
IT . -Abschnitt. Von der Verdauung, Chyl if i cat ion
und Aus scheidung der zersetzten Stoffe*),
I. Capitel. Von d e r V e rd a u u n g im Allgemeinen.
Die Nahrung der Thiere sind thierische Substanzen und Vegetabiliën;
einige leben nur von diesen, andere nur von jenen,
andere von beiden zugleich, wie auch der Mensch, der bei bloss
animalischer Nahrung so gut wie bei bloss vegetabilischer Nahrung
ausdauert, und nach diätetischen Erfahrungen, auch nach
seinem gemischten Zahnhau der gemischten Kost bestimmt scheint.
Sowohl in der Pflanzennahrung als in der thierischen Kost sind
die gewöhnlichen Salze enthalten, welche als nothwendige Be-
standtheile des Organismus auch als Nahrungsstoff im relativen
Sinne betrachtet werden können. Von blossen mineralischen
Stoffen leht kein Thier; aus Noth oder Vorurtheil, um den
Bauch zu füllen, wird zuweilen von Menschen Erde theils
allein, theils mit organischen Substanzen genossen, wie von den
Otomaken und Guamos am Oronoco und von den Bewohnern
von Neuschottland bekannt. In dem von den Neuschöttländern
genossenen Steatit hat Vauquelin keine Nahrungsstoffe gefunden.
Siehe v. Humboldt’s Reise. 4. 557. s PiudolphAs Physiol. 2 . 18. Die
inr Jahr 1832 im Kirchspiel Degernä, an den Grenzen Lapplands
wegen Misswachses mit Mehl und Baumrinde vermischte und zu
Brot verbackene Erde bestand aus mit organischen Bestandtheilen
vermischter Kieselerde. P oggend. Ann. B. 29. p. 261. Dieses
Bergmehl [erkannte B etzius aus 19 verschiedenen Formen von
Infusorien, d. h. ihren fossilen Resten bestehend.
Im Thier- und Pflanzenreich scheinen alle Stoffe nahrhaft
zu seyn, welche einer leichten Auflösung durch thierische Flüssigkeiten
fähig sind, welche keine dem Thierstoff eines Thieres
zu heterogene Combination der Elemente enthalten, oder welche
keine hervorstechenden chemischen Eigenschaften und keine Tendenz
haben, sich auf Kosten der lebendigen Verbindungen binär
chemisch zu combiniren. Was die letzten Eigenschaften hat, entweder
heterogen oder von chemisch eigentümlichen Affinitäten
ist, ist entweder Arzneikörper oder (im relativen Sinne) Gift. Dass
auch die narkotischen Gifte, welche keine sichtbaren Veränderungen
im Organismus und nicht wesentlich Entzündungen bewirken,
durch feinere Umwandlung der Materie vergiften, indem sie durch
heterogene und chemi.sch eigenthümliche Stoffe Zersetzungen und
*) Die hier zu untersuchenden Processe sind zusaimmengeseteter als die vorhergehenden;
die Kenntniss der Bewegung der Säfte, der Resorption,
der Thätigkeit der lymphatischen Gefässe, der Absonderungen wird zu
ih re r Untersuchung vorausgesetzt, daher diese Materien särnmtlich vor
dem nun zu betrachtenden Gegenstände abgehandeit werden mussten.
Dagegen werden nun bei der Darstellung der Vorgänge der Verdauung
, weitläufige Erklärungen über diese Functionen, die auch ausser den Verdauungsorganen
in vielen andern Theilen wirksam sind, vermieden we rden
können.
binäre Uombinationen verursachen, ist mir sehr wahrscheinlich,
theils durch ihren Gehalt an vegetabilischen Alkaloiden, theils
durch F ontana’s Beobachtungen, dass die wirksamsten narkotischen
Gifte, Viperngift und Ticunasgift, materielle Umwandlungen
bewirken, indem beide zu frischem Blut ausser der Ader gemischt,
dessen Gerinnbarkeit verhindern, Viperngift aber, in Wunden lebender
Thiere gebracht, das Blut schnell gerinnen macht. Ueber
vegetabilische Gifte siehe die toxikologischen Werke, über thierische
Gifte R udolphi 1. c. Der Begriff von Gift ist sehr relativ.
Schlangengift zersetzt die thierischen Säfte, wenn es, ins
Blut gebracht wird, scheint dagegen im Darmkanale zersetzt und
unschädlich gemacht zu werden. Viperngift wirkt auch in den
Wunden der niederen Wirbelthiere, namentlich der Amphibien,
bei Fröschen, Blindschleichen nur sehr langsam und bei Schlangen,
wie es scheint, oft gar nicht. Doch sind die meisten Narcotica
in grösseren Gaben auch für die niederen Thiere tödtlich. Die
Blausäure tödtet den Blutegel so gut wie den Menschen, Opium,
Nux vomica scheint fast für alle giftig (mit Ausnahme des Vogels
Buceros Rhinöceros, der von Krähenaugen leben soll).
Die einfachsten Nahrungsstoffe sind aus dem Pflanzenreich:
1. Die säuerlichen Säfte vieler Pflanzen und Früchte.
2. Das Stärkmehl (Amylum) in den Samen der Gräser, der
Hülsenfrüchte, in den Knollen der Kartoffeln, in der Sagopalme,
im Lichen isländ.
3. Der Schleim (Mucilago) in Wurzeln und Samen und als
Gummi (verschieden vom thierischen Schleim, in Wasser löslich).
4. Der Zucker im Safte vieler Pflanzen, auch ihrer Früchte.
5. Das fette Pflanzenöl im Samen und einigen Wurzelknollen.
6 . Das Pflanzeneiweiss (Albumen) in der Pflanzenmilch, in der
Milch des Milchbaums, in emulsiven Samen.
.' .7. Der Kleber (Gluten), meist mit Eiweiss verbanden, in den-
Getreidearten und anderen Samen, auch in süssen Früchten.
8 . Fungin in den Schwämmen.
Viele andere. Stoffe, wie weingeistige und aromatische, sind
mehr Reizmittel der Verdauungsorgane als Nahrungsmittel. Unverdaulich
sind die Pflanzenfaser, die Hülsen der Samen,, die meisten
Harze, Farbstoffe, Extra ctivstoffe, die Haare, Federn, Horn,
Klauen, Schuppen, Insektenschalen und überhaupt aller Hornstoff..
Die Hauptnahrungsstoffe des Thierreichs, sind
1. Gelatina in den Sehnen, Knochen, Knorpeln, in. der äus-
sern Haut, dem Zellgewebe und vorzüglich in sehr jungen Thie-
ren (Eigenschaften siehe oben p. 438.).
2. Eiweiss (Albumen) vorzüglidh in den Eiern, Gehirn und
Nerven, im Blute etc. (Eigenschaften s. oben p. 134.).
3. Faserstoff (Fibrina) im Fleisch, und Blut der Thiere (Eigenschaften
s. oben p. 130:.).,
4. Das thierische Oel und Fett (Eigensch. s.oben p. 436, 427.)..
5. Der Käsestoff in der Milch mit thierischem Fett (Butter) und
im Käse (Eigenschaften s. unten im 8 . Buche bei dem Artikel MilchU
Ausführliche Belehrungen über die Nahrungsmittel linden,
sich in Tiedemann, Physiologie. 3. Bd. Darmsiadt 1836.