
mehrere Empfindungen zu gleicher Zeit stattfinden, entweder nur einer
oder abwechselnd verschiedenen die Aufmerksamkeit zuwendet.
Wenn daher zu gleicher Zeit etvvas gehört und mit dem Gesicht
observirt werden soll, so ist es unvermeidlich, dass nicht zuerst
gehört und dann gesehen wird. Der Zeitunterschied zwischen
zweierlei bewussten Empfindungen ist aber bei verschiedenen
Menschen verschieden, wie denn Manche viel zu gleicher Zeit
empfinden und merken, Andere aber hierzu eine merkliche Zeit
nöthig haben.
Die Zeit, in welcher eine Empfindung von den äusseren
Theilen auf Gehirn und Rückenmark, Und die Rückwirkung auf
die äusseren Theile durch Zuckungen erfolgt, ist auch unendlich
klein und unmessbar. Wenn man Frösche mit Opium oder Nux
vomica vergiftet, so werden sie zuerst so ungeheuer sensibel,
dass die geringste Berührung der Haut eine Zuckung am ganzen
Rumpfe erregt. Hier, erfolgt die Wirkung von der Haut zuerst
auf das Rückenmark, und vom Rückenmark auf alle Muskeln.
Dennoch ist es mir unmöglich gewesen, den geringsten Zeitunterschied
zwischen der Berührung und den Zuckungen zu bemerken.
1. Capitel. Mechanik d e r m o to risch en Nerven.
I. Von den Gesetzen der L e i tu n g des N e rvenp i'in cip s in den
Bewegungsnerven.
I. Die motorische Kraft wirkt in den Nerven nur in der Richtung
der zu den Muskeln hingehenden Primilwjasern, oder in der
Richtung der Verzweigung des Nerven und niemals rückwärts. Es
ist eine allgemein bekannte Erfahrung, dass, wenn man einen
Muskelnerven reizt, die Zuckung. in keinem andern Muskel ein-
tritt, als in welchem sich' der Nerve verzweigt. Reizt man einen
Nervenstamm caustisch, mechanisch, elektrisch oder durch unmittelbare
Anwendung beider galvanischen Pole auf den Neryen, so
zucken die Muskeln . aller Nervenzweige des gereizten Stammes,
und niemals ein anderer Muskel. Man kann daher auch niemals
durch unmittelbare oaustische, mechanische oder galvanische Reizung
eines Nerven durch beide Pole Zuckungen in Muskeln erregen,
welche von Nervenzweigen abhängig sind, die über
der gereizten Stelle vom Stamme abgehen. Nie erfolgt eine
Spur einer Zuckung in den Muskeln des Oberschenkels, wenn
man den untern Tbeil des d. ischiadicus reizt, wo er die Aeste
für die Oberschenkel schon abgegeben hat. Es ist daher eine
sichere Thatsache, dass die motorische Kraft der Nerven nur in der
Richtung der Nervenzweige, niemals rückwärts wirkt. Man kann
zwar auch Zuckungen in allen Muskeln erregen, die in dem galvanischen
Strome, oder deren Nerven in dem galvanischen Strome
liegen, wenn man den einen galvanischen Pol auf den Nerven
am untern Theile des Körpers, den andern Pol auf Muskeln der
obern Theile applicirt, und dann zucken auch die Muskeln der
oberri Theile; allein diese Anwendungsart des Galvanismus ist,
wie ich schon öfters bemerkte, durchaus verschieden von der
unmittelbaren Reizung der Nerven durch beide Pole. Im letzten
Falle wird nur der Nerve und seine motorische Kraft gereizt
durch Anwendung eines galvanischen Stromes durch die Dicke
des Nerven, und der Erfolg ist durchaus eben so, als wenn man den
Nerven mechanisch reizt; im ersten Falle dagegen, wo viele andere
Theile, Nerven und Muskeln in dem galvanischen Strome zwischen
beiden Polen liegen, wird jeder Muskel und jeder Nervenzweig
an seifiem Orte von dem galvanischen Strome gereizt, und alle
Muskeln zucken, die in dem galvanischen Strome liegen; auch
müssen die Muskeln zucken, die zwar nicht im galvanischen
Strome liegen, deren Nervenstämme aber dem galvanischen Strome
ausgesetzt sind. Es wiederholt sieh also auch nur wieder diese
constante Erfahrungstatsache, dass ein unmittelbar auf jede Art
gereizter Muskelnerve mit motorischer Kraft nur auf die Muskeln
seiner Nervenäste wirkt, niemals aber auf die Nervenzweige
zurückwirkt, die oberhalb der gereizten Stelle vom Nervenstamm
abgehen.
II. Die zweite Thatsache ist, dass die mechanische oder galvanische
Reizung eines Theiles eines Nervenstammes nicht die motorische
Kraft des ganzen Stammes; ’ sondern nur die des isolirt gereizten
Theils in Anspruch nimmt, so dass nicht alle Muskeln zuk-
ken, welche von dem Stamme Zweige erhalten, sondern nur diejenigen,
welche von dem gereizten Theile eines Nervenstammes
aus Zweige erhalten. Diese Versuche kann man, um an grösseren
Nervenstämmen zu opei'iren, an Kaninchen machen. Man
legt den N. ischiadicus gerade an seinem Austritte aus dem Becken
bloss. Man kann dort leicht verschiedene Abtheilungen desselben
mit der Nadel isolirt reizen, Abtheilungen, welche später erst
aus dem Stamme sich als Aeste entwickeln. Man wird sich überzeugen,
dass immer nur diejenigen Muskeln zucken, in welche
sich der gereizte Theil des Nervenstammes verzweigt, nicht aber
andere Muskeln des Ober- oder Unterschenkels. Um die kleinsten
Zuckungen der Muskeln zu sehen, muss man vorher die Haut
vom ganzen Bein bis zum Fuss an dem lebenden Thiere abziehen.
Als ich dén Nerv, ischiadicus, ehe er sich in den Nervus pero-
naeus und tibialis tbeilte, in mehrere Bündel trennte und jedes
dieser Bündel isolirt reizte, sah ich bei dem einen Bündel eine
Zuckung in anderen Muskeln am Unterschenkel, als beim Reizen
anderer Bündel, und so bewegten sich denn bald die Wadenmuskeln,
bald streckten, bald beugten sich die Zehen. Ja ich
konnte Zuckungen in verschiedenen Stellen der Wadenmuskeln
bemerken, wenn ich den N. peronaeus in • verschiedene Bündel
abtheilte, und jedes dieser Bündel mit der Nadel reizte. Dasselbe
sieht man bei galvanischen Versuchen mit unmittelbarer
Reizung einzelner künstlich abgesonderter Bündel des Nervus
ischiadicus beim Frosch.
Man präparire sorgfältig ohne Zerrung eines Nerven beim
Frosch ein Faserbündeichen des ganzen Schenkelnerven ab, und
galvanisire es durch Anwendung beider Pole und der Kette auf
dieses Bixndelchen. Obgleich diess gegen die Schenkelmuskeln