
zugleich nach dem motorischen Apparate der Centralorgane und
nach dem Sensorium commune geschieht, wie bei dem Husten
von dem empfundenen Reize in der Luftröhre, bei derpScliliessen der
Augenlieder von heftigem Schall, bei der Zusammenziehung der Iris
von Reizung der Retina durch Lichtsehen. In Hinsicht der Theorie
und Gesetze idieSer Wirkungen muss hier auf das dritte Cap.
des III. Abschn. p. 717. und p. 744. verwiesen werden. Da die
Reflexionserscheinungen nicht von dem Sensorium commune,
sondern von dem motorischen Apparate der Centralorgane abhängig
sind, der letztere aber im Schlafe zu wirken fortfährt,
so finden sie auch im Schlafe eben so gut wie im Wachen statt;
wie der Husten von Reizen in der Luftröhre, und viele andere
Erscheinungen während des Schlafes beweisen.
4) Die organischen Nervenwirkungen werden durch die Gen-
tralormme des Nervensystems in ungestörter Kraft erhalten. Hier
zeigt *sich dasselbe Verhalten zwischen dem N. sympathicus und
den Centralorganen, wie in Hinsicht der -i Bewegungen der dem
N. sympathicus unterworfenen Theile. Die Ernährung und Absonderung
geschehen unter einer gewissen selbstständigen Action
der organischen Nerven. Embryonen sind zwar bis zur Reife bei
Zerstörung des Rückenmarkes-und Gehirns ernährt worden. Siehe
oben p. 196. Vergl. Eschricht (in Mueller’s Archiv fü r Anatomie
und Physiologie 1834. p. 268.)." Ja zuweilen werden Theile von
Embryonen, ein einzelner Kopf, eine Extremität', ernährt, welche
nicht einmal ein Herz besitzen, und wo das Blut durch das Herz
eines andern Embryo zugeführt wird, indem die Gefässe des de-
feCten Embryos von der Nabelschnur des gesunden ausgeheh.
Siehe Rudolphi Alhand. der Acad. zu Berlin. 1816. und Mueller in
dessen Archiv fü r Anatomie und Physiologie 1834. p. 178. Aher
beim Erwachsenen leidet, die Ernährung oft, wenn auch nicht
immer, bei Lähmungen des Gehirns und Rückenmarkes, die
gelähmten Theile sind bei Verletzungen derselben leichter dem
Brand unterworfen, und bei heftigen aCuten Leiden der Centralor-
gane mit Unterdrückung ‘ihrer Actionen entsteht oft spontan der
Brand in einzelnen Theilen. Bei der Tabes dorsalis verschwindet
zuletzt die Fähigkeit zur Erection durch Blutanhäufung in dem
erectilen Gewebe des Penis und zur Zeugung.
5) Das NerVenprincip wird in den Centrälorganen erzeugt
und wiedererzeügt. Diess geht aus dep von mir und Sticker
an«estellten Versuchen (siehe oben p. 412.) hervor, nach welchen
die von den Centralorganen getrennten Nerven eines Gliedes in
der ersten Zeit zwar noch motorische Kraft besitzen, indem sie,
gereizt, Bewegungen der von ihnen versehenen Muskeln erregen,
nach welchen aber diese Nerven, sofern sie nicht wieder verheilen
, nach mehreren Monaten alle Reizbarkeit für mechanischen
und galvanischen Reiz verloren haben, so dass also die beständige
Wechselwirkung der Nerven und der Centrälorgane zur Erhaltung
der Kräfte der Nerven nöthig ist, während die Centralorgane
ihre Kräfte auch nach dem Verlust ihrer Conductoren behalten.
Die Erhaltung der Reizbarkeit der Nerven ist tndess
nicht bloss von dem beständigen Einfluss der Centralorgane, sondern
auch von ihrer Tbätigkeit selbst abhängig. Wenn ein Nerve
sehr lange Zeit nicht’ in Thätigkeit gesetzt wird, so verliert er
immer mehr an Kraft für fernere Thätigkeit. Die meisten Menschen
haben keinen Einfluss auf kleine Muskeln durch Mangel
an Uebung, und nach Erblindung des Auges atrophirt in später
Zeit der, Schnei iNe bis gegen das Gehirn hin; j a M a g e n d j e hat
sogar diese Atrophie bei Vögeln durch künstlich bewirkte Erblindung
schon in einigen Monaten erzeugt.
Die Scheidung der belebten thierischen Materie in Centralorgane,
und die von den Centralorganen abhängigen Theile,
ist nicht bloss ein Attribut aller thierischen Wesen; der Trieb
zu dieser Scheidung ist Sogar der keimfähigen Materie von Anfang
an eiügepflanzt, und es scheint, dass mit der Aeusserung
dieses Triebes die ganze Organisation beginnt. Die p. 43. angeführten
Beobachtungen über die zusammengesetzte-Structur der
einfachsten Thiere machen es wahrscheinlich, dass es bei allen,
auch den ■ scheinbar einfachsten Thieren, Nerven und von den
Nerven abhängige Theile giebt, und wo die Anatomie des Nervensystems
möglich is t,, sehen wir auch wieder eine Sonderung
desselben in gewisse wichtigere Centraltheile und ihre Conductoren,
die Nerven. Beim Embryo der höheren Thiere beginnt sogleich
diese Sonderung schon in der Keimhaut, in deren Achse sich der
mit den Kräften der Centralorgane begeistete Theil der thierischen
Materie anhäuft, während sich um dieselbe die davon abhängigen
Theile gestalten. Aber auch in dem von den Centraltheilen
abhängigen peripherischen Theile des neuen Wesens
schreitet eine ähnliche Sonderung fprt, indem sich dieser wieder
in die Conductoren des Nervenprincips, die Nerven und die von
ihnen den Einfluss,, der Centralorgane empfangenden Gewebe histologisch
und virtuell sondert. Die Entstehung der Centralorgane
bedingt die, Entstehung def peripherischen Theile ; die Entstehung
der Nerven in dem peripherischen Theile des Thieres
bedingt zugleich die Entstehung der wieder von den Nerven beseelten
Gewebe. Mit dieser Sonderung zwischen Centralorganen
und peripherischen Theilen ist das Gehirn und Rückenmark
virtuell vorhanden; weder das eine noch das andere entsteht
früher; die Ausbildung der einzelnen Regionen der Centralorgane
lstmrst wieder die Folge fortschreitender Entwickelung und Sonderung.
Eben so ist es mit der histologischen Sonderun« des
peripherischen Theiles; sobald sie beginnt, ist gewiss der ganze
Nerve vorhanden, nicht das äussere Ende des Nerven ist das
Erste, das den Centralorganen entgegenwüchse. Wenigstens hat
diese Ansicht von S e r r e s ,(anat. comp, du cerveau) durchaus keine
thatsächliche Basis; und die dafür angeführten Beobachtungen
haben in den classischen Untersuchungen von B a e r über die
Entwickelungsgeschichte des Embryo keine Bestätigung gefunden.
Vergleicht man nun die niederen Thiere mit den" höheren
in Hinsicht'des Gegensatzes der Centraltheile und peripherischen
Theile, und wieder der Centraltheile und des peripherischen
Nervensystems, so zeigt sich, dass dieser Gegensatz bei den niederen
Thieren, wenngleich vorhanden, doch weniger ausgebil-
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