
Schwierige dieser Ansicht liegt darin, dass man hierbei etwas
nicht zu Erweisendes annehmen muss, und dass man dann wieder
andere Poren an den zartesten Blutgefässen annehmen
müsste, durch welche die zur Ernährung der absondernden Kanäle
bestimmten Flüssigkeiten eindringen müssten.
2 . indem man wahrscheinlicher annimmt, dass zwar durch
blosse Imbibition oder allgemeine Porosität (sogenannte unorganische
Poren) die flüssigen Stoffe aus den Capillargefässen in
das Gewebe des secernirenden Organes sich verbreiten, dass aber
die Oberfläche der secernirenden Kanäle die Elemente, die sie zu
neuen Stoffen zu verbinden strebt, chemisch anzieht', und auf
eine freilich unerklärliche Weise gegen die innere Fläche der
secernirenden Haut oder der Drü&enkanälchen verändert abstösst
Vgl. Ma scagni Nova per poros inorgamcos secretionum ihcoria vaso—
rumque lymphatieorum historia iterum vulgata et parte altera aucta„
in qua vasorum minimorum vindicatio et secretionum per poros iri-
erganicos refutatio cuntinetur. Auct. P. L upi. Romae 1793. Dass
es hier nicht bloss auf Durchschwitzung, sondern auf Action
der ahsondernden Wände ankommt, sieht man leicht ein, wenn
man die Menge der durch eine gereizte Speicheldrüse abgesonderten
Flüssigkeiten, die Plötzlichkeit und Menge'der Thränen'
auf augenblickliche Wirkungen bedenkt...
So entblösst. von Tbatsachen eine solche Annahme von Anziehung
und Abstossung auch ist, so ist sie doch nicht ohne Analogie
in den physikalischen Erscheinungen, und es scheint, dass
hei der Absonderung eine gänz ähnliche Kraft die Ausscheidung
bewirkt, wie jene, welche bei der Resorption die Aufnahme in die
Lymphgefässnetze oder Anfänge der Lymphgefässe bewirkt.
Wunderbar, dass in verschiedenen Gewebetheilen einer und denselben
Membran oft beiderlei Kräfte neben einander wirken, indem
z. B. die Schleimbälge der Schleimhäute, welche absondern,
von den anziehenden und aufsäugenden Lymphgefässnetzen dicht
umher umgeben sind. Vergl. oben pag. 271.
W ollastow nimmt an, dass dei den Secretionen ein elektrischer
Process stattfinde. Er nahm eine zwei Zoll lange, Zoll
dicke Glasröhre, und verband das eine.Ende derselben mit Blase'
dann goss er Wasser in die Röhre, worin Kochsalz. Die
Blase wurde äusserlich befeuchtet und auf ein Stück Silber gesetzt;
nun wurde ein Zinkdraht durch das eine Ende mit dem
Silber, durch das andere mit der Flüssigkeit in Berührung gebracht.
Es erschien reines Natron an der äussern Fläche der-
Blase. E berle gelang dieser Versuch nur bei einer stärkern galvanischen
Action. Ebf.rj,i', Physiologie der Verdauung, p. 137,
Die Eigenthümliehkeit und Verschiedenheit der Absonderungen
hängt von keinem äusserlichen und mechanischen Grunde ab.
Man bat sie in der verschiedenen Schnelligkeit des Blutlaufs in
Verschiedenen Organen gesucht, und diese verschiedene Schnelligkeit
wäre selbst wieder zu beweisen, Mail hat sie in dem verschiedenen
Zustande der Blutgefässe, und ihren Theilungswinkeln
gesehen. Aber die Blutgefässe verhalten sich in den Nieren fast
wie in den Hoden, in den Speicheldrüsen nicht viel anders aU
in der Leber, wie an Lieberkühn’schen Präparaten zu sehen; sie
bilden allenthalben netzförmige Anastomosen zwischen den feinsten
Arterien und Venen. Man hat die Ursachen in der Verschiedenheit
der Enden der Arterien gesucht, aber diese Enden
existiren nicht; in dem verschiedenen Durchmesser der aufnehmenden
Kanäle, und dennoch geschehen die verschiedensten und eigentümlichsten
Absonderungen auf ebenen Häuten. Alle diese
Dinge; womit H aller sich viel zu lange aufgehalten hat, geben
keine Erklärung, wenn sie auch stattfänden; sie sind unzureichende
und un erwiesene Beweismittel. Und wie leicht waren alle
diese mechanischen Diflicultäten abzufertigen durch die einzige
Frage: warum wird hier Gehirn, dort Muskel, dort Knochen
gebildet; entsteht etwa das Gehirn auch durch veschiedene Winkel
der Gefässvertheilung?
Die Eigentümlichkeit der Absonderungen hängt auCh nicht
von dem innern Bau der Drüsen ab; denn jedes Secret wird in
der Thierwelt bei dem verschiedensten Bau abgesondert, wie ich
wohl zur Genüge erwiesen habe. Ma« denke an die Speicheldrüsen
der Vögel und der Säugetiere, an die Leber der Krebse,
Mollusken, Wirbeltiere, an die ausserordentliche Verschiedenheit
in dem Bau der Hoden, in dem Bau der Thränendrüse bei den
Schildkröten, Vögeln und Säugetieren. Ueberdiess haben die
verschiedensten Absonderungen bei gleichem Bau der Drüsen statt.
Die Rindenkanäle der Nieren unterscheiden sich von den Samenkanälen
nur durch ihre grössere Feinheit. Milchdrüsen, Speicheldrüsen,
Thränendrüsen haben eine durchaus gleiche Beschaffenheit.
Die Natur "der Absonderung hängt daher allein von der eigentümlichen
specifisch belebten organischen Substanz ab, welche
die inneren absondernden Kanäle der Drüsen bildet, und welche
sich gleich bleiben kann bei der verschiedensten Architektonik
der Drüsenkanäle, und ausserordentlich verschieden ist bei gleichem
Bau der letztem. Die Verschiedenheit der Absonderung
beruht daher auf demselben Grunde, wie die Verschiedenheit der
Bildung und des Lebens in den Organen überhaupt. Der einzige
Unterschied liegt nur darin,. dass das verwandelte Blut in dem
einen "Fall dem Organe einverleibt wird, in dem zweiten aber
über die Grenze desselben als Secret hinaustritt.
In der neuern Zeit hat sich von Seiten mehrerer Chemiker,
namentlich durch Chevreul, die Ansicht geltend gemacht, dass
alle Absonderungen ohne Umwandlung geschehen und dass das
Blut alle Stoffe, welche sich in den Secreten vorfinden, bereits
enthalte, dass dagegen den SecretionsorgaHen das Vermögen zukomme,
vorzugsweise bald den einen, bald den andern aus dem
Blute auszuziehen und in ihr Secret zu übertragen. Hierfür
spricht, nach Gmelin, dass die Salze des Blutes und der Secrete
ungefähr dieselben sind, dass in beiden Osmazom und speichelstoffartige
Materie (?) vorkommt, und dass man im Blute bereits auch
viele von denjenigen Stoffen gefunden hat, von welchen man
l'rühep glaubte, dass sie nur in den Secreten Vorkommen, wie
Käsestoff, Gallenfett, Talg, Oel, Oelsäure. In der That ist neuer