
Strom des Blutes ist doch jedenfalls viel langsamer als die Fortpflanzung
des Stosses. Daher leitet es W eber ab, dass der Puls
in einer aneurysmatischen Arteriengeschwulst mit dem Herzschlage
und dem Puls anderer Arterien nicht synchronisch ist. Denn das
Coagulum im aneurysmatischen Sacke oder nicht ganz mit Blut
gefüllte Räume desselben können ein Hinderniss. der Fortpflanzung
des Stosses seyn. Nach allem diesem ist der Puls der Arterien
die Wirkung der fortgepflanzten Oscillation in den Arterienhäuten
und dem Blute der Arterien, welche ihre Ursache in dem
Brücke des Blutes vom Herzen aus hat. W eber adriotat. anatom.
et physiol. prolus. I.
W eber hat noch weitere sehr nützliche Bemerkungen über
den Nutzen der elastischen Haut der Arterien mitgetheilt. In dem
Zeitraum von einem Herzschlage zum andern rückt das Blut in
der Aorta nur um so viel weiter, als das vom Herzen ausgeflossene
Blut Raum in dem ersten Stücke der Aorta einnimmt, d. h.
einige Zoll. Die elastische Haut der Arterien bewirkt aber durch
ihren beständigen Gegendruck, dass das Blut nicht bloss absatzweise,
sondern ununterbrochen vorwärts gedrückt wird; das Blut
fliesst aus einer geöffneten Arterie ununterbrochen, und der Strom
wird nur in den grösseren Arterien während jedes Herzschlages
augenblicklich verstärkt, eine Verstärkung, die um so weniger
merklich ist, je kleiner die spritzenden Arterien sind. W eber bemerkt,
dass das Herz einige Aehnlichkeit mit den Feuerspritzen
habe, dass aus ihm die Flüssigkeit durch periodisch wiederholte
Stösse ausgetrieben wird. Der Zweck beider Instrufnente erfordert
es aber, dass die Flüssigkeit ununterbrochen ausströme, diess
ist in beiden dadurch bewirkt, dass bei jedem Drucke dieser
Pumpenwerke nicht nur die Flüssigkeit fortgestossen, sondern
auch ein elastischer Körper gespannt wird, welcher auf die Flüssigkeit
zu drücken und sie auszutreiben fortfährt; während das
Pumpenwerk selbst nicht drückt. Dieser elastische Körper ist
bei den Arterien die elastische Wand derselben, bei den Feuerspritzen
die in ihrem Windkessel über dem Wasser befindliche
Luft. W eber l. c. de utilitate parietis elastici arteriarum. Anatomie
3. p. 69. (Es ist eben so mit dem Regulator der Gebläse.) Bei
Verknöcherung verliert sich diese Elasticität, daher die Anlage
zu Schlagfluss, Gangrän etc.
Durch ihre Elasticität besitzen die Arterien die merkwürdige
Fähigkeit um so enger zu werden, je weniger sie Blut enthalten,
und, wie beim Blutflusse aus durchschnittenen Arterien, aus-
treiben können. Wenn eine Arterie durchschnitten ist, so wird
der Blutstrom allmählig immer kleiner. Bei einem Pferde, das H unter
zu Tode bluten liess, fand er, dass die Aorta um mehr als
JL, die Iliaca die Cruralis ^ sich im Durchmesser verengerten,
und dass Arterien von der Dicke der Art. radialis im Menschen
bis zum Schliessen sich verengten. Abernethy physiol. lect. 224.
Je stärker die Kraft des Herzschlages ist, um so mehr werden die
Arterien ausgedehnt, und um so mehr Blut ist in ihnen im Ver-
hältniss zu den Venen enthalten, je schwächer der Herzschlag ist,
um so mehr kann die Elasticität der Arterien dem Antriebe des
Blutes das Gleichgewicht halten, um so enger sind die Arterien,
und um so weniger Blut enthalten sie im Verhältniss zu den Venen.
Diese Folge tritt vor dem Tode ein, daher zum Theil die
Blutleere der Arterien nach dem Tode; sie sind eigentlich gros-
sentheils nicht ganz leer, sondern viele enthalten so viel Blut, als
sie im verengtesten Zustande zu fassen vermögen. Bei einer Vi-
visection - kann, eine unverletzte Arterie ihren Durchmesser all—
mählig verkleinern, wie P arry, T iedemann und auch ich gesehen
haben. Diess braucht man aber weder von dem Reize der Luft,
noch überhaupt von der vitalen Contractilität der Arterien abzuleiten,
sondern es ist eine nothwendige Folge von der verminderten
Kraft des Herzens.
P ie älteren Schriftsteller und mehrere neuere haben die nach
der Ausdehnung der Arterien erfolgende elastische Zusammenzie-
Jiung der Arterien fälschlich für einen Muskularakt, und die Fasern
der Arterienhaut für Muskelfasern gehalten, wovon sie sich,
wie B erzelius gezeigt hat, in jeder Hinsicht unterscheiden. Die
Fähigkeit, sich nach der Ausdehnung zusammenzuziehen, behalten
die Arterien noch lange nach dem Tode, Tage lang, und die
stossweise in die Arterien gestorbener Thiere getriebenen Flüssigkeiten
bieten dieselben Erscheinungen des Pulses und der darauf
folgenden Zusammenziehung dar, wie im lebenden Körper. Man
hat für die nicht existirende Muskularcontractilität verschiedene
Gründe aus der vergleichenden und pathologischen Anatomie beigebracht,
welche gar nichts beweisen. Allerdings ziehen sich das
gefässartige Herz der Insekten und die Hauptgefässstämme, nicht
einmal alle Gefässstämme der Würmer, wie bei den Blutigeln,
durch Muskularcdntraction zusammen. Allein diess sind eben die
Herzen jener Thiere, und es lässt sich zeigen, wie das Herz bei
den niederen Thieren immer mehr die Form eines länglichen
Schlauches annimmt, wie es denn bei dem Embryo in frühester
Zeit nur ein erweiterter Theil des Gefässsystems ist. Das Herz
ist daher in der Thierwelt überhaupt nur der mit Muskelsubstanz
bekleidete und contractfle Theil des Gefässsystems, der bald kurz,
bald lang ist. Man hat auch für die Muskularcontractilität der
Arterien die kopflosen Missgeburten angeführt, bei denen das Herz
fast regelmässig fehlt, und deren Cirkulationssystem aus zwei Ge-
fässsystemen besteht, die an zwei verschiedenen Stellen, nämlich
in der Placenta und in den Organen des Körpers, durch Capillar-
gefässe Zusammenhängen; in manchen genauer bekannten Fällen,
waren die Gefässe des Acephalen nurAeste der Nabelgefässe eines
zweiten .vollständigen Embryo. Vergl. p. 197. Der Bulbus aortae
der Fiscbe und der nackten Amphibien zieht sich allerdings ganz
deutlich zusammen, was S pallanzani, W edemeyer und ich bei
Fröschen und Salamandern gesehen, und ich habe auch selbst den
Bulbus aortae der Frösche an der abgeschnittenen Aorta noch
sich ganz vollkommen und so deutlich wie das Herz selbst zusammenziehen
gesehen. Allein dieser Theil ist von der Aorta
ganz verschieden, gehört zum Herzen und ist jenen Thieren, welche
durchs ganze Leben oder in der Jugend einen Kiemenkreislauf
haben, eigenthümlich. Man sieht hier gerade ganz deutlich,