
dem mechanischer und galvanischer Reiz im Sehnerven Licht,
im Gehörnerven Schall, im Gefühtsnerven Schmerz erregt, lässt
sich weder zum Vortheil der einen, noch der andern Hypothese
anwenden. Denn sie ist erklärbar, sowohl dadurch, dass die Sinnesnerven
sich durch ihre Kräfte unterscheiden, als dass sie gleich sind
und der Unterschied nach den Stellen des Gehirns entsteht, zu
welchen sie hingehen. Doch ist es auffallend, dass manche Reize
nur auf einzelne Nerven zu, wirken im Stande sind. So wirkt
das Lichtagens , nur auf, den Sehnerven und als erwärmend auf
die Gefühlsnerven, nicht auf andere, und der Geruchsnerve scheint
nicht durch andere Reize als Riechstoffe und Elektricität zn Gerüchen
bestimmt zu werden.
Wie dem nun sey,, es ist jedenfalls nicht sicher erwiesen,
dass die sensibeln Fasern nur centripetale, die motorischen Fasern
nur centrifugale Wirkungen haben.. Ein Umstand hpson-
.ders erregt'zuletzt noch grösseres Bedenken. Es ist nämlich oben
p. 639. bewiesen worden, dass zur Erhaltung der Reizbarkeit der
motorischen Nerven, ihre Verbindung mit den Centraltheilep noth-
wendig ist; diess scheint für eine gleiche Abhängigkeit aller Nerven,
auch der Empfindungsnerven, vom Gehirn und Rückenmark
zu sprechen. Ip diesem Falle würden diese aber centrifugale
Ausstrahlungen auf die Empfindungsnerven haben. Spätere, nach
glücklichen Ideen angestellte Versuche oder neue Entdeckungen
müssen darüber entscheiden, und wir dürfen uns jetzt nur dar-,
über freuen, dass die Erörterung dieser wichtigen Frage, von
deren definitiver Entscheidung viele andere abhängen, durch die
oben mitgetheilten Beobachtungen wenigstens schon in das Gebiet
der empirischen Physiologie gehört.
Lässt sich die erste Frage nicht sicher lösen, so lässt es sich
noch weniger beweisen, dass centripetale und centrifugale Leiter
einen continuirlicliep Cirkel bilden., in welchem beständig das
Nervenfluidum von den Centraltheilen nach den .motorischen Nerven,
von den peripherischen Enden der letzteren durch die sen-
sibeln; Nerven nach den Centraltheilen zurück stattfindet. Wohl
könnte man sich das Leben beständig mit einer Circulation des
Nervenfluidums verbunden denken; diese würde nur so ijnmerk-
lich seyn, dass davon nur das unmerkliche beständige Spiel der
Muskelfibern in der scheinbaren Ruhe, und das Gleichgewicht,
welches sich die verschiedenen Muskeln halten, und wiederum
das undeutliche Gefühl aller Theile in einem gesunden Menschen
herrühre. Diese Hypothese von der Circulation des Nervenflui-
' dums oder seiner Schwingungen in den beiden Classen der Leiter
wird aber aus mehreren Gründen sehr unwahrscheinlich.
Denn da viele Nerven bloss sensibel sind, so müssten diese der
Circulation entbehren, oder man müsste wieder annehmen, dass
in ihnen neben Empfindungsfasern auch eben so viele andere mit
centrifugalen Wirkungen enthalten seyen, die nur deswegen keine
Bewegungen hervorrufen, weil sie sich nicht in Muskeln endigen.
Sieht man nun gar bloss, auf die motorischen und sensibeln Nei-
ven, welche durch Anastomosen der Bündel Zusammenhängen,
wie z. B. N: facialis und infraorbitalis, so können solche Anastornosen
noch weniger die Wege für einen Cirkel des Nervenfluidums
darbieten. Denn erstens sind diese Anastomosen keine Verbindungen
der Primitivfasern, und dann springt, wie G aedeciiehs
Versuche zeigen, eine am N. facialis erregte Reizung nicht durch
„eine solche Anastomose auf den Stamm des N. infraorbitalis über,
indem das peripherische Stück des durchschnittenen N. facialis,
das zu einer solchen Anastomose gehört, gereizt keine Schmerzen
verursacht. Aus Allem diesem geht hervor, dass eine regelmässige
Circulation des Nervenfluidums vom Gehirn und Rückenmark
durch die Nerven, und zu jenen zurück, sich nicht erweisen
lässt und für jetzt sehr unwahrscheinlich ist.
V. Capitel. Von den Gesetzen d e r W irk u n g und Leitu n g
in dem Nervus sym p a th icu s.
, Unsere Kenntniss von der Mechanik des N. sympathicus ist
noch äusserst unvollkommen; kaum hat sich die Physiologie hier
über die Aufstellung einiger Hypothesen erhoben, welche sich
sämmtlich weder erweisen, noch entschieden widerlegen lassen. Der
einzige Weg, hier ins Reine zu kommen, ist, die Thatsachen,
welche wir von der Mechanik der Cerebrospinalnerven kennen,
mit den Erscheinungen des N. sympathicus zu vergleichen und
durch neue Beobachtungen zu untersuchen, in wie weit die Mechanik
dieses Nerven von der der übrigen Nerven abweicht. Es
fragt sich also: sind die Wirkungen der Fasern des N. sympathicus
wie bei den Cerebrospinalnerven getrennt, oder können
die einzelnen Fasern desselben durch ihre Wirkungen einander
mittheilen, und ist vielleicht die Irradiation des motorischen Einflusses,
und die Coincidenz der Empfindungen bei diesem Nerven
das Normale?i Sind die Ganglien Multiplicatoren des Nervenein-
flusses und gleichsam kleine unabhängige Nervencentra, Radiationspunkte?
Findet etwa in diesen Organen eine^Reflexion des
Nerveneinflusses in gewissen Richtungen statt? Sind die Ganglien
die Ursachen, dass die Empfindungen undeutlich und vage
werden, sind sie Organe der Irradiation oder der Vermischung
der Empfindungen, oder sind sie Halbleiter, welche die Empfindungseindrücke
in ihrer Wirkung auf das Gehirn und das Rük-
kenmark hemmen, und den Einfluss des Willens auf die dem N.
sympathicus unterworfenen Theile abhalten? ' Oder sind die Ganglien
des N. sympathicus vielleicht mehr dem organischen Einflüsse
des sympathischen Nerven bestimmt, kleine Nervencentra,
von welchen der Nerveneinfluss für die Beherrschung der chemisch
organischen Vorgänge ausstrahlt? Findet in den organischen
Nerven eine centripetale oder centrifugale, oder allseitige
Wirkung von den gereizten Stellen aus statt? Alle diese Fragen
lassen sich leider jetzt noch durchaus nicht bestimmt-beantworten.
Das einzige Sichere, was wir von den Wirkungen des
N. sympathicus wissen, liegt zum Theil ausser der Beantwortung
dieser Fragen, und namentlich können wir keine einzige der oben