
erklären, dass das Nervenleiden seinen Sitz selbst über die Stelle
der Durchschneidung nach dem Stamme hinauf ausdehne, und
dass die Narbe des Nerven Schmerzen an dem Stamme errege.
Dass diese später wieder erscheinenden Schmerzen in den äusseren
Theilen empfunden zu werden scheinen, darf uns nicht wundern.
Denn die Stämme der Nerven enthalten noch die Summe
der Fasern, die sich in den Zweigen daraus entwickeln, und da
die örtlichen Empfindungen durch die Verbindungen dieser Fasern
mit dem Gehirne entstehen, so kann ein Nervenstütnpf noch
Empfindungen erzeugen, die in den äüssern Theilen zu seyn scheinen.
Diess kommt noch vor, wenn die äusseren Stücke gar nicht
mehr vorhanden sind. Bei allen Amputirten, die ich untersucht,
gehen die Empfindungen, als wenn die. amputirten Theile noch
vorhanden wären, nie ganz verloren; ich habe Amputirte 12 und
mehr Jahre nach der Operation untersucht. Wenn die Nerven
in dem Arnputationsstumpf lange gedrückt werden, so haben sie
die deutlichen Empfindungen, als wenn das Bein oder der Arm,
die grösstentheils gar nicht mehr vorhanden sind, einschliefen.
Dass diese Empfindungen einige Zeit nach der Amputation sich
verlieren sollen, ist ein Irrtlium der Aerzte und Chirurgen, welche
die Kranken gewöhnlich nur einige Monate sehen.
Von besonderem Interesse sind Gruithuisen’s Beobachtungen
an sich selbst, nachdem er sich den Nervus dorsalis rädialis pol-
licis am hintern Theile des 2. Gliedes durch eine bis auf den
Knochen gehende grosse QuerwundC durch Zufall zerschnitten
hatte. Die linke Seite des Daumrückens war bis uhter den Nagel
ganz unempfindlich. Zur Zeit der Entzündung wurde diese
Hautstelle schmerzhaft und litt an einem dauernden, stechenden
und brennenden Schmerz. (Diess war wohl durch die Entzündung
des Nervenstumpfes vom obern Theile des Nerven verursacht,
und wurde nur scheinbar, wie nach Amputationen, in der
unempfindlichen Haut gefühlt.) Diese Schmerzen verschwanden
nach 8 Tagen mit der Heilung j worauf der unempfindliche Zustand
wieder eintrat. Später trat einige Empfindung, aber eine
nur höchst unbestimmte, ein. G ruithuisen konnte, wenn er die
Augen schloss, auf einer Strecke von 2 Zoll Länge und f Zoll
Breite nicht bestimmen, wo er berührt wurde, und machte Fehler
von 3 — 5 Linien. Wenn er auf die Narbe klopfte, hatte er
die Empfindung von Prickeln unter dem Nagel. 8 Monate, nachdem
er diese Beobachtungen ' angestellt, war die Empfindung
durchaus noch eben so undeutlich-wie früher. Gruithuisen schliesst
mit der Bemerkung, dass die Empfindungseindrücke zwar durch
die Nervennarbe geleitet werden können, allein sie werden nach
ihm in dieser Narbe zu sehr ausgebreitet, als dass sie durch; bestimmte
Nervenfasern dem Sensorium wie von einem bestimmten
Orte kommend erscheinen könnten. Beiträge zur Phjsiognosie und
Eautognosie.- ■ .
Was die Beproduction des .Gehirns und Bückenmarks betrifft,
so liegen keine Thatsachen vor, welche beweisen, dass jemals die
Folgen der Zerstörung der Gehirnmasse ,und des Bückeumarkes
durch die Beproduction der neuen Substanz ganz hergestellt werden.
Arnemann sah zwar bei Hunden nach Verlust von 26 — 54
Gran Gehirn 7 Wochen später die Wunde von neuer gallertartiger
gelblicher Substanz ausgefüllt, die sich leichter als. die Hirnsubstanz
in Wasser löste. Es fragt sich aber, ob diese neue Materie
wirklich Hirnsubstanz ist. .Zerstörungen des grossen Gehirns
an der Oberfläche haben oft keine auffallenden Folgen, wenn sic
nicht mit Druck oder Irritation verbunden sind. Verletzungen
des Bückenmarkes sind bekanntlich leider unheilbar. Das Gehirn
vernarbt nach F lourens (Versuche über die Eigensc/u und Verrichte
des Nervensystems) zwar leicht, aber eine eigentliche Beproduction
der Hirnsubstanz, die Arnemann angenommen, findet nach ihm
nicht statt, indem die verwundeten Theile anfangs zwar aufschwellen,
aber später wieder collabiren und einfach vernarben. Die
.Funktionen des Gehirns' stellen sich zwar oft wieder her; allein
diess geschieht, wenn es geschieht, öfter schon nach einigen Tagen,
und die Beproduction hat wohl nicht allen Antheil daran.
Indess soll doch die Wandung eines Iiirnventiikels, wenn sie in
einer Strecke weggenommen worden, durch Verlängerung der
Binde, sich wieder hers,teilen.
b , Regeneration bei suppurativer Entzündung.
Die eiternde oder suppurative Entzündung bildet sich immer
aus, wenn eine Wunde im exsudativen Stadium der Entzündung
nicht heilen kann. Während der Heilung einer Wunde bei suppurativer
Entzündung wird keine plastische Materie (aufgelöster
Faserstoff),, welche organisirbar ist, - ausgeschieden, der Eiter ist
nicht organisationsfähig. H ome’s Ideen über die Umbildung von
Eiter in Fleischwärzchen,-sind wohl ein gänzliches Missverständnis
« der "Natur. Der Eiter entsteht durch eine Absonderung auf
der Oberfläche oder iip Innern des entzündeten Theiles, wobei
der Eiter im Moment der Secretion nach B rugmans und Auten-
bieth flüssiger und klarer zu seyn scheint. Diese Absonderung,
scheint auf Kosten von durch die Entzündung zersetzter Materie
zu geschehen. Die Eiterkügelelien sind ungleich., meist grösser
als Blutkörperchen, mit. denen sie keine Aehnlichkeit der Gestalt
haben; sie sind entweder abgestossene Theilchen der eiternden,-
Oberfläche, oder entstehen erst wie andere Kügelchen der Secrcte
in dem flüssigen Secretum im Moment der Secretion,. auf ähnliche
Axt wie-die Kügelchen im aufgelösten, Eiweiss bei beginnender.
Coagulation entstehen.
Bei der Heilung der Wunden per pr.imam intentionem im.
Stadio exsudationis der Entzündung, verwachsen die Wundränder
mit Hülfe der organisirbaren aufgelösten Materie des Blutes. Bei
der Heilung, eiternder Wunden entstehen keine neuen Gefässe in
vorher von der Oberfläche exsudirter Materie, sondern-die eiternden
Bänder und der Boden, werden, durch Wachsthum der or-
ganisirten Partikeln vorgeschoben. . Die Meinungen der Schriftsteller
über diesen einfachen. Pr.ocess. waren, zum Theil sehr sonderbar.
Mehrere glauben, bei der Granulation einer eiternden.
Wunde finde zugleich Eiterung und Exsudation von coagulabler.
Materie statt, die sich organisire.. Allein Eiterung und Exsudation,
von organisirharer Materie: schliessem sich, immer aus, und. können