
zeln der Nerven für die unteren Extremitäten. Man hebe die
Wurzeln vorsichtig mit einer Staarnadel auf, ohne etwas vonden
vorderen Wurzeln mit zu fassen, und schneide sie an der Insertion
am Rückenmärke ab. Nun fasst man das abgesehnittene
Ende mit der Pincette und zerrt die Wurzel selbst wiederholt
mit der Spitze der Staarnadel. Man wird sich hei jedem Versuch
dieser Art, auch wenn man ihn unzählige Mal an einer Menge
von Fröschen wiederholt, überzeugen, dass auf die mechanische
Reizung der flinieren Wurzeln niemals auch nur die entfernteste Spur
einer Zuckung in den hinteren Extremitäten erfolgt. Dasselbe kann
man an den sehr dicken hinteren Wurzeln der Nerven für die
vorderen Extremitäten mit demselben Erfolge wiederholen.
Nun hebe man eine der vorderen eben so dicken Wurzeln
der Nerven für die Hinterbeine mit der Nadel aus dem Kanal
des Rückgrats hervor. Schon bei der leisesten Berührung dieser
Wurzeln erfolgen sogleich die allerlebhaftesten Zuckungen in
der ganzen hintern Extremität. Man schneide auch diese Wurzeln
vom Rückenmark dicht ab, fasse das abgeschnittene Ende
mit der Pincette und zerre die angespannte Wurzel mit der Nadelspitze.
Bei jeder Reizung erfolgen die lebhaftesten Zuckungen.
Durch Wiederholung dieser Versuche an einer grossen Zahl
von Fröschen kann man sich überzeugen, dass* es durchaus unmöglich
ist, durch die hinteren Wurzeln der Spinalnerven bei
Fröschen Zuckungen zu bewirken, dass dagegen die geringsten
Reize auf die vorderen Wurzeln sogleich das Spiel der heftigsten
Zuckungen bewirken.
So lange beiderlei Wurzeln noch mit dem Rückenmark verbunden
sind, kann man durch zerrendes Aufheben der hinteren
Wurzeln und die dadurch bewirkte Zerrung am Rückenmark
selbst auch Zuckungen in den Hinterbeinen bewirken. Diese
entstehen aber nicht durch die hinteren Wurzeln selbst, sondern
durch das zugleich gezerrte Rückenmark, dessen Reizung durch
die vorderen öder motorischen Wurzeln auf die Muskeln wirkt.
Wenn daher vorher die vorderen M^urzein durchschnitten worden
, so kann die Zerrung des Rückenmarks, oder der hinteren,
noch mit dem Rückenmark zusammenhängenden Wurzeln auf
keine Art die geringste Spur einer Zuckung erregen.
Eben so entscheidend sind die Versuche mit Anwendung
des Galvanismus durch einfache Zink- und Kupferplatten.
Die Reizung der ab geschnittenen vorderen Wurzeln durch den
Galvanismus bewirkt sogleich die heftigsten Zuckungen; die galvanische
Reizung der hinteren Wurzeln bewirkt niemals eine Spur von
Zuckung. Dieses Resultat ist äusserst merkwürdig und war mir
ganz unerwartet; denn ich hatte mir gedacht, dass, wenn .«juch
die hinteren Wurzeln bloss empfindend sind, sie doch fähig wären,
das galvanische Fluidum bis zu den Muskeln zu leiten, und
es ist sogar unvermeidlich, dass bei heftigem galvanischen Reize
einer sehr starken Säule das galvanische Fluidum durch die hinteren
Wurzeln so gut, wie durch jede thierische Substanz geleitet
wird (so wie es in Magendie’s Versuchen erging). Allein es
ist ganz gewiss, dass der galvanische Reiz eines Plattenpaares
durch die hinteren Wurzeln nicht auf die Muskeln wirkt,
durch die .vorderen Wurzeln sogleich Zuckungen erregt, dass
der mechanische Reiz einer Nadel bei den stärksten Zerrungen
niemals eine Spur von Zuckungen durch die hinteren Wurzeln
hervorruft, während die geringste Zerrung an den vorderen
Wurzeln sogleich lebhafte Zuckungen bedingt. Bei der Anwendung
des Galvanismus auf die hinteren Wurzeln muss man sich
sehr hüten, dass die Platten irgendwo andere Theile berühren.
Die Art, wie Bell und Magehdie den BELL’schen Lehrsatz
zu beweisen suchten, lässt sich auch mit dem sichersten Erfolge
bei Fröschen anwenden. Durchschneidet man bei demselben
Frosch auf der linken Seite alle 3 hinteren Wurzeln, auf der rechten
Seite alle 3 vorderen Wurzeln der Nerven für die Hinterbeine,
so ist an dem linken Bein die Empfindung, an dem rechten Bein
die Bewegung gelähmt. Schneidet man dann am rechten Bein,
welches noch Empfindung, aber keine Bewegung hat, den Fuss
ab, so zeigt der Frosch den grössten Schmerz in allen Theilen
des Körpers durch Bewegungen, aber das rechte Bein selbst, an
dem er doch den Schmerz fühlt, kann er nicht im geringsten
bewegen. Schneidet man dagegen am linken Bein, welches keine
Empfindung aber noch Bewegung hat, den Fuss ab, so fühlt es der
Frosch gar nicht. Dieser Versuch ist wohl der überraschendste
von allen, und giebt entscheidende Resultate, nicht halben Erfolg,
weil man beim Frosch gewiss ist, die AVurzeln der Neiven des
Hinterbeins sämmtlich zu dürchschneiden, indem es nur sehr wenige,
aber dicke Wurzeln sind.
Diess sind die Versuche, welche keinen Zweifel mehr an
der Wahrheit des BELL’schen Lehrsatzes übrig lassen.
Ich bemerke noch, dass das Abscb neiden der hinteren Wurzeln
vom Rückenmark oft ganz deutlich mit Schmerzensäusserun-
gen am Vordertheil des Rumpfs verbunden ist.
Bei den Versuchen, wovon bisher die Rede gewesen, wird
der galvanische Reiz nur auf die Wurzeln, die vorher dicht am
Rückenmark abgeschnitten worden, angebracht, indem man beide
Pole auf das Wurzelende wirken lässt, und also einen galvanischen
Ström durch die Dicke der Nervenwurzel erregt. Nun ist
es bekannt, dass die Rumpfnerven, die aus der Verbindung der
beiden Wurzeln entstehen, ZuckuDgen erregen, sowohl wenn sie
selbst galvanisch irritirt Werden, als wenn der eine Pol auf den
Nerven, der andere Pol auf den Muskel wirkt, indem im ei'ste-
ren Falle der galvanische Strom nur quer durch die Dicke der
Nerven, im letzten Falle vom Nerven bis zum Muskel in der ganzen
Länge des Nerven durchgeht.
Ich wünschte jetzt zu wissen, und jeder wird die Frage
stellen, ob die hintere Wurzel, indem sie unfähig ist, bei der
unmittelbaren Reizung Zuckungen zu erregen, zugleich unfähig
ist, das galvanische Fluidum zu den Muskeln zu leiten, wenn die
hinteren Wurzeln mit dem einen Pol, die Muskeln mit dem
andern Pol in Verbindung gebracht werden. Hierdurch entstand
eine Reihe interessanter Experimente, welche eben so constaute
Resultate gaben, wie die früher mitgetheilten Beobachtungen und