856 lll. Buch. Nervenphysik. V.Abschn. Centrdlthei/ed.Neivcnsyst.
doch scheint die Theilung desselben und des Fornix, nach einer
Beobachtung- von R eil (R'eil’s Archiv. 11. 341.) ^.ur Ausübung
der Gliederen Seelenthätigkeiten nicht nöthig. R eil
fand diesen Mangel hei Erhaltung der Commissuren bei einer
stumpfsinnigen Frau, die gleichwohl zu gewöhnlichen Aufträgen
und Geschäften, wie Botenlaufen, fähig war. Dass man bei
einer chronischen Hlrnwässefsucht mit Zerstörung des/Balkens
Blödsinn beobachtete, beweist wegen der Complication nicht viel.
Indessen bat man hei Blödsinnigen schon Geschwülste und Hyda-
tiden auf dem Balken gefunden , und L a P eyronnie beobachtete
bei Verletzung des Balkens Verlust des Gedächtnisses. Die hieher
gehörigen Beobachtungen findet man von T reviranus (Biol. 6.
258.) und B urdach a. a. O. gesammelt. Directe Versuche über
die Bedeutung des Balkens, sind noch wenige gemacht. Saucerotte
durchschnitt den Balken bei einem Hunde; es erfolgte Betäubung
mit heftigem Schütteln und Schluchzen. Das Thier sah und
hörte, aber roch nicht, und empfand nicht an den Ohren, an
der Nase und bei Verletzungen der Muskeln. Burdach 3. 486.
, R olando machte dieselbe Operation an einer Ziege, ,a. .a. O. 2.
218. D as Thier stand einige Zeit unbeweglich, wurde darauf
unruhig und lief vorwärts. Es wurde zwei Tage erhalten; all—
mählig wurde es schwach, konnte sich kaum erheben, und zitterte
am ganzen Körper, der kalt war.
Die Bedeutung der Hypophysis und der Zirbeldrüse sind .so
gut wie gänzlich unbekannt. Greding: fand zwar bei Seelenkrankheiten
öfter Krankheiten der Hypophysis; allein man hat. in
Geisteskrankheiten schon in allen Theilen des Gehirns EntartunT
gen gefunden. W enzel fand die Hypophysis bei Epileptischen,
öfter krankhaft. Burdach 3. 467. D esgarte.s Hypothese, dass
der Sitz der Seele in der Zirbel sey, ist längst vergessen und aufgegeben.
Diese zeigt , sich -nach Georget’s Erfahrungen in.Geisteskranken
sogar selten verändert, Burdach 3. 467.
Die Anwendung der Resultate der pathologischen Anatomie
auf die Physiologie des Gehirns kann übrigens immer nur sehr
beschränkt seyn. Wir kénnen die Gesetze der Mittheilung zwischen
den verschiedenen Hirntheilép nicht, und wir können nur
im Allgemeinen für gewiss annehmfen, dass eine organische Krankheit
in einem Theue des Gehirns auch Veränderungen der Function
anderer Hirntheile nach sich zieht; ohne daès wir immer
aus diesen und den pathologisch-anatomischen "Resultaten sichere
Schlüsse machen dürften. Degenerationen in den verschiedensten
Theilen des Gehirns, welche nach den Versuchen nicht unmittelbar
mit den Central.organen des Sehsinnes Zusammenhängen,
bewirken gleichwohl oft Blindheit; diess darf uns um so weniger
wundern, als wir selbst in Rückenmarkskrankheiten, wie. bei der
Tabes dorsalis, öfter Amblyopie erfolgen sehen. Dasselbe gilt von
der Bedeutung der organischen Veränderungen der verschiedenen
Hirntheile in Beziehung auf die Geisteskrankheiten, bei welchen
sich öfter Degeneration in Hirntheilen vo'rgefunden hat, die nicht
der wesentliche- Sitz der intellectuellen Functionen sind. Die
verdienstlichen Sammlungen und Berechnungen, welche Burdach
über die Coincidenz der Degenerationen der Gehirntheile. mit
3. Vom Gehirn. Mechanik, der Hirnwirkungen. 857
gewissen Veränderungen der Functionen gegeben hat, liefern für
das Ebengesagte eine Fülle von Beispielen. Ferner muss bemerkt
werden; dass eine chronische Veränderung im Gehirne, wenn
sie bl oss,durch Drück wirkt, und keine volle Atrophie der ge-‘
drückten Theile erzeugt, durch ihre allmähiige Entwickelung die
afficirten Theile-vorbereiten und an ihr Daseyn gewöhnen kann.
Daher der grosse Unterschied der plötzlichen und chronischen
Verletzungen des Gehirns in Hinsicht der Folgen. So konnten
z. B. so wichtige Theile, wie die Värolsbrücke und die Hirn-
sehenkel, durch eine langsam sich entwickelnde perlartige Fettgeschwulst
in ihren Wirkungen nicht wesentlich verändert werden,
wie ein von Cruveilhier {Anal. palh. Uvr. 2.) mitgetbeilter
Fall beweist, in welchem weder die Bewegung, noch die Empfindung
alterirt wären.
VII. M e c h an ik des G e h irn s u n d R ü ck enm a rk e s.
Unter Mechanik* des Gehirns und Piückenmarkes versteht
man hier die Gesetze, nach welchen die Verbreitung und Leitung
der Wirkungen in den Faserungen des Gehirns und Rük-
kenmärkes erfolgt; wir reden also hier auch wieder in demselben
Sinne von Mechanik, wie die Physik bei der Mechanik des
Lichtes. So ausgebildet bereits die Mechanik der Nerven ist, so
dunkel ist die der Centraltheile; die Primitivfasern der Nerven in
derselben Scheide zusammenliegend, theilen sich ihre Zustände
nicht mit, und wirken isolirt von den peripherischen Theilen zu
den Centraltheilen und von diesen zurück. Wenn, wie es wahrscheinlich
gemacht worden, diese Fasern Bühren sind, worin das
Nerveumark enthalten ist, so scheinen die Wände dieser Röhren
für ihren Inhalt isolirend zu seyn. Die Gehirn- und Rückenmarksfasern
verhalten sich ganz anders; das Mark ist bei ihnen
nicht in so deutlichen- Schläuchen- enthalten, und zwischen ihnen
hat man, besonders in der grauen Substanz, noch eine ungefa-
serte körnige Masse beobachtet, welche die Leitung von einer
zur andern Faser einigermaassen zu erleichtern scheint, auch da,
wo keine Communicationen derFasern stättfinden. Daher vielleicht
die Mit.theilharkeit der Zustände des Gehirns und Rückenmarkes,
die Erscheinungen' der Reflexion von den Empfindungswurzeln auf
die in Hinsicht des Ursprunges nahen Bewegungswurzeln. Hierauf
wurde bereits in der vorigen Auflage dieser Schrift Werth gelegt.
Nichts destoweniger erfolgt die Leitung in den Faserungen
des Rückenmarkes in der Regel immer leichter in der
Richtung- derFasern als in abweichenden Richtungen; sonst -wäre
die motorische Excitation der Ursprünge gewisser Nerven ales
Rumpfes, und die kreuzende Wirkung des Gehirne auf die Spinalnerven
nicht möglich. Die Gesetze der Leitung der grauen Substanz
im Innern des Gehirns und Rückenmarkes und auf der Oberfläche
des grossen Gehirns sind uns gänzlich unbekannt. Auch
müssen Avir uns bescheiden, die Mitwirkungen der Faserungen
bei allen intellectuellen Functionep des Gehirns von unseren Betrachtungen
gänzlich auszuschliessen.