
beiden Seiten, wenn die Durchschneidung des N. facialis bloss
einerseits stattgefunden hat, erklärt Backes mit Recht aus dem
passiven Mitbewegen der gelähmten Seite bei dem Zusammenziehen
des Muse, orbicularis oris.
Meine eigenen Versuche über den N. infraorbitalis an Kaninchen
sind folgende: Der N. infraorbitalis erregt, wenn man
ihn auch noch so sehr mit einer Nadel reizt und zerrt, oder mit
der Pincette quetscht, niemals eine Spur von Zuckung in den
Muskeln der Schnauze. Ich schnitt den Nerven dicht an der
Austrittsstelle durch, wobei das Thier ein sehr klägliches Geschrei
und ungeheure Schmerzensäusserungen erhob. Das Ende
des Nerven wurde mit beiden Metallplatten in Verbindung gebracht,
nachdem der Nerv auf eine Glasplatte aufgelegt worden.
Wir sahen keine Spur von Zuckungen in den entblössten Muskeln
der Schnauze. Wohl aber entstanden Zuckungen, als der
N. infraorbitalis mit der einen Platte, die Muskeln mit der andern
Platte armirt wurden, weil in diesem Falle ein galvanischer
Strom bis zu den Muskeln der Schnauze entstand und dort Zuk-
kung erregte, an der der Nerv durch seine Kräfte keinen
Antheil hatte. Als wir darauf auf das isolirte Ende des «Nervus
infraorbitalis beide Pole einer galvanischen Säule von 65
Plattenpaaren wirken Hessen, zeigten sieh hei Berührung an
einzelnen Stellen des sehr breiten Nerven keine Zuckungen in
den Muskeln der Schnauze, wohl aber bei der Berührung an
anderen Stellen kleine Zuckungen, was uns unerwartet war und
was man nur aus zwei Gründen erklären kann: 1. daraus, dass
sich Aeste des Nervus facialis sogleich an den Nervus infraorbitalis
an der Austrittsstelle anschliessen, und 2. daraus, dass
bei einer starken galvanischen/ Säule das galvanische Fluidum
nicht allein wie gewöhnlich den kürzesten Weg von einem zum
andern Pol nimmt, sondern durch alle Leiter auch in Abwegen
sich verbreitet. So erregt ein gequetschter Muskelnerv, über der
gequetschten Stelle galvanisirt, keine Zuckungen mehr, weil die
motorische Kraft unterbrochen ist; allein der Galvanismus wirkt
hindurch auf das untere noch gesunde Stück, wenn man eine
sehr kräftige Säule von 80 —100 Plattenpaaren, und beide Pole
über der gequetschten Stelle anwendet.
Es ist also aus den Versuchen von Bel l, S choeps, Mayo
und meinen eigenen Beobachtungen bewiesen, dass alle Zweige
des Ramus primus und secundus nervi trigemini, welche von aer
gangliösen Wurzel ausgehen,, sensibel und nicht motorisch sind.
Der dritte Ast des N. trigeminus, welcher aus der Portio
minor oder kleinen Wurzel und aus einem 'Theil der Portio ma-
jor zusammengesetzt wird, ist offenbar motorisch und sensibel
wie die Spinalnerven, nachdem sie aus einer gangliösen sensibeln,
und einer nicht gangliösen motorischen Wurzel zusammengesetzt
sind. Diess geht aus dessen Verbreitung hervor. Vergleicht
man nun den N. trigeminus mit den Spinalnerven, so gleicht er
ihnen auffallend in den beiden WTirzeln, beide haben eine gan-
gliöse sensible und eine einfache motorische Wurzel; allein sie
gleichen sich nicht mehr, sobald die Wurzeln zusammengetreten
sind. Denn in den Spinalnerven vermischen sich die Primi-
tivfäden der sensiblen und der motorischen Wurzeln zu neuen
Ordnungen von Nerven, welche motorische und sensible Fasern
enthalten. Beim N. trigeminus dagegen bleibt der grösste Theil
der sensiblen Portio major selbstständig, und der Ramus primus
et, secundus trigemini sind nur sensibel; nur der dritte Ast gleicht
den Spinalnerven, indem er aus der Verbindung der motorischen
Portio minor und eines Theils der sensiblen Portio major entsteht.
Der N. massetericus, temporalis profundus, buccinatorius, die
Rami pterygoidei, N. mylohyoideus die Nerven des levator und
tensor veli palatini und der Nerve des tensor tympani, welche
unmittelbar oder mittelbar aus dem dritten Ast entspringen, sind
■offenbar motorische Nerven. Dass sie aber auch sensible Fasern
enthalten, sieht man an den Zweigen, welche der N. massetericus
dem Kinnbackengelenk giebt. Der untere hintere Theil des
dritten Astes vom Nervus trigeminus enthält dagegen nur sensible
Fasern. Der Nervus auricularis seu temporalis superficialis ist
kein Muskelnerve, er verbindet sich mit dem Nervus facialis, sowohl
mit dem Stamme als seinen Zweigen, und ertheilt diesem
Nerven zum Theil die Sensibilität, die er ausser seiner motorischen
Kraft besitzt. Der Ramus auricularis verbreitet sich bloss
in empfindlichen Thcilen, im äussern Gehörgang, äussern Ohr, in
der Haut des Kopfes.
Der N. atveolaris inferior giebt den N. mylohyoideus nicht
ab, sondern wie Bell bemerkt, haben der N. atveolaris und mylohyoideus
gar keine Gemeinschaft, indem sie auf eine Strecke
bloss parallel neben einander liegen bis zum Foramen alveolare.
Der Stamm des Nerven ist aber offenbar nur sensibel durch die
Zahnnerven und den Ramus mentalis. Dass letzterer Empfindungsnerve
ist, beweist ein von Bell beobachteter Fall. Bei
dem Ausreissen eines Zahnes wurde der N. mentalis mit verletzt
und die Unterlippe empfindungslos (Magendie Journal. T. X. p. 8.).
Dass der N. lingualis keine motorische Kraft besitzt, sondern
Empfindungsnerve der Zunge ist, obgleich er sich auch in dem
Zungenfleisch verbreitet, lässt sich ganz evident beweisen.
Schon D esmoulins bemerkt; dass, wenn man an einem Hunde
den N. lingualis zerrt, das Thier schreit, aber die Zunge unbeweglich
bleibt, dass, wenn man diesen Nerven nach dem Tode
galvanisirt, die Zunge sich nicht bewegt. Ich habe diese Versuche
bei Kaninchen während des Lebens angestellt. 'Der (vorher
durchschnittene) N. lingualis bewirkt keine Spur einer Zuk-
kung, wenn sein peripherisches Ende mit der Nadel gezerrt wird,
und selbst dann nicht, .wenn die beiden Pole einer galvanischen
Säule von 65 Plattenpaaren auf ihn wirken. Wenn man aber
einen Pol auf die Zunge, den andern auf den N. lingualis appli-
cirt, so entstehen Zuckungen, weil der Nerve hier bloss ein feuchter
tbierischer Leiter des galvanischen Fluidums bis zu den Muskeln
der Zunge ist. F bokiep’s Not. 647. Auch M agendie bat
nach Durchschneidung des N. lingualis Empfindungslosigkeit der
Zunge ohne Verlust der Bewegung bemerkt. Ich habe mich
■auch überzeugt, dass der N. lingualis Schmerz empfindet; dass