VI. Cajntel. Von den A th em b ew eg ù n g en und
Atliem n erven.
a. A t l i em b e w e g u n g e n .
' Eäs Ein- und Ausathmen geschieht hei dem Menschen und
den Säugethieren durch Erweiterung und Verengerung der Brusthöhle.
Sobald die Brustwände sich ausdehnen, und die Brusthöhle
erweitert wird, dringt die Luft in der Luftröhre und ihren Zwei-
Zellen nach, die sich in dem Maasse ausdehnen,
als die Brusthöhle sich erweitert, so dass also die Oberfläche der
Lungen durchaus den sich ausdehnenden Wänden der Brusthöhle
folgt. Diess ist nur so lange möglich, als die Brusthöhle von allen
Seiten geschlossen ist, und so lange kein Druck der Luft von
aussen dem Druck der Luft von der Luftröhre aus das Gleichgewicht
hält. Bei penetrirenden Brnswunden aber ist kein volles
Einathmen mehr möglich, weil der Luftdruck dann durch die
Wunde auf die äussere Oberfläche der Lungen wirkt, und' dem
Luftdruck von der Luftröhre her das Gleichgewicht hält. Die
Lungen bleiben dann coilabirt, wenn auch die Brustwände sich
ausdehnen. Zur Erweiterung der Brusthöhle beim Einathmen
dient ganz vorzüglich das Zwerchfell. Im erschlafften Zustande
ist das Zwerchfell gewölbt, bei der Contraction desselben wird es
flach, und indem seine Wölbung herabsteigt, .erweitert es also
die Brusthöhle, wodurch zugleich die Eingeweide der Bauchhöhle
von oben gedrückt werden. Dieser Druck auf die Baucheingeweide
von oben beim Einathmen verursacht das Hervortreiben
derselben nach vorn oder das scheinbare Anschwellen des Bauches
beim Einathmen.
Sobald das Zwerchfell erschlafft, weichen die Eingeweide
wieder mehr zurück, und der Bauch wird flacher. Beim leisen
Einathmen bewirkt das Zwerchfell zum grossen Theil allein die
Erweiterung der Brust. Die seitliche Erweiterung der Brust geschieht
vorzüglich durch die Wirkung der Musculi intercostales,
aber auch durch Unterstützung der Musculi scaleni, levatores co-
starum, des serratus posticus superior, und der Brustmuskeln überhaupt.
Das Ausathmen kann beim ganz ruhigen Athmen schon
durch blossen Collapsus, durch die Elasticität oder Herstellung
der vorher ausgedehnten Tlieile in den Status quo erfolgen, und
das ruhige Athmen scheint weniger aus der Abwechselung antagonistischer
Muskelbewegungen, als vielmehr periodischer Inspirationsbewegungen
zu bestehen. Hierbei wirken zwar die Exspirationsmuskeln
durch jenes massige Contractionsspiel, welches allen
Muskeln auch ausser den stärkeren Zusammenziehungen eigen ist,
mit._ Wenigstens erfolgt das Ausathmen von selbst, so wie die
Inspiration auf hört. Beim stärkern Ausathmen wirken diese Muskeln
stärker, noch mehr, und selbst krampfhaft, wenn R.eizung'
in den Lungen oder im Kehlkopfe stattfindet, und Husten ein-
tntt. Die Exspirationsmuskeln sind die Bauchmuskeln, welche die
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Bippen niederziehen, und durch Zusammendrückung des Bauches
die Baucheingeweide gegen das erschlaffte Zwerchfell in die Höhe
treiben, und so die Brusthöhle auch von unten verengern. Diess
sind der gerade, die schiefen, der quere Baucbrnuskel, der Muscu-
lus quadratus lumborum, Musculus serratus posticus inferior, Mus-
culus sacrolumbaris und longissimus dorsi.
. Das Ausathmen wird unterstützt 1 ) durch die Elasticität der
Luftwege, nachdem ihre Ausdehnung durch die Luft aufgehört hat.
2) Durch Zusammenziehung von Muskelfasern der Luftwege (?).
Beim Einathmen ist die Stimmritze weiter, beim Ausathmen
enger. Die Luftröhrenzweige werden beim Einathmen weiter,
heim Ausathmen enger. Die Luft wird entweder durch Mund
oder Nase aufgenommen und ausgetrieben. Beim Athmen durch
die blosse Nase ist der'Ausgang durch den Mund durch Anlegen
der Zunge wider den Gaumen oder durch die Lippen geschlossen,
heim Athmen durch den Mund ist das Gaumensegel erhoben und
die Luft geht durch den weitern Gang aus. Durch Annäherung
der hintern Gaumenbogen gegen einander, wodurch, wie D zohdi
entdeckt hat, eine vollständige VersCbliessung eintritt, und durch
Anlegen des hintersten Theils der Zunge gegen den Gaumen,
kann Mund und Nase zugleich von den Respirationswegen abgeschlossen
werden. Eine Bewegung, die oft willkürlich geschieht,
wenn man den Athem anbält, und das Dürchströmen übler Gerüche
durch die Nase aufgehoben wird. D zondi die Functionen des
weichen Gaumens. Halle 1831.
Bei den Vögeln dringt die Luft beim Einathmen nicht allein
in die Lungen, sondern auch in die grossen Zellen. Es giebt hier
kein vollständiges Zwerchfell mehr, sondern nur einige Muskelzipfel
steigen vom hintern Winkel der 3., 4. und 5. Rippe zu einer
fibrösen Haut an der untern Fläche der Lungen empor. Die Erweiterung
der Brust erweitert die grossen Zellen, welche mit den
Lungen in Verbindung stehen, wodurch die Luft genöthigt wird,
sich in die Lungen zu stürzen. Die Luft wird aus den Zellen
und den Lungen durch die Thätigkeit der Bauchmuskeln ausgetrieben.
Unter den Amphibien athmen die Chelonier, deren Rippen
unbeweglich verbunden sind, und die nackten Amphibien,
welche keine wahren Rippen haben (Coecilien, Derotemata, Proteiden,
Salamandrina, Batrachia) bloss durch Verschluckung der
Luft ein. Die Frösche schliessen den Mund, erweitern die Mundhöhle
an der Kehle, wodurch ein leerer Raum entsteht, den die
Luft, durch die Nasenlöcher eindringend, einnimmt. Dann ziehen
sie die Kehle zusammen, versehliessen den Schlundkopf, und
treiben durch die Zusammenziehung der Kehle die Luft , durch
die Stimmritze in die Lungen, während sie durch einen eigen-
thümlichen Mechanismus die Nasenlöcher schliessen. Die Luft
wird theils; durch die Bauchmuskeln, theils durch die Elasticität
der Lungen bei geöffneter Stimmritze ausgetrieben, Sobald die
Frösche den Mund nicht mehr schliessen können, können sie auch
nicht mehr athmen. Das Ausathmen geschieht bei den Schildkröten
durch Zusammenziehung der Bauchmuskeln zwischen dem
Bauchschild und den hinteren Extremitäten, Die mit beweglichen
M i i l l e r ’s Physiologie. I*