
so sacht es das Gleichgewicht; auf den Rücken gelegt, steht es
auf; angestossen, hüpft es; Vögel in die Luft geworfen, machen
Versuche zu fliegen; Frosche hüpfen fort. Wohl hat das Thier
kein Gedäehtniss mehr, es überlegt nicht, aber es empfindet dennoch,
und reagirt gegen> Empfindungen durch Bewegungen,'welche
keine blossen Reflexionsphänomene sind. Cuvier vergleicht
diese Thiere ganz richtig einem schlafenden Menschen, auch'-dieser
sucht im Schlafe noch eine bequeme Lage; er empfindet.
Cuvier’s Bericht etc. in F lourens Versuche und Untersuchungen
über die Eigenschaften und Verrichtungen des Nervensystems. Lpzg.
1824. p. 71.
Man muss bei den Empfindungen eines gesunden beseelten
Wesens wohl die Empfindungen selbst von der Aufmerksamkeit
auf dieselben, und von der Fähigkeit, Vorstellungen aus den Empfindungen
zu bilden, unterscheiden. Die Aufmerksamkeit scheint
eine Thätigkeit der Hemisphären des grossen Gehirns zu seyn;
mit ihrem Verluste tritt Stampfsein ein, die Empfindung bleibt.
Dagegen kann ein gesunder Mensch unter einer gewissen Anzahl
zugleich stattfindender- Empfindungen einer einzigen derselben
seine Attention zuwenden, und sie zur herrschenden, zu derjenigen
machen, deren er sich in ihrem ganzen Umfange, in ihrer ganzen
Stärke bewusst wird, die Vorstellungen in ihm erregt,' während
andere Empfindungen zwar auch bewusst werden, aber undeutlich
sind, wenn die Attention auf sie nicht gerichtet ist. Und
so hängt also die Deutlichkeit der Empfindungen von der Mitwirkung
edlerer Organe'ab, welche nach dem Verluste der Hemisphären
des grossen Gehirns verloren sind, während das verlängerte
Mark dunkler. Empfindungen fähig ist.
Einige haben geglaubt, dass das verlängerte Mark, wie es
der Sitz des Willens ist,, auch das Gentralorgan für alle Empfindungen
sey. Diess scheint uns ein Missverständniss, wenn
man unter dem verlängerten Marke bloss den angeschwollenen
obersten Theil des Rückenmarkes versteht, und nicht zugleich
die Fortsetzungen desselben in das grosse Gehirn im Sinne hat.
Allerdings ist das verlängerte Mark im engern Sinne das Centralorgan.
für alle Gefühlsempfindungen, und sie finden nach dem
Verluste des grossen Gehirns noch statt, aber ohne Attention.
Andrerseits giebt es aber auch für den Gesichtssinn und den
Geruchssinn Centralapparate, die in den Hemisphären des grossen
Gehirns liegen. Nach ihrer Verletzung hört das Sehen und
Riechen auf, wie z. B- nach Verletzung des vordem Vierhügelpaares,
des Thalamus opticus, und überhaupt der tieferen Theile-ider
Hemisphären Blindheit eintritt. Es scheint also, dass die Centralorgane
der verschiedenen Sinne für sich bestehen; mögen sie
auch zum Theil zu den Verlängerungen des Systems der Stränge der
Medulla oblongata gehören, so scheint doch ihre Wirkung isplirt
^tattfinden zu können, und erst durch Mitwirkung der Hemisphären
des grossen Gehirns mit den Gentralorganen der Sinne
tritt die Attention, die deutliche Anschauung der durch die verschiedenen
Centralorgane der Sinne dargebotenen Empfindungen
ein. Diess ist vor der Hand wahrscheinlich, doch , zum Beweise
fehlt noch manche Thatsache. Es scheint zwar einerseits gewiss,
dass nach Wegnahme des Centralapparates für das Sehen
noch durch das verlängerte Mark die Gefühlsempfindungen mit
Bewusstseyn stattfinden können; aber wir wissen andrerseits nicht,
ob nach dem Verluste des verlängerten Markes in den Centralorganen
dér übrigen Sinne noch Empfindungen stättfinden können.
Mit der Verletzung des verlängerten Markes hört das Athmen
auf, dadurch sinkt das Leben auf ein Minimum herab, bei welchem
es unmöglich ist, Beobachtungen über die Fortdauer der
Sinnesempfindungen des Gesichtssinnes, Geruchssinnes u. s. w., anzustellen.
Immer bleibt es aber jetzt am wahrscheinlichsten,
dass die Hemisphären des, grossen Gehirnes, und nicht das verlängerte
Mark es sind, in welche die Wirkungen der verschiedenen
Centralapparate der Empfindungen enden, und wo die von einander
unabhängigen Empfindungen zu Sinnesanschauungen umgestaltet
werden.
Was den Gehörsinn betrifft , : so nimmt man* gewöhnlich an,'
dass sein Centralorgan der Boden des vierten Ventrikels sey,
weil die Fasern ,des Gehörnerven von dort entspringen. Fiotr-
rens hingegen behauptet, dass nach dem Verluste der Heinisphären
des grossen Gehirns das Gehör aufhöre, obgleich Vögel
nach dem Verluste noch Monate lang erhalten werden können,
wie F lourens und H ertwig beobachtet haben. Mag in.dess
auch die Gehörempfindung an die Integrität des Bodens des vierten
Ventrikels geknüpft seyn, so Scheinen doch die weissen queren
Markfasern der Rautengrube, welche durchaus nicht constant mit
dem Gehirnnerven Zusammenhängen, Und zuweilen deutlich über
die obere Wurzel des Gehörnerven in die Schenkel des kleinen
Gehirns Zur Brücke übergehen, nicht die wichtige Rolle bei den
Gehörempfindungen zu spielen, welche man ihnen so oft beilegt.
Wir besitzen das Gehirn- eines Mädöhens in unserem Museum,
das nach einem Falle auf den -Nacken und das Hinterhaupt all-
mählig am ganzen Körper gelähmt wurde,, und wo sich auf dem
Boden der ..Rautengrube auf den queren Markstreifen eine Exsudation
von Faserstoff befand, ohne dass das Gehör dieses Sub-
jectes gelitten hätte. Siehe F ischer de rariore encephalitidis casu.
Berol.. 1834.
IV. Von den V ie rh ü g e ln .
Die Vierhügel der Säugethiere und die Lobi optici der Vögel,
Amphibien und Fische gehören zu dem Centralapparate des
Gesichtssinnes mit den Thalami optici der höheren Thiere. Nimmt
man bei einer Taube einen der Lobi optici, oder bei einem
Säugethiere eine Hälfte der Corpora quadrigemina weg, so erfolgt
nach F lourens (bei Säugethieren nach Magendié nicht) Blindheit
auf der entgegengesetzten Seite, aber die Regenbogenhaut auf
diesem Auge bleibt noch lange beweglich. Die Thiere drehen
sich oft um sich selbst, und zwar nach der Seite, wo der Körper
weggenommen worden, was auch Magendie und D esmoulins fan-
> den. Dieses Drehen, welches auch bei Fröschen bemerkt wird,