
Organe, worin sie Vorkommen, tlieils aus dem Blute als Aehnliches
ausgezogen, tlieils werden die näheren Bestandteile der Organe
neu zusammengesetzt; denn unmöglich lässt sich die Ansicht durchführen,
dass alle Bestandteile der Organe schon als solche im
Blute vorhanden sind, vielmehr zeigen die organischen Substanzen
der meisten Theile te ils vielt; Modificationen von Eiweiss,
Faserstoff, Fett, Osmazom, theils ganz eigentümliche Materien,
wie der Leim der Knochen, der Sehnen, der Knorpel,■ wovon
sich im Blute kein Analogon zeigt. Auch die Substanz des Gewebes
der Gefässe, die verschiedenen Drüsensubstanzen lassen sich
nicht ganz auf jene einfachen Bestandteile des Blutes Zurückführen.
Selbst die Vergleichung des Faserstoffs der Muskeln mit
dem Faserstoff des Blutes ist nicht strenge. Denn geronnener
Faserstoff, geronneues Eiweiss, zeigen bis auf das Verhalten zum
Wasserstoffsuperoxyd fast gar keine chemischen Unterschiede,
p. 434, und der wichtigste Unterschied ist nur, dass der im Blute
aufgelöste Faserstoff jedesmal gerinnt, sobald er den tbieriseben
Körper verlässt, Eiweiss aber nicht von selbst, sondern nur bei
70 — 75° C., oder durch Säuren, concentrirte Auflösung von fixem
Alkali, Metallsalze gerinnt. Der Faserstoff der Muskeln verhält
sich chemisch kaum ähnlicher dem geronnenen Faserstoff, als
dem geronnenen Eiweiss. In Hinsicht der Lebenskräfte ist aber
der Faserstoff der Muskeln von beiden verschieden. So ist auch
die Vergleichung der Nervensubstanz mit Eiweiss und stickstoff-
und phosphorhaltigem Fett nur durch den jetzigen Zustand der
organischen Chemie zu entschuldigen. Bei der Assimilation findet,
indem die Partikeln der Organe zwischen den Capillargefäss-
strömehen aufgelöstes Eiweiss und Faserstoff u. A. anziehen, nicht
allein Aneignung der ähnlichen Theile, und Umwandlung der
unähnlichen in ähnliche statt, sondern die assimilirenden Theil-
chen der Organe theilen auch den assimilirten Theilchen des
Blutes ihre Kräfte mit.
Die Organe können an Umfang zunehmen, ohne dass sie as-
similiren, dann häuft sich der Eiweissstoff und Faserstoff des Blutes
im rohen Zustande unassimilirt zwischen den Organtheilchen
an, wie in der Entzündung; eine Bemerkung, welche hinlänglich
den grossen Unterschied der Entzündung von einer vermehrten
Ernährung zeigt. In der Schwangerschaft nimmt das contractile
Gewebe des Uterus an wahrhaft assimilirten contractionsfähigen
Theilchen zu, aber in der Entzündung des Uterus wird nichts
dieser Art bemerkt; die Assimilation der Theilchen des Blutes
hört in der Entzündung auf, der aufgelöste Faserstoff schwitzt
durch die Häute durch, öder häuft sich in den Interstitien der
Organe an; diese nun das Volum des Organes vermehrende Materie
ist in den Entzündungen aller Organe dieselbe, während
die verschiedenen Gewebe bei der Ernährung die Theilchen des
Blutes je nach ihren verschiedenen Bedürfnissen assimilirend verändern.
Die Entzündung ist alsö offenbar kein vermehrter plastischer
Process, wofür er so oft ausgegeben wird. Es erklärt
sich hieraus sehr gut, warum ein Reiz, welcher die Thätigkeit
eines Organes fördert, von einem Entzündungsreize sehr verschieden
ist. Dass verletzte Theile unter fortdauernder Entzündung
neue Substanz bilden, ist hin und wieder für jene falsche Ansicht
von der Entzündung angeführt worden. Die Bildung einer
Substanz ist indess ein Produkt der Vis medicatrix, während der
Fortdauer der Entzündung der Oberfläche, und die Entzündung
der Oberfläche muss bis zur vollständigen Heilung fortdauern,
weil die Oberfläche sich in beständiger Irritation befindet. Es
giebt manche Stoffe, welche die Assimilation vermindern, indem
sie entweder die Theilchen der Organe oder des Blutes verändern.
Die Jodine z. B. beschränkt bei längerem Gebrauche
auffallend die Ernährung. Die .Neutralsalze, die Mercurialien,
der Tartarus stibiatus und andere beschränken die Assimilation.
Diese Mittel verändern zum Theil zunächst das Blut, wie es z.
B- bei den kühlenden Salzen offenbar ist, welche selbst dem
aus der Ader gelassenen Blute zugesetzt, seine Fähigkeit zu gerinnen
aufheben, also die.Natur des Faserstoffs verändern; hierdurch
werden diese Mittel auch zur Beschränkung der Entzündung
wichtig.
Zuweilen' ist die Ausbildung der Säfte, des Chylus und des
Blutes fehlerhaft, entweder durch Bildung fehlerhafter Nahrungsstoffe,
oder durch die Wirkung eines eingeimpften Krankheitsstoffes,
wie bei der Syphilis. In allen diesen Fällen, wenn die
Säfte fehlerhaft sind, leidet auch die Assimilation. Es entstehen
Ablagerungen fehlerhafter Stoffe, Entzündungen, Geschwüre, wie
bei der Scrophelsucht, Arthritis, Lepra, Herpes, Scorbut, Syphilis
etc. Alle diese unter sich äusserst verschiedenen Krankheiten,
welche man Dyskrasien nennt, haben das gemein, dass sie
sich durch Ausscheidungen krankhafter Stoffe auf der Haut, durch
Ausschläge und Geschwüre der Haut, oft durch Geschwüre in
-Schleimhäuten, im höchsten Grade durch Degenerationen der
Knochen äussern. Mehrere Arzneistoffe, welche selbst die Assimilation,
verändern (Alterantien p. 60.) und bei längerm Gebrauche
auch Geschwüre und Knochenkrankheiten erzeugen, wie der
Merkur, das-Antimom, sind zuweilen in einigen dieser Fälle hülf-
reich, nicht weil Similia similibus curantur, sondern weil sie die
Fähigkeit haben, die- Zusammensetzung der organischen Theile
zu alteriren, wodurch vorher stattgefundene Affinitäten aufgehoben
und neue eingeleitet werden können, worauf die beständige
Wiedererzeugung aller Theile nach dem Urbilde des Ganzen von
selbst (nicht der Mercur) die weitere Ausgleichung und Heilung
bewirkt.
In mehreren dieser Krankheiten ist das lymphatische System,
die Lymphgefässe und Lymphdrüsen, besonders mit afficirt. Von
dem gewöhnlichen Gesichtspunkte, dass die Lymphgefässe bloss
eben zur Aufsaugung dienen, lässt sich diess Leiden des lymphatischen
Systems bei mehreren dieser Krankheiten, besonders bei
der Scrophelsucht, nicht recht verstehen. Wenn man aber weiss,
dass die Lymphe (ausser den Lymphkugclchen) fast ganz mit dem
Liquor sanguinis (ohne die Blutkörperchen) übereinkommt, und
dass man die Lymphe gleichsam Blut ohne rothe Körperheu,
das Blut Lymphe mit rothen Körperchen nennen kann, indem