusammen;
ps ist aber in diesen Fällen immer grade so dick wie
beide Bündel zusammen (mit einziger Ausnahme des N. sympa-
thicus.) / Bilden Nerven einen Plexus, so geht aus dem Plexus,
trotz aller Kreuzung der Fasern, doch wieder so viel Nerven-
masse hervor, als hereingetreten ist. Eben so verhält es sich bei
der Verzweigung der Nerven. Ein Nerve, der einen Zweig ab-
giebt, wird gerade so viel nach der Abgabe des Zweiges dünner,
als Nervenfasern von dem Stamm in den Zweig abgewicben sind;
und man kann mit Hülfe der feineren Zergliederung leicht sehen,
dass bei der Abgabe eines Zweiges nicht etwa jede Faser
selbst sich in 2 Theile theile,, wovon der eine in dem Nerven
bleibt, der andere, in den Zweig übergeht, sondern dass durch
die Verzweigung nur die Vertheilung der im Stamm schon vorhandenen
Nervenfasern abgeändert wird; deswegen können auch
in einem Stamm gar verschiedene Fasern zusammenliegen, empfindliche
und motorische, und oft liegen Nervenäste in dem ganzen
Stamm schon vorgehildet da, welche mit den übrigen Theilen
des Stamms weder eine Verbindung eingehen, noch Aehn-
lichkeit der Eigenschaften damit besitzen. So z. B. betrachtet
man den N. mylohyoideus, einen Muskelnerven, nur ganz roh
als einen Ast des N. alveolaris inferior, eines Gefühlsnerven, denn
diese beiden Nerven haben gar nichts mit einander gemein, als
dass sie beisammen liegen; und so ist es sehr oft. Man sieht
hieraus auch ein, dass Identität der Eigenschaften der Bündel in
der Natur eines Nervenstammes gar nicht liegt, sondern dass er
eher, namentlich in einiger Enfernung von seinem Ursprung vom
Gehirn, eine sehr mannichfaltige Juxtaposition von ganz verschiedenen
Bündeln seyn kann, je nachdem sich verschiedene Bündel,
die zugleich einem Gliede bestimmt sind, an ihn gelegentlich an-
schliessen.
, Mit der eben hier erörterten Ansicht von dem Verlauf
der Primitivfasern vom Gehirn bis zu den peripherischen Theilen
; steht eine Vorstellung im Widerspruch, dass nämlich die
Nerven hei ihrem Verlauf an Masse zunehmen sollen; diess ist
aber ein Missverständniss, welches von Soemmering herrührt.
Allerdings ist ein Nerve dünner, so lange er noch innerhalb der
Dura rnater liegt, so lange er noch kein Neurilem besitzt. Nachher
bleibt er sich gleich, so lange er keine Aeste abgiebt. Die
Aeste zusammengenommen sind jedesmal gleich dem|Stamm; wenn
sich etwa ein kleiner Unterschied zeigt, so kömmt er davon her,
dass an den Zweigen zusammen mehr Neurilem vorhanden ist, als
an dem Stamme.
Was eben von den Nerven bei ihrer Verzweigung be