
der Nerven zum Rückenmark keine Aufschlüsse. Wir finden
sehr abweichende Verhältnisse in, der Länge des Rückenmarkes
vor. Beim Igel, dessen Hautmuskel eines bedeutenden Nerveneinflusses
bedarf, während die Haut, mit Stacheln bewaffnet, wenig
der Gefühlseindrücke fähig ist, hört es so frühzeitig auf, dass- die
hintere Hälfte desselben fehlt; bei den meisten anderen Säugethie-
ren nimmt es fast die ganzè Länge des Canalis vèrtebralis ein,
und bei den Kaninchen,, Meerschweinchen reicht es, trotz der
Kürze des Schwanzes, über die Heiligenbeinwirhel hinaus (Des-
moulins, a. a. O. 2. p. 5 3 9 . ) ' zum Beweise, dass seine Verlängerung
nicht allein von der Länge und Stärke des Schwanzes
abhängt. Beim Känguruh, wo der sehr starke Schwanz mehr
zur Stütze als zum- Tasten dient, soll das Rückenmark, nach
D esmouli'ns, nicht länger als bei den Hunden seyn; dasselbe soll
hei den Affen mit Greifschwänzen sich mit einem noch'bedeutenden
Volum bis zu dert Heiligehbeinwirbeln verlängern. Bei
Tetrodon mola, einem" Fisch,' der fast so hoch als lang ist, ist
das Rückenmark auf den ersten Blick gar nicht vorhanden. Das
Gehirn endigt in einem äusserst kurken keilförmigen Stumpfe
des Rückenmarkes, von welchem die Wurzeln der Nerven wie
Saiten in einer vordem und hintern Reihe neben einander ahger
hen. Bei den meisten Thieren ist das Rückenmark ein Strang,
der in dem Grade nicht abnimmt, als Nervenwurzeln von ihm
abgehen, ("wie man . besonders, bei Fischen, Schildkröten sieht),
und der tief unten noch fast eben so dick wie oben ist. Es ist
also wahrscheinlieh, dass die Primitivfasern des Rückenmarkes
vom Gehirn kommend, zwar an den entsprechenden Stellen Wurzelfasern
der Nerven abgeben, dass aber noch viele-andere Fasern
im Rückenmark Vorkommen.
Die Entdeckung, dass die vorderen Wurzeln der Rücken-
inarksnerven bloss motorisch, die hinteren bloss sensibel sind
(siehe oben ,p. 649.),-hat auf die Geschichte der Lähmungen sehr
viel Licht geworfen. Bekanntlich ist zuweilen die Empfindung
eines Gliedes, oder der ganzen Seite, öder der ganzen unteren
Theile des Körpers gelähmt, während die Bewegung unversehrt
ist;* in anderen Fällen ist die Bewegung' gelähmt und die Empfindung
unversehrt; in anderen Fällen sind beide, zugleich gelähmt.
Nun fragt sich, wiederholt sich der Unterschied der sensoriellen
Nerven und motorischen- Nerven auch1 am Rückenmark,
laufen die sensoriellen Fasern von den ^notorischen Fasern des
Rückenmarkes verschieden zum Gehirn ?Di e Verschiedenheit
der Lähmungen scheint diess zu beweisen, denn anders ist es unmöglich,
jene merkwürdigen pathologischen Thatsachén zü erklären.
Aber ein Anderes ist es, bestimmt ankugeben, welches die.motorischen,
welches die sensibeln Theile des Rückenmarkes sind.
Entweder, kann -man sagen, sind die vorderen Stränge, aus welchen
die motorischen Wurzeln entspringen, selbst bis Zum Gehirn
motorisch, die hinteren Stränge, aus welchen die sënsiheln
Wurzeln entspringen, bis zuni Gehirn bloss sensibel; oder, könnte
man fragen, ist,etwa die weisse Rindensübstanz des Rückenmarkes
der einen, die graue Substanz der andern Function bestimmt?
Für die erstere Annahmej welche Bell und Magebdie theilen,
giebt es keine ganz genügenden Beweise, weder experimenteller
noch pathologischer Art. Sichere Experimente sind unmöglich
zu machen; denn indem man durch Schnitt auf die hinteren
Stränge des Rückenmarkes wirkt, drückt man zugleich die vorderen.
So definitiv die Resultate in Hinsicht der vorderen und
hinteren Wurzeln der Rückenmarksnerven sind, so wenig sind
sie es in Hinsicht der vorderen und hinteren Stränge des Rückenmarkes,
die sich überdiess als getrennt nicht einmal anatomisch
nachweisen lassen. Diess habe ich schon hei Bekanntmachung
meiner Versuche über die Wurzeln in meinem französischen Memoire
(ann. des scienc. nat. 1831.) erklärt. Magendie (Journal de
physiol. T. 3. 153.) fand die hinteren Stränge sehr empfindlich,
die vorderen nicht empfindlich, aber sie erregten gereizt heftige
Zuckungen. Später (Journ. de physiol. 3. p. 368.) gab er zu, dass
das ' Resultat nicht'absolut sey. Bäcker (comment. ad quaest. physiol.
Ültraj. 1830.) fand nach Durchschneidung der vorderen
Stränge nur die Bewegung, nach Durchschneidung der hinteren
nur die Empfindung gelähmt; er sah bei Thieren, denen er die
vorderen Stränge des Rückenmarkes im Rückentheil durchschnitten,
nach Vergiftung der Thiere mit Nux vomica bloss in den
vorderen Extremitäten Krämpfe entstehen., Seubert’s Versuche
hatten in Hinsicht der Nervenwurzeln ein -entscheidendes, in Hinsicht
des Rückenmarkes ein unsicheres Resultat. Die vordere Gegend
scheint nach diesen Versuchen vorzüglich, aber nicht allein,
der Bewegung vorzustehen,' die hintere vorzüglich, aber nicht
allein, der Empfindung. Uebereinstimmend damit sind die ältesten
Versuche von Schoeps (Meckel’s Archiv. 1827.), wonach die
Section der vorderen Stränge des Rückenmarkes die Sensibilität
schwächt ) nach der Section* der-vorderen Stränge eine grössere
Sensibilität zurückbleibt, als naöh Section der hinteren Stränge,
nach der Section der hinteren Stränge die Bewegung der Extremitäten
aufhört, die aber wiederkehrt, nach der Section der vorderen
Stränge die Bewegung ganz aufhört; Die pathologischen
Fälle, die man in Seubert’s Schrift '{de fimet. rad. ant. et post,
nerv. spin. Carlsruhae 1833.) zusammengestellt findet, bestätigen
die Hypothese nur zum Theil, mehrere Fälle sprechen geradezu
dagegen, wie auch der Umstand, dass der motorische Nervus ac—
cessorius bei Vögeln und Amphibien ganz aus den hinteren Strängen
entspringt. Bellibgeri {de medulla spinali. August. Taurin.
4823.) behauptet, die'hinteren Wurzeln hätten einen dreifachen
Ursprung von den hinteren Hörnern der grauen Sudstanz, von
der weissen der hinteren Bündel des Rückenmarkes, von den
Seitenbündeln; die vorderen Wurzeln auch einen dreifachen Ursprung
von den vorderen Bündeln, von den vorderen Seitenein-
sehnitten, von den Seitenbündeln. Wären diese Angaben richtig,
was sehr zu bezweifeln ist, so würden die hinteren Wurzeln allein
mit der grauen Substanz Zusammenhängen. Bellibgeri nimmt
ohne Beweise' an, dass die innere graue Substanz der Empfindung,
die weisse der Bewegung vorstehe, dass die vorderen Stränge
des Rückenmarkes und die vorderen Wurzeln der Bewegung dei