
bergeben. Bedenkt man wie klein die Elemente der Gewebe,
die Muskelfasern, Zellgewebefasern ü. s. w. gegen die Capiliarge-
fässe sind, und dass bei den Insecten das Gefässsystem Sehr einfach
ist und aus wenig verästelten Strömen besteht, so wird man
von der einseitigen und mechanischen Vorstellung befreit, dass
die Capillargefässe wesentlich ausser der Zufuhr der Substanz1
bei der Ernährung und Bildung der Elemente der Gewebe eine
Hauptrolle spielen sollen. Man bedenke nur, dass das Mikroskop
an dem Flügelstaub der Insekten noch Configurationen nachweist,
welche nur durch die stärksten Vergrösserungen sichtbar gemacht
werden können, und dass hinwieder die Saftbewegung bei diesen
Thieren so einfach ist. Die Bildungen der Elementartheile der
Gew'ebe gehen in dem durch die Gefässwände durchgehenden,
und die Gewebe tränkenden von ihnen angezögenen Liquor sanguinis
vor sich und die angeführten Thatsache'ri beweisen,- dass
diese Organisation weit von dem Einfluss der Gefässe entfernt
in dem bildsamen Stoffe vor sich gehen kann. Der Liquor sanguinis
selbst strebt zur Organisation. ln der Entzündung und
im Uterus nach der Conception ergossen, ist- er anfangs homogen,
aber später untersucht zeigt das ältere Exsudat schon deutliche
Spuren von Faserbildung. Bei der Ernährung erhält diess Streben
eine bestimmte Richtung durch die schon vorhandenen Eie«--
mèntartheile der Gewebe, und durch die noch vorhandene or-
ganisirende Kraft, welche im Keim alle nur potentia vorhandenen
Elemente des Ganzen actu zur Erscheinung brachte, und im Erwachsenen
auf die Produkte fixirt, ihre Thätigkeit fortsetzt.
Was man vom Wachsthum einzelner Theile kennt j ist Folgendes:
man weiss, dass die Knochen vorzugsweise auf der Oberfläche
und am Ende der Diaphysen wachsen, indem hier neue
Knorpelschichten entstehen, die organisirt sind und ossificiren.
Diess siebt man, weil die Knochen nach aussen hin sich vergrös-
sern, während das Innere der Knochen, was früher Knochen gewesen,
wieder resorbirt und Knochenböhle wird. Die hieber
gehörenden Thatsachen findet man in E. H. W eber’s classischem
Werke über die Anatomie des Menschen im ersten Theile desselben
und im Dictionnaire des sciences médicales, art. osteogenie.
T. 38. p. 445. zusammengestellt. Nach D uhamel umschliesst ein
um einen Röhrenknochen eines jungen Thieres gelegter Ring
nach einiger Zeit nicht mehr den Knochen, sondern das Knochenmark.
Die Knochen verändern sich bis -in das höchste Alter,
wie denn z. B. im hohen Alter die Hirnschale'dünner wird,
indem die schwammige Diploe zum Theil verschwindet. Die
Färberröthe, Rubiä tinctorum, welche eine chemische Verwandtschaft
zur phosphorsauren Kalkerde hat, und bei der Fütterung
von allen Theilen vorzugsweise nur die Knochen und die Zähne
roth färbt, färbt bei den Knochen das ganze Gewebe roth. Bei
den jungen Tauben hat diese durchgängige rothe Färbung der
Knochen nach Morand und G ibson schon in 1 Tage statt, während
die Knochen erwachsener Tauben erst nach 14 Tage langer
Fütterung rosenroth werden. Indessen scheinen doch die
Oberfläche und die Enden der Knochen vorzugsweise zu waclisen,
wie die von W eber citirten Beobachtungen beweisen. D uhamel
fand, als er die Thiere abwechselnd mit Färberröthe fütterte,
und wieder nicht fütterte, abwechselnde Schichten weisser
und rotber Substanz, was sich aber selten bei jungen Thieren
zeigt. Zur Zeit der Fütterung mit Färberröthe wurde die äus-
serste Schichte roth gefunden. Hiernach räumte D uhamel zwar
die Intussusception der Knochen ein, behauptete aber doch mit
G rew, . dass die Knochensubstanz vorzugsweise an der Oberfläche
schichtweise sich bilde, wie die Lagen des Holzes an den Bäumen.
Diess Alles ist nichts weniger als gewiss; denn in Morand’s Versuchen
wurden die Knochen erwachsener Tauben durchweg roth,
und D uhamel sah selbst, ‘ dass, die Knochen eines Hahns in 16’,
die einer Taube in 3 Tagen in ihrer Dicke roth wurden. G ibson,
Meck, Archiv 4. 482.*). Die Röhrenknochen wachsen vorzugsweise
auch an der Grenze zwischen den schon verknöcherten
Stücken der Knochen und dem noch knorpelig gebliebenen
Tlieile, welcher. das Mittelstück von den Epiphysen in der Kindheit
trennt. Diess scheint der Versuch von J. H unter zu zeigen,
nach welchem Löcher in die beiden Enden des Mittelstücks eines
Röhrenknochens beim jungen Schweine gebohrt,, nach einigen
Monaten sich nicht von einander entfernt hatten, so dass
die über den Löchern befindlichen Strecken des Knochens vorzugsweise
gewachsen seyn mussten. Das Wachsthum der Röhrenknochen
dauert daher auch nur so lange in die Länge fort,
als die Epiphysen und das Mittelstück noch durch eine Lage
Knorpel getrennt werden. Siehe Meckel, Ilandb. d. menschl. Anat.
1. 378. E. H. W eber Anat. 1. 339., wo man auch die Nachweisungen
über die Litteratur findet.
, Die Knochen sind anfangs beim Fötus knorpelig, und enthalten
zu allererst keine Zellen und Markhöhlen.. Die Zellen der
Knochen fehlen lange, sie entstehen zum Theil schon, ehe die
Knorpelsubstanz des Knochens durch Vergrösserung des Gehaltes
an phosphorsaürer Kalkerde verknöchert. Die Verknöcherung
findet von einzelnen Knochenkernen aus statt, von welchen aus
die Knochenlamellen und Fasern (an den platten ScbädelknoGben
radiatim) ausgehen. Der Anfang der Verknöcherung geschieht’
schon im 2-Monat der Schwangerschaft. Steissbein, Kniescheibe
die meisten Hand- undFusswurzelknochen verknöchern, erst nach
der Geburt., Dass die Natur des Leims bei der Verknöcherung
umgeändert wird, ist schon oben erwähnt; der- Knochenknorpel
besteht vor der Qssification aus dem eigentümlichen Leim der
permanenten Knorpel, Chondrin; nach der Ossification findet
sich dieser nicht mehr vor, der Knochenleim ist übereinstimmend
mit dem Leim- der Sehnen des Zellgewebes und der äussern Haut.
So verhäLt sich dieser Leim, sotvohl, wenn er durch Kochen ge—
) Aber überhaupt lässt sich aus. diesen- Versuchen: mit Färberröthe- wenig
schlossen; denn die Färbung der Knochen von Färberröthe lehrt nichts)
über die Ernährung der Knochen, sondern ist eine blosse Folge davon,
dass die Knochen^ von Blutgefässen durchzogen sind, von welchen aus
die Färberröthe sich mit den Kalksalzen der Knochen vcrbindul.