
hobenen Gleichgewicht der Hirnwirkungen erfolgenden statischen
Erscheinungen. Nach Verletzung gewisser Theile des Gehirns
treten Erscheinungen ein, als wäre das Gleichgewicht Von Kräften
aufgehoben, die sich, nun einseitig äussern. Diese Erscheinungen
bilden eine ganz besondere Classe. Man zerstört einen
Theil, und der gleichnamige der andern Seite' scheint darauf in
eine verstärkte Wirkung zu treten. Das Drehen der Thiere im
Zirkel nach einer Séite tritt nach Magenbie nach Verletzungen
der Brücke auf einer Seite ein; Schnitte in den linken Theil
des Pons verursachen das Drehen nach’ der linken Seite und
umgekehrt. Hat man die drehende Bewegung. des Thieres nach
einer Seite durch Verletzung des Pons auf derselben Seite bewirkt,
so kann man diese Bewegung dadurch aüfhehen, dass man die
Brücke auch auf der andern Seite durchschneidet. H ertwic sah
nach Durchschneidung des Pons auf einer Seite nicht allein die
Zirkelhewegung, sondern auch, dass beide Augen verdreht wurden,
ipdem das eine nach oben, das andere nach unten gewandt
war. Nach querem Durchschnitt in dié Brücke könnte ein Hund
zwar stehen, konnte aber keinen Schritt thun , ohne zu fallen;
die willkührlichen Bewegungen waren nicht aufgehohen und die
Empfindungen unverändert!
Die Durchschneidung der Schenkel des kleinen Gehirns zur
Brücke bewirkt nach Magendie ebenfalls ein Herumwälzen der
Thiere nach der Seite. Diese Bewegung-soll zuweilen so schnell
erfolgen, dass das Thier mehr als 60 Umdrehungen in der Minute
macht. Magendie will diese Bewegungen acht Tage lang fortdauernd
gesehen haben, ohne dass sie einen Augenblick aufgehört
hätten.
Nach Wegnahme der gestreiften Körper auf heiden Seiten
tritt nach Magendie’s Vèrsuchen bei den Thieren ein unwiderstehlicher
Triebj vorwärts zu entfliehen, ein, der sich auch nach
dem Verluste des Gesichtes zeigen soll.
’ M agendie hat auch nach'Verletzungen des kleinen Gehirns'
bei Säugethieren und Vögeln eine Neigung zu Rückwärtsbewegun-
gen bemerkt; dieselbe Erscheinung soll zuweilen nach Verletzungen
des verlängerten Markes erfolgen; so sah Magendie Tauben,
denen er- eine Nadel in das verlängerte Mark gestochen, länger
als einén Monat immer rückwärts gehender erzählt; dass sie sogar
rückwärts flogen. Endlich will M agendie bei gewissen Verletzungen
de's verlängerten Markes eine Tendenz zur Kreisbewegung
wie auf der Reitbahn, entweder mach rechts oder links, bemerkt
haben. Diess sah er bei einem 3 — 4 Monate alten Kaninchen,
wo er die vierte Hirnhöhle blosslegte, das kleine Gehirn aufhob,
und einen senkrechten Einschnitt in die Raütengrube 3—4 Millim.
von der Mittellinie machte; beim Einschnitte nach rechts, drehte
sich das Thier rechts herum;
Aus diesen wichtigen Thatsachen schliesst Macendie auf-gewisse
im Gehirne vorhandene Impulse zu Bewegungen', wovon der
eine nach vorn , der andere nach hinten, del’ eine nach rechts,
der andere nach links das Thier zu Bewegungen bestimmen, deren
Detail es willkührlich ausführt, und welche sich im Zustande
der Gesundheit das Gleichgewicht halten. Öb diese Erklärung
richt.ig sey, lässt sich jetzt nicht' entscheiden. Man sieht leicht
ein, dass ein Thier zu solchen Bewegungen auch bestimmt werden
kann, wenn durch die Art der Verletzung eine gewisse einseitige
Art der Bewegung des Nefvenprincipes im Gehirne einträte, in
den Sinnen als scheinbare Schwindelbewegung entweder der Objecte
oder seines eigenen Körpers, welchen das Thier entweder
zu widerstehen sucht oder-welchen es. schwindelnd folgt.
Die zuletzt betrachteten Erscheinungen aus der Statik der
Nerven sind motorischer Art; es giebt aber auch ähnliche Erscheinungen
sensorieller Art. Es giebt Einwirkungen auf das
Gehirn, welche keine rotatorischen Bewegungen, sondern rotatorische
Empfindungen hervorrufen. Hieher gehören die rotatorischen
Schwindelempfindungen, welche am meisten vom Gesichtssinne
bekannt sind. Es ist eine bekannte Thatsache, dass, wenn
man sich eine Zeitlang schnell um seine Achse dreht, man nicht
allein die Besinnung zu verlieren anfängt, sondern -auch beim
Stehenbleiben dann die Gegenstände selbst sich in derselben Richtung
zu drehen scheinen. lieber diese Erscheinungen hat Purkinje.
sehr merkwürdige Beobachtungen angestellt, und in den
medicinisclien Jahrbüchern fies Oesterreichischen Staates Bck 6.
mitgetheilt. Es gebt daraus hervor, dass man die Richtung der
Rotation der Bilder durch 'die Stellung des Körpers und insbesondere
des Gehirns, und die spätere Stellung desselben beim
Stehenbleiben modificiren kann. Es steht in der Gewalt des
Experimentators, eine horizontale oder vertieale, oder schiefe
Kreisbewegung, oder eine tangentiale Scheinbewegung der Gegenstände
durch Drehüna des Körpers zu bewirken. Nur wenn
"der Kopf die gewöhnliche aufrechte Stellung beim Drehen hat,
erfolgt beim Stehenbleiben bei aufrechtem Kopfe die horizontale
Kreisbewegung der Gegenstände; hält män aber den Kopf beim
Drehen hinten über, und stellt ihn beim Stillstehen gerade, so
ist die Scheinbewegung wie die eines Rades um die Achse in einem
vertical gestellten Kreise, und so kann man die Scheinbewegung
jedesmal nach dem Unterschiede in der Lage des Durchschnittes
des Kopfes beim Drüben und beim Stillstehen ändern.
Wenn aber der Körper auf einer Scheibe liegend mit dieser gedreht
wird, entsteht auch eine tangentiale Scheinbewegung. Aus
der Wiederholung dieser Versuche ergiebt sich, dass der Durchschnitt
des Kopfes, als einer Kugel, um deren Achse die'wahre
Bewegung geschah, jedesmal die Scheinbewegung der Gegenstände,
bei der nachmaligen Lage des: Kopfes,. während des Stehenbleibens
bestimmt. P urkinje schliesst aus diesen merkwürdigen Versuchen,
dass durch die Drehung des' Kopfes und ganzen Körpers
die Tbeilchen des Gehirns dieselben Bewegungstendenzen,
wie die Theilchen einer geschwungenen Scheibe erhalten, müssen,
und dass diese Störung ihrer Ruhe sich durch' die scheinbaren
Schwindelbewegungen äussert. i Man kann sich das Phänomen
vielleicht besser so versinnlichen, dass man es von den Eindrücken