
beider Augen sich verengt, wenn nur Ein Auge ganz nach innen
gestellt wird, das andere aber seine gerade Stellung behält. Ich
besitze das Vermögen, die Iris durch Einwärtswenden der Augen
zu.verengern, was jeder Mensch hat, in einem ganz ausserordentlichen
Grade. Schliesse ich Ein Auge A und sehe mit
dem andern B gerade aus und unverwandt, so bewege ich die
Iris des unverwandten Auges. B ganz nach Willkühr, je nachdem
ich das bedeckte Auge A einwärts oder auswärts drehe. Hier
ist die Ursache der wunderbaren Bewegung verdeckt, und die
Bewegung erscheint um so auffallender, als das Auge, worauf die
verborgene Ursache mitwirkt, ganz unverwandt ist. Sogleich
wird aber dem Beschauer die Ursache offenbar, sobald ich das
Auge B öffne, wo man dann sieht, dass ich, sobald ich die Iris
in dem unverwandten Auge B verengern will, das Auge A nach
innen stelle. Offenbar muss nun im Gehirn eine durch die Lagerung
der Fasern bedingte Intention seyn zur Association der
Wirkungen in den Primitivfasern- der N. oculomotorii, welche
in die kurze Wurzel des Ganglion ciliare gehen. Ein interessantes,
nach unseren Principien leicht erklärbares Factum ist die
Verengerung der Iris beider Augen im Schlafe. Diess ist auch
eine Mitbewegung, deren Ursache die Stellung der Augen nach
innen und oben im Schlafe ist, wo mit der Thätigkeit des entsprechenden
Zweigs des Oculomotorius auch die Mitreizung der
zum Ganglion ciliare gehenden Fasern des Oculomotorius vom
Gehirn aus erfolgt. Ausser der Iris haben noch viele andere
Muskeln beider Seiten die Tendenz zur Association ihrer
Bewegungen vom Gehirn aus. So sind die Augenmuskeln zur
Mitbewegung geneigt, denn es ist unmöglich, das eine Auge abwärts,
das .andere aufwärts, oder beide zugleich nach auswärts
zu stellen. Immer bewegt sich das eine Auge unwillkührlich nach
einwärts, wenn das andere nach auswärts gedreht wird. Ausführlicher
werden wir davon im zweiten Bande dieses Werkes
in der Lehre von den Bewegungen handeln. Es gehört Uebung
dazu, ein Auge allein offen zu halten, also hloss den Musculus
levator palpebrae superioris einer.Seite durch den Nervus oculo-
mötorius zu bewegen. Wenige Menschen können die Gesichtsmuskeln
der einen Seite durch den N. facialis anders wirken
lassen als auf der andern Seife. Ich vermag die Ohrmuskeln zu
bewegen, selbst die kleineren, wenigstens ganz deutlich den Muse,
antitragicus; aber wenn ich diess an einem Ohre thun will, geschieht
es immer zugleich an dem andern Ohre. Ich weiss nicht,
ob ein Mensch den Muse, stylohyoideus einer Seite allein b elegen
kann. Selbst am Rumpfe zeigt sich eine ähnliche Tendenz
zur gleichzeitigen Bewegung derselben Muskeln, aber viel geringer;
die Bauchmuskeln und Dammmuskeln, das Zwerchfell wirken
fast immer von beiden Seiten zugleich, und selbst die Nerven
und Muskeln der Extremitäten, wenn sie auch in dieser Hinsicht
freier sind, entziehen sich doch dem allgemeinen Gesetze nicht
ganz; wenigstens ist es bekanntlich schwer, entgegengesetzte ro-
tirende Bewegungen einer gewissen Richtung z. B, um eine gemeinschaftliche
Querachse, mit beiden oberen oder beiden unteren
Extremitäten zu vollziehen, während gleichartige Bewegungen
mit beiden Extremitäten zugleich sehr erleichtert sind.
Die Theorie aller dieser Erscheinungen ist offenbar. X Da die
Primitivfasern aller willkührlichen Nerven im Gehirn zuletzt sammt
und sonders explicirt werden, um dem Einfluss des Willens unterworfen
zu werden, so kann man sich die neben einander im
Gehirn zum Vorschein kommenden Anfänge aller Nervenfasern
willkührlicher Nerven gleichsam wie die Tasten eines Claviers
vorstellen, welche der Gedanke spielt oder anschlägt, indem er
die Strömung oder Schwingung des Nervenprincips in einer gewissen
Anzahl Primitivfasern,; und dadurch Bewegung veranlässt.
Arp Ursprung dieser Fasern muss aber die Leitung der Hirnsub-
stänz die .gleichzeitige Affektion nahe liegender Primitivfasern erleichtern,
so dass es der Intention des Willens schwer wird, sich'
auf einzelne Primitivfaserh zu beschränken. Diese Fähigkeit der
Isolation wird aber durch Uebung erlangt, das heisst, je öfter
eine gewisse Zahl Primitivfasern der Intention des Willens ausgesetzt
wird, um so mehr erhalten sie die Neigung, der Intention
allein,1 ohne die nebenliegendeh Primitivfasern, zu gehorchen,
um so mehr bilden sich gewisse Wegeider leichtern Leitung
aust Wir sehen in gewissen Künsten diese Fähigkeit der
Isolation auf den höchsten Grad der Ausbildung gebracht, wie
beim Spielen musikalischer Instrumente; besonders beim Clavier-
spielen.
Alle Mitbewegungen haben ihren Ursprung im Gehirn selbst,
durch eine Communication der Primitivfasern in einem motorischen
Nerven können sie nicht erklärt werden, weil die Primi-
tivfasern nicht communiciren, und weil die Reizung eines Thei-
les von einem grossen Nervenstamm niemals auf die übrigen
Theiie des Nervenstammes, sondern nur auf die Fortsetzung der
Fasern des gereizten Theiles vom Stamme wirkt. Siehe oben
p. 689.
Durch den N. sympathicus können die Mitbewegungen auch
nicht erklärt werden, weil dieser auch keine Verbindungen der
einzelnen Theiie eines motorischen Nerven unterhält, auch nicht
die symmetrischen Nerven beider Seiten, sondern nur das Gehirn
und Rückenmark diese verbindet.
II. Capitel. Mechanik der Empfindungsnerven.
I., Von d en Ge se tzen d e r Le i tung in den s e n s ib e ln Nerven.
Um Empfindung zu haben, muss ein Nerve noch mit dem
Organe des Bewusstseins, mit dem Gehirn unmittelbar oder mittelbar
durch das Rückenmark Zusammenhängen. Betrachten wir
jetzt auch hier das Verhältniss der Nervenäste zu den Nerven-
stämmen.
I. Wenn ein Nervenstamm gereizt ist, so haben alle Theiie,
welche Zweige von dem Stamme erhalten, Empfindung der Reizung,
und es ist eben so gut, als wenn alle letzten Aeste desselben gereizt
M ü lle r’s Physiologie. I.