
I. Wesentliche Bestandtheile des Harns.
Ausser dem Schleim der Harnwege, der im Harn selten
sichtbar ist, enthält der Harn wesentlich nach Berzelius Analyse:
Wasser.................................................. 933,00
Harn sto ff................................................... 30,10
freie Milchsäure . . . . . . .
milchsaures Ammoniak. . . . . 1 ^7 1 4
Osmazom in Alkohol löslich . . f
Extractivstoff in Wasser löslich . J
Harnsäure . . . . ............................ 1,00
Blasenschleim . . 0,32
schwefelsaures Kali . . . . 3,71
— — Natron......................... 3,16
phosphorsaures N a t r o n .................... 2,94
zweifach phosphorsaures Ammoniak . 1,65
Ghlornalrium ......................................... 4,45
Chlorammonium . . . . . . . . 1,50
phosphorsaure Kalkerde und Talkerde 1,00
Kieselerde . . . . 0,03
1000,00
1 . Harnstoff. Urea. Von Cruikshank. im Harn entdeckt.
Man erhält ihn, indem man den behutsam zur Honigdicke abgedampften
Harn mit 4 Weingeist auszieht, und den Weingeist
verdunstet, und reinigt ihn durch wiederholtes Auflösen
in Wasser oder Weingeist und Krystallisiren. Ueber andere
Methoden siehe Gmelin Chemie. 4. 1014. Berzelius 1. c. p.
349. Die Krystalle des Harnstoffs sind feine seidenglänzende
Nadeln, oder lange, ' schmale, vierseitige Prismen, oder, im
unreinen Zustande, Blätter, rein farblos, unrein gelb und
braun; er ist ohne Geruch und von kühlendem, salpeterähnlichem
Geschmack; er reagirt weder sauer noch alkalisch, in
feuchter und warmer Luft zerfliesst er. Bei + 15° Cent, bedarf
der Harnstoff weniger als sein gleiches Gewicht Wasser zur Auf--
lösung, von kochendem Wasser wird er in allen Verhältnissen
gelöst; er löst sich in 5 kaltem Weingeist; von Gerbestoff wird
er nicht gefällt. Bis zu 120° Cent, erhitzt, schmilzt er ohne Zersetzung,
noch mehr erhitzt geräth er ins Kochen, und es sübli-
mirt sich kohlensaures Ammoniak, die schmelzende Mässe wird
nach und nach breiartig, und bei vorsichtig geleiteter Hitze bleibt
zuletzt ein grauweisses Pulver übrig, welches Cyansäure ist, die
sich auch bei trockener Destillation der Harnsäure sublimirt. Der
Harnstoff geht mit Säure und Basen Verbindungen ein, ohne sie zu
neutralisiren. Merkwürdig ist, dass Salmiak bei Gegenwart von
Harnstoff aus seiner wässrigen Auflösung statt in Octaedern in
Würfeln, Und Kochsalz statt in Würfeln in Octaedern krystalli-
sirt. Salpetersäure fällt den Harnstoff aus concentrirter, wässriger
Lösung, als Verbindung, Der Harnstoff enthält mehr Stickstoff
als irgend ein thierisches Product; er besteht nach Prout aus:
Stickstoff. . 46,65
Kohlenstoff . 19,97
Wasserstoff . 6,65
Sauerstoff . 26,65
W oehler hat entdeckt, dass man den Harnstoff künstlich
zusammensetzen kann., wenn man frisch gefälltes cyanichtsaures
Silberoxyd mit einer Auflösung von Chlorammonium übergiesst.
Hierbei verwandelt sich das Silbersalz in Chlorsilber, und statt
des cyanichtsauren Ammoniaks, welches sich bilden sollte, entsteht
Harnstoff. Auch entsteht er, wenn man cyanichtsaures Bleioxyd
mit caustischem Ammoniak behandelt; die so erhaltene Auflösung
enthält vor dem Abdampfen noch cyanichtsaures Ammoniak und
keinen Harnstoff, und erst nach dem Verdunsten der Auflösung
verwandelt sich das Salz in Harnstoff. W oehler hat ferner gefunden,
dass sich Ammoniakgas und cyanichtsaurer Dampf zu einer
weissen, wolligen, fein krystallinischen Materie condensiren, welche
cyanichtsaures Ammoniak ist, die sich aber beim Schmelzen,
Kochen oder freiwilligen Verdunsten ihrer Auflösung in Harnstoff
verwandelt. So bildet sich auch zuerst cyanichtsaures Ammoniak und
aus diesem Harnstoff, wenn man cyanichte Säure mit Wasser oder
mit flüssigem Ammoniak behandelt. Endlich entsteht Harnstoff,
wenn man Cyangas in Wasser leitet und dieses sich damit zersetzt.
Woehler in Berzelius Thierchemie, p. 356.
P révost und Dumas haben die wichtige Entdeckung gemacht,
dass sich der Harnstoff im Blute vorfindet nach der Exstirpation
beider Nieren, so dass diese Materie im gesunden Blute eben
darum nicht gefunden wird, weil sie beständig daraus abgeschieden
wird. Nach Exstirpation beider Nieren treten die Zufälle am
3. Tage ein, nämlich braune, reichliche und sehr flüssige Stuhlgänge
und Erbrechen, Fieber mit erhöhter Temperatur bis 43°
Cent.., zuweilen Sinken bis 33°. Der Puls wird klein, häufig
und steigt bis 200 ; das Athmen häufig, kurz, zuletzt schwer. Am
5—9. Tag erfolgte der Tod. Man findet Ergiessung eines hellen
Serums in den Hirnhöhlen, die Bronchien voll Schleim, die Leber
entzündet, die Gallenblase voll, den Darm voll flüssigen, durch
Galle gefärbten Kothes, die Harnblase sehr zusammengezogen.
Das Blut der operirten Thiere (Hunde, Katzen, Kaninchen) war
wässriger und enthielt Harnstoff, der durch Alkohol ausgezogen
wurde. 5 Unzen Blut eines Hundes, der nur 2 Tage ohne Nieren
lebte, gaben über '20 Gran Harnstoff, 2 Unzen Katzenblut
10 Gran. Bibi, univers. 18. 208. Meckel’s Archiv. 8 . 325. Vau-
Quelin und Segalas haben diese Entdeckung bestätigt. Magendie
, Journal der Physiol. 2. 354. Meckel’s Archiv. 8 . 229. Das
Blut wurde getrocknet, der Rückstand ausgewaschen, das WaSser
abgedunstet, der Rückstand mit Alkohol versetzt und diese neue Auflösung
wieder abgedunstet. Hierbei ist jedoch die Vorsicht nöthig,
das Wasser in der Kälte und in dem durch die Schwefelsäure bewirkten
leeren Raum verdunsten zu lassen. So erhielten sie aus
demBlute eines Hundes, dem60Stunden nach der Operation die Ader
geöffnet wurde, Harnstoff. Diese wichtigen Thatsachen, die
auch Mitscherlich mit Gmelin und T iedemann [dessen Zeitschr. V.I.)
bestätigt hat, beweisen, dass dieAblagerung urinöserFlüssigkeiten in