
zu nehmen, dass auf^Loth Magenschleimhaut und Wasser zusammengerechnet
3,3 Gran Salzsäure kommt. Die Quantität des Wassers,
wenn nur die Menge der Säure nach dem angegebenen
Verhältnisse verändert wird, ist ziemlich gleichgültig, und kann
das Gewicht der Schleimhaut im feuchten Zustande um das Ein-
his Fünffache übertreffen. Schwann stellte sich die Frage, in
wie weit die Säure zur Verdauung mitwirke. Sie ist nothwen-
dig, wie aus den angeführten Versuchen hervorgeht, aber die
Säure könnte zur Bildung irgend eines anderen wesentlich verdauenden
Stoffes dienen, der einmal gebildet, selbstständig die
Verdauung bewirkt. Um diess zu prüfen, neutralisirte er Verdauungsflüssigkeit
mit kohlensaurem Kali und digerirte sie dann
mit Eiweiss. Das Eiweiss wurde aber gar nicht verändert. Setzte
er nun wieder die angemessene Menge Salzsäure zu, so wprde
das Eiweiss vollständig verdaut. Freie Säure ist demnach wesentlich
bei der Verdauung wirksam. Um die Frage zu losen,
oh die Säure als blosses Lösungsmittel des Verdauungsprincips
diene, wurde ein Theil der Verdauungsflüssigkeit' mit soviel kohlensaurem
Kali versetzt, dass mehr als die Hälfte der Säure darin
neutralisirt wurde, die Flüssigkeit also noch sauer reagirte
und keine Trübung entstand. Obgleich nun nichts von dem Ver-
dauungsprincip niedergeschlagen seyn konnte, ging doch die Verdauung
nicht vor sich. Die Säure wirkt also nicht als blosses
Lösungsmittel des Verdauungsprincips. Es entstand ferner die
Frage, ob die'Säure mit dem Verdauungsprincipe vielleicht eine
chemische Verbindung analog den sauren Salzen bildfe. In diesem
Falle muss die Menge der Säure in einem Verhältniss zur
Menge der andern verdauenden Materie stehen. Aus Schwanes
Versuchen folgte, dass ein Gehalt von 3,3 Gran bis 6 ,6 Gran
Salzsäure in einem halben Lothe Verdauuugsflüssigkeit sich am
besten zur Verdauung, wenigstens von Eiweiss eignet, dass ein
höherer Säuregehalt die verdauende Kraft schwächt oder ganz
aufhebt, indem er das verdauende Princip zerstört, dass ein zu
geringer Säuregehalt aber nur wegen Mangels der wesentlich wirksamen
Säure die Verdauung nicht bewirkt. Sollte nun die vorher
aufgestellte Ansicht richtig seyn, so müsste die Menge der
Säure nicht zu der der ganzen Flüssigkeit, sondern zu der Menge
des darin enthaltenen organischen Verdauungsprincips in einem
bestimmten Verhältnisse stehen. Aus den in dieser Beziehung von
Schwann angestellten Versuchen folgt, dass die nöthwendige Menge
von Säure sich nicht nach der Quantität des" organischen Verdauungsprincips
.richtet, so dass die fragliche Ansicht nicht rich-
tig seyn kann. Die dritte Hypothese, dass die Säure vielleicht
zur Auflösung von Producten diene, die sich bei der Verdauung
bilden und etwa bloss in Säuren löslich sind, wurde ebenfalls
widerlegt. Das bei der künstlichen Verdauung gebildete Product
ist zwar in Säure und seihst in sehr verdünnter Säure löslich;
aber eine Quantität Verdauungsflüssigkeit, welche zur Auflösung
einer bestimmten Menge Eiweiss hinreicht, verdaut nicht, wenn
sie mit Wasser verdü»nt ist. Sollte endlich die Säure in die
Zusammensetzung der sich bei der Verdauung bildenden Producte
eingehen, so müsste die Menge der freien Säure sich bei der
Verdauung ändern. Indess bleibt der Gehalt an freier Säure bei
der künstlichen Verdauung unverändert. Aus allem diesem schliesst
Schwann» dass die Säure durch ihre Gegenwart, ohne selbst verändert
zu werden , zur Zersetzung. der organischen Substanzen
bei der Verdauung mitwirkt, ebenso wie dies bei der Umwandlung
der Stärke in Zucker durch Kochen mit verdünnten Säuren
der Fall ist.
Der Gährung und den Contactwirkungen gleicht die künstliche
Verdauung darin, dass selbst eine sehr geringe Quantität
des zersetzenden Körpers die Wirkung hervorbringt. Eine sehr
bedeutende Verdünnung von normaler Verdauungsflüssigkeit durch
saures \Vasser wirkte noch auf das Eiweiss. Es wurden 4,8 Gran
Verdauungsflüssigkeit mit 1 Drachme geronnenen zerriebenen Ei-
weisses (im feuchten Zustande gewogen) und Loth sauren Wassers
vermischt. Dieselbe Quantität Eiweiss wurde in 7*- Loth unverdünnter
Verdauungsflüssigkeit gebracht. Nach 24 Stunden
war das Eiweiss in beiden bis auf einige wenige Reste aufgelöst.
Es hatten 4,8 Gr. Verdauungsflüssigkeit oder 0,11 trockne verdauende
Substanz 60 Gr. feuchtes Eiweiss (ungefähr 10 Gr. feste
Substanz) aufgelöst, oder 1 Theil hatte die Zerlegung von ungefähr
100 bewirkt, was sich den Contactwirkungen und der Gährung
vergleichen lässt. Aus Schwann’s Versuchen ergiebt sich
ferner, dass die Verdauungsflüssigkeit durch die Verdauung einen
Theil ihrer Kraft verliert, und dass sich bei der künstlichen Verdauung
nicht neues Verdauungsprincip aus dem Eiweiss bildet,
wie es doch mit dem Ferment bei der Gährung der Fall ist.
Von der Gährung unterscheidet sich übrigens der Verdauungs-
process, dass keine Kohlensäure dabei entwickelt wird und dass
selbst nicht ein Minimum von Sauerstoff zu ihrer Einleitung nö-
thig/ist, wie näher von Schwann bewiesen wird. Viele Mittel,
welche die Weingährung stören, stören auch die Verdauung.
Schwann zeigt, dass Alkohol sowohl als Siedhitze die Wirksamkeit
des Verdauungsprincips aufheben. Dasselbe gilt in geringerm
Grade von den Neutralsalzen, besonders von den schwefelichtsau-
den Salzen. Dagegen fand Schwann auch, dass arsenichtsaures
Kali wohl die Weingährung, nicht aber die künstliche Verdauung
stört. Beide Processe haben endlich bei aller Verschiedenheit
das gemein, dass sie Processe einer freiwilligen Zersetzung sind,
die durch einen schon im Minimum wirkenden Stoff hervorgerufen
werden, und dass dieser Stoff bei dem dadurch bewirkten
Processe selbst verändert wird.
Eine reine Darstellung des Verdauungsprincips ist deswegen
fast unmöglich gemacht, weil es seine Wirksamkeit durch Rea-
gentien so leicht verliert. Mehrere Versuche von Schwann klären
sein Verflaflen zu andern Stoffen auf. Das Verdauungsprincip
wird durch die Neutralisation der Säure nicht niedergeschlagen,
sondern ist auch in blossem Wasser löslich; es wird durch
essigsaures Blei aus der neutralen Auflösung gefällt, und lässt sich
aus diesem Niederschlage durch Schwefelwasserstoff wieder wirksam
darstellen. Kaliumeisencyanür sowohl als Kaliumeisencyanid