
Endlich erwähne ich mit Autenrieth die Fähigkeit der thieri-
schen Theile, wodurch ihnen bald Lebenskraft entzogen, bald
mit^etheilt wird, und wodurch sich die Lebenskraft oft schnell
in einem Organe anhäuft. Ich glaube nicht, dass die Wirkung
der Lebenskraft in dem nicht bebrüteten Ei den Dotter und das
Eiweiss vor Fäulniss schützt, wie H unter bemerkt,, aber sogar
eine ausgetretene oder eingeschlossene oder krankhaft angesammelte
Flüssigkeit, selbst zersetzter Thierstoff, Eiter, wird länger
im lebenden Körper, als ausser ihm vor Fäulniss bewahrt, was
nicht bloss das Abschliessen von der Luft verursacht, da sonst
bei gesunkenen Kräften oft schnell Blut und Eiter im Körper
sich zersetzen. Autenrieth Physiol. A . So gewiss nun mit allen
diesen Thatsachen die Existenz einer oft schnell wirkenden und
räumlich sich ausbreitenden Kraft oder eines impondérable«
Stoffes ist, so wenig ist man berechtigt, denselben mit den bekannten
imponderablen Materien oder allgemeinen Naturkräften,
Wärme, Licht, Electricität, für identisch zu halten, eine Vergleichung
’ die vielmehr durch jede nähere Untersuchung widerlegt
wird.0’ Die Untersuchungen über den sogenannten thierischen
Magnetismus schienen Anfangs einiges Licht über dièse räthsel-
hafte Kraft oder impondérable Materie zu verbreiten. Man
olaubte, dass Bestreichen eines Menschen durch einen andern,
Händeauflegen und dergleichen, merkwürdige Wirkungen hervorbringe
die von einem Ueberströmen des sogenannten thierischen
magnetischen Fluidums herrühren ; ja Einige haben dieses hypothetische
Fluidum sogar durch gewisse Vorrichtungen anzuhäufen
geglaubt Diese Geschichten, sind indess ein bedäuernswerthes
Irrsal von Lug und Trug und Aberglauben geworden, und. es
hat sich nur gezeigt, wie unfähig die meisten Aefzte zu einer
empirischen Untersuchung sind, und wie wenig sie eine Vorstellung
von einer Prüfung haben, die in den übrigen Naturwissenschaften
zur allgemeinen Methode geworden ist. Kein einziges
Factum existirt über diesen Gegenstand unzweifelhaft, als die Gewissheit
unendlicher Täuschungen ; in der Empirie der Arzneikunde
zeigt sich auch keine Thatsache, welche sich mit diesen
wunderbaren Dingen in Verbindung bringen hesse, als jene oft
wiederholten, aber auch der Bestätigung bedürfenden Berichte
von der Heilung gelähmter Menschen, deren Glieder man in
frisch geschlachtete Thiére gehüllt, und die gerne geglaubten
Mährchen von Verjüngung der Alten und Kränklichen in dem
Umgang und in der Ausdünstung gesunder Kinder, und umgekehrt.
So viel wir jetzt gesehen haben, bestehen die organischen
Körper aus Materien, welche eine eigene, in der unorganischen
Natur nicht vorkommende, nämlich ternäre, quaternäre oder noch
mehrfache Combination der Elemente zeigen; diese Combinatio-
nen erzeugen sich nur in den organischen Körpern, so lange sie
thätig sind oder leben. Die organischen Körper Bestehen- ferner
aus Organen, d. i. qualitativ verschiedenen Gliedern des Ganzen,
die den Grund ihrer Erhaltung in dem Ganzen habe»; sie bestehen
nicht allein daraus, sondern sie erzeugen aus eigener Kraft
diese Glieder des Ganzen ; das Leben ist daher keine blosse Folge
der Harmonie und Wechselwirkung dieser Glieder, sondern beginnt
sich zu äussern mit einer in der Materie des Keimes wirkenden
Kraft, oder imponderabeln Materie,, welche in die Zusammensetzung
derselben eingeht und der organischen Combina-
tion Eigenschaften mittheilt, die mit dem Tode aufhören.
Das Wirken der organischen Kraft ist aber nicht unbedingt.
Die zum Leben nothwendige Mischung und Kraft kann vorlian-
den seyn und sich doch nicht durch Lebenserscheinungen äussern,
und dieser ruhige Zustand der organischen Kraft, wie. er in
dem unbebrüteten befruchteten Keime des Eies, im Pflanzenei, so
lange es nicht keimt, stattfindet, muss wohl von dem Tode unterschiedenwerden.
Est ist auch nicht Leben, sondern specifische
Lebensfähigkeit. Das Leben selbst, die Aeusserung der organi-
I sehen Kraft, beginnt mit der Einwirkung gewisser Bedingungen
des Lebens, wie der Wärme, der atmosphärischen Luft, bei den
. Eiern, die im Wasser ausgebrütet werden, der im Wasser aufge-
; lösten Luft, und der Zufuhr befeuchteter Nahrungsstoffe, also des
j Nahrungsstoffes und Wassers, und diese Bedingungen bleiben für
| das Leben nothwendig, so lange es' sich äussern soll.
Das Thier- und Pflanzenei bleibt nur so lange Keim, als es
‘ vollkommen ruhig in keiner Wechselwirkung mit der Aussenweli
erhalten wird; es bleibt dann entwicklungsfähig, und die schaffende
Kraft des Keimes erhält sich, aber sie bleibt ruhig, ohne
sich zu äussern. So können Eier der Thiere ihre Entwickelungsfähigkeit
lange behalten, wenn sie nur der Einwirkung der Luft
und Wärme entzogen werden. So erhält sich die Keimkraft vie-
: le.r Insecteneier im Winter, und Eier von Insecten der überseeischen
Länder kommen in botanischen Gärten Europa’s aus, wie
ich davon selbst ein Beispiel kenne. So soll sich die Keimkraft
der Samen vieler phanerogamischen Pflanzen unter Wasser bis
20 Jahre, unter der Erde ausser aller Einwirkung der atmosphärischen
Luft bis 1001 Jahre erhalten. Ann. d. Sc. nat. T. V. 380.
T reviranus führt Beobachtungen von van Swieten an, dass Mimosenkörner
nach 80, und Bohnen nach 200 Jahren noch gekeimt
hatten, Und citirt-eine andere Beobachtung, dass man sogar
eine vielleicht 2000 Jahre alte Zwiebel aus der Hand einer
Aegyptischen Mumie noch zum Treiben gebracht habe. T revi-
känus Erscheinungen u. Gesetze des organischen L,ebens. p. 47. Sobald
aber jene Einflüsse der äussern Natur einwirken, entwickelt
sich entweder der Keim, wenn er zur Entwicklung geeignet ist,
oder der Keim fault, wie dann auch der schon entwickelte Organismus,
wenn die zur weitern Entwickelung nöthigen äusseren
Bedingungen fehlen, entweder scheintodt-wird, wie im Winter-
ischlaf, oder ganz abstirbt. Die ruhende Lebenskraft des Keimes
[bedarf also zwar keiner äusseren Reize zu ihrem ruhigen Fortbestehen,
wohl aber das entwickelte und sich äussernde Leben,
j Die zum Leben nothwendigen äusseren Bedingungen, Wärme,
■Wasser, atmosphärische Luft und Nahrungsstoff, bringen, indem
sie das Leben unterhalten, beständig Stoffveränderungen in den
organischen Körpern zu Stande, so dass sie sich mit den organischen
Körpern verbinden, während Bestandtheile der organischen