
ganze Bein schmerzt scheinbar, wenn der Nerve durchschnitten
ist and der Amputationsstampf sich entzündet.
Ich rede nicht von den Träumen der Amputirten, von den
lebhaften Empfindungen des ganzen scheinbaren Beins, wenn der
Stumpf desselben durch die Lage gedrückt wird, da die Empfindung
gewöhnlich bei den Amputirten durchs ganze Leben bleibt.
Beispiele.
1) ,N. N. eine Frau, welche eine Lähmung der Empfindung
am Arme hatte, bekam einen Bruch des kranken Arms, der darauf
in Brand überging und amputirt werden musste im Clin,
chirurg. zu Bonn. Die Amputation war ohne Empfindung. Allein
die Durchschneidung des Nerven, musste die Ursache gewesen
seyn, dass das Gefühl in dem Nervenstamme wieder erregt
wurde. Schon in der Nacht klagte die Frau über Schmerzen in
den Fingern.
2) J oh. W olff, ein Schneidergeselle in Bonn, ist vor 12 Jahrein
am ersten Drittheil des Oberschenkels wegen Caries im Clin,
chirurg. amputirt worden. Er hatte sogleich nöch das Gefühl,
als wäre das Bein vorhanden, uiid klagte die folgenden Tage sehr
über Sphmerzen im Beine bis in die Zehen. In denselben Tagen
wurde ein Anderer am Arm amputirt, der auch darauf über
Schmerzen in der Hand und am ganzen Arme klagte. Diesen
J oh. W olff habe ich nach 12 Jahren untersucht. Er hat immer
noch das Gefühl, als wären die Zehen und die Fussohle vorhanden,
und zuweilen heftige Schmerzen-in der Fusssohle, die er
nicht mehr hat. Zuweilen schläft der Stumpf beim Liegen ein,
und es tritt dann Formicatio in den Zehen ein, die auch sonst
öfter vorhanden ist. Ich legte an den Amputätionsstumpf des
Oherschenkels ein Tourniquet an, so dass der Stumpf des N.
ischiadicus gedruckt wurde; sogleich sagte W olf f, dass ihm das
Bein wie einschlafe, und er konnte ganz deutlich die Formicatio
in den Zehen unterscheiden.
3) N. N., Sfud. chirurg., ein Jude, wurde wegen eines Gelenkübels
am Ellbogen im Oberarme amputirt. Er hatte, so lange er
beobachtet wurde, nicht die Empfindung des verlornen Armes
verloren.
4 ) Herr Stad. S chmidts aus Aachen ist seit 13 Jahren am
Oberarm amputirt; die Empfindungen' in den Fingern haben nie
aufgehört. Herr S chmidts glaubt die Hand immer in einer gekrümmten
Stellung zu fühlen. Das scheinbare Prickeln der Fiu-
ger ist vorhanden, vorzüglich wenn der Stumpf aufliegt und die
Stämme* der Armnerven gedrückt werden. Ich legte einen Druck
gegen die Nervenstämme des Amputationsstumpfes an, sogleich
trat die Empfindung von Einschlafen scheinbar im ganzen Arme
bis in die Finger ein.
5) N. N., mein Commissionär zur Zeit meines Aufenbalts in
Leyden, ist vor 12 Jahren am Oberarm amputirt worden. Er
hat zuweilen Gefühle von Formicatio, wie in den Fingern, besonders
wenn der Arm aufliegt.
6 ) Vir quidam in nosocomio judaico berolinensi, cüi pes sinister,
et alter, cui brachium sinistrum amputatum e ra t, dicebant
ambo, alter post hebd. 14., alter 17.: se per operationum nihil
commodi näctos esse; alter querebatur de dolore vehementi pe-
dis et alter brachii, cum tarnen non tarn male eos habuisset quam
in- primis hebdomadibus post factam- operationem et uterque non
per hebdomades, sed per menses hosce, sensus hujus fallacis di-
minutionem habere fatebätur. Lemos dissert. inaug. <juae dolorem
m em b n amputati. remanentem explicat. Hai. 1798. p. 33.
7) Nunc temporis etiam ibi versatur juvenis, cui ante novem
menses brachium sinistrum demtum est. In hoc eadem sensatio
sub quinto et sexto mense post operationem decessit, sed mense
octavo aliquot dies, ubi vebementior esse coep.it, habuit, ut inter-
diu tantuin ope. ocpii et nocte ope manus alterius jacturae hujus
se convincere posset, Ibid; p. 33. Der Verfasser dieser Dissertation
erklärt das Factum ungenügend aus der Association der beiden
Extremitäten,,, welche selbst erklärt werden sollte.
8 ) Ein Chausseegeldeinnehmer in der Nähe von Halle, dem
in den Freiheitskriegen der rechte Oberarm durch eine Kanonenkugel
zerschmettert und dann amputirt wurde, hat noch jetzt
(1833) bei .Aenderüngeh in der Atmosphäre deutliche rheumatische
Schmerzen im ganzen Arme, und fühlt dann das an 20
Jahre lang entfernte Stück desselben empfindlich gegen Luftzug.
Dass nie die subjective physiologische Empfindung des abgesetzten
Gliedtheils verloren wird, bestätigte auch er vollkommen.
' 9) Ein Mann, dem die Hand amputirt worden, hatte 7 Jahre
nachher, bis , zu seinem Tode noch Schmerzen in der Hand. K lein
in G raefe u . W alther J. j . Chirurgie. 3. 408.
. Man vergi. über die Empfindungen der Amputirten V alentin
in H eck.er’s Annalen. 1836. B. 3. p. 291. Repert. f . Anal,
u. Phys, 1836. p. 328,
,v'JA. Gleichwie sich die relative Lage der Primüivfasern an ihren
Ursprüngen und in den Stämmen nicht ändert, wenn die relative
Lage derselben an ihren peripherischen Enden sich verändert, so richten
sich auch die Ortsempfindungen der Primitivjasern nach der Ordnung ihres
Stammtheils oder Ursprungs und nicht nach der veränderten relativen
Lage ihres peripherischen Endes. Der Beweis davon " liegt
in den Erscheinungen, welche bei künstlicher Lageveränderung
der peripherischen Enden eintreten, wie z. B. bei der Transplantation
von Hautlappen. Wird bei dem künstlichen Nasenersatz
ein Hautlappen der Stirn an der Nasenwurzel umgekehrt
und mit dem Nasenstumpf zusammengeheilt, so hat die angeheilte
Nase, so lange die Brücke an der Nasenwurzel noch nicht durchschnitten
ist, dieselben Empfindungen, wie wenn die Stirnhaut
sonst gereizt worden wäre, ,d. h. man empfindet die Berührung
der neuen Nase an der Stirn. Diess ist eine bekannte chirurgische
Erfahrung, welche zuerst L isfranc machte. Diess dauert
aber natürlich nur so lange, als die .Communication der Nervenfasern
an der Nasenwurzel zwischen der Stirn und der neuen-
Nase noch besteht. Nach dem Durchschneideu jener Stelle hört
diese Versetzung der Empfindung auf; die neue Nase ist anfangs