
7 enform sich unabänderlich durch ihre Producte erhält, und dass
es bei einer ungefähr berechneten Anzahl von so vielen tausend
Pflanzen und Thierarten keine wahren Uebergänge von einer Art
zur andern, von einer Gattung zur andern giebt; jede Familie
der Pflanzen, der Thiere, jede Gattung, jede Art ist an gewisse
physische Bedingungen ihrer Existenz auf der Erde, an eine gewisse
Temperatur und bestimmte physisch-geographische Verhältnisse
gebunden, für welche sie gleichsam erschaffen. In dieser
unendlichen Mannigfaltigkeit der Geschöpfe, in dieser Gesetzmässigkeit
der natürlichen Klassen, Familien, Gattungen und Arten,
äussert sich eine das Leben auf der ganzen Erde bedingende gemeinsame
Schöpfungskraft. Aber alle diese Aften des Organismus,
alle diese Thiere, die gleichsam eben so viele Arten, die
umgebende Welt mit Empfindung und Reaction zu geniessen, sind,
sind von dem Zeitpunkte ihrer Schöpfung selbstständig; die Art
vergeht mit der Ausrottung der productiven Individuen, die Gattung
ist nicht mehr fähig, die Art zu erzeugen, die Familie nicht
fähig, die Gattung hörzustellen. Thierarten sind im Verlaufe der
Erdgeschichte durch Revolutionen der Erdrinde untergegangen
und in den Trümmern vergraben; sie gehören theils ausgestor--
benen, theils noch lebenden Gattungen an.
Das Studium der aufeinander liegenden Erdschichten, worin
die Reste organischer Geschöpfe Vorkommen, scheint zu beweisen,
dass nicht alle Wesen, welche ihre Reste auf der Erde zurückge-
lasssn, zugleich auf der Erde gelebt haben, dass die einfachen
Geschöpfe auch zuerst die Erde bewohnt haben, und die Reste
der höheren Thiere und besonders des Menschen kommen nicht
in den tieferen Lagern solcher Niederschläge vor, welche organische
Reste enthalten. Aber keine Thatsache berechtigt uns zu
Vermutbungen über den erstem oder spätem Ursprung der Geschöpfe,
keine zeigt uns die Möglichkeit, alle diese Verschiedenheiten
durch Umwandlung zu erklären, da alle Geschöpfe die ihnen
gegebene Form unabänderlich erhalten.
Die factische Einheit der organisirenden Kraft und der or-
ganisirten Materie Hesse sich besser begreifen, wenn es sich beweisen
Hesse, dass die organisirende Kraft und alle Lebenserscheinungen
erst die Folge, der Ausdruck, die Eigenschaft einer
gewissen Combination der Elemente, die Folge der Mischung,
seyen. Der Unterschied der belebten und unbelebten organischen
Materie bestände dann darin, dass in der letztem der Mischungszustand
der Elemente verändert worden. In der That hat J oh.
C. R eil den kühnen Versuch einer solchen Darstellung in seiner
berühmten Abhandlung über 'die Lebenskraft, R eil’s Archiv fü r
die Physiologie, I .B d ., gemacht, welche Einige, wie R udolphi,
als ein Meisterstück betrachten, wie allein die Anfangsgründe
der Physiologie gelegt werden müssen. R eil leitet den Grund
der organischen Erscheinungen von der ursprünglichen Verschieb
denheit der der Mischung und Form organischen (Körper'ab.,
Verschiedenheit der Mischung und Form sind nach ihm die Ursachen
aller Verschiedenheit der organischen Körper-und ihrer
Kräfte. Werdén zwei Principien, Mischung und Form, anerkannt,
so bleibt die Aufgabe ungelöst, und es fragt sich jetzt wieder,
wie die Mischung zur Form, die Form zur Mischung kam. Dass
aber die Form der organischen Materie die Art ihrer Wirkungen
nicht ursprünglich bestimmt, zeigt sich darin unwiderleglich, dass
die organische Materie, aus welcher alle Formen entstehen, anfangs
fast formlos ist. Der Keim ist bei allen Wirbelthieren und
wahrscheinlich auch bei den Wirbellosen, wie wir es von einigen
wissen und ich es von Planaria beobachtet habe, eine runde
Scheibe einfacher Materie; wo ist liier die Verschiedenheit der
Form bei der Verschiedenheit der Thiere? Anderseits wird die
Form der unorganischen Körper immer erst durch ihre Elemente
oder die Combination der Elemente bestimmt. Auch giebt diess
R eil selbst wieder zu; denn er sagt p. 17: „Form der Materie
ist schon eine Erscheinung, die in einer andern, nämlich in der
Wahlanziehung der Grundstoffe und ihrer Producte, gegründet
ist.“ Hieraus würde folgen, dass, wenn die Mischung allein die
Ursache der organischen Kräfte wäre, die Mischung selbst zugleich
das formende Princip wäre. Da nun die Mischung in den
der organischen Kräfte beraubten organischen Körpern unmittelbar
nach dem Tode nicht von der Mischung der Elemente wäh-'
rend des Lebens verschieden scheint, so musste R eil annehmen,
dass es noch feinere, von der chemischen Analyse nicht erkennbare
Materien gebe, welche in- dem belebten organischen Körper
noch vorhanden seyen, in dem todten aber fehlen. Es muss allerdings
in die Zusammensetzung der Stoffe im lebenden Körper
noch ein unBekanntes-,- im REiL’schen Sinne feineres, materielles
Princip eingehen, oder die organische Materie muss durch die
Wirkung unbekannter Kräfte die damit verbundenen Eigenthüm-
lichkeiten erhalten. Ob man sich diess Princip als imponderable
Materie, oder als Kraft zu denken habe, ist eben so ungewiss, wie
dieselbe Frage bei mehreren wichtigen Erscheinungen in der Physik,
und die Physiologie ist hier nicht hinter den übrigen Naturwissenschaften
zurück; denn die Eigenschaften dieses Princips
sind in den Wirkungen der Nerven bald eben so gut bekannt,
als die des Lichtes, der Wärme,’ der Electricität in der Physik.
Auf jeden Fall ist die Beweglichkeit dieses Princips gewiss. Wir
erkennen die räumliche Ausbreitung dieses Princips in unendlich
vielen Lebenserscheinungen. Wir sehen, dass steif gefrorne, der
Empfindung und Bewegung beraubte Theile von der Grenze der
belebten Theile allmählig belebt werden, wir sehen diese Mittheilung
noch deutlicher nach dem aufgehobenen Druck eines
Nerven, der das sogenannte Einschlafen der Glieder bewirkt hatte.
Wir sehen den in der Entzündung von der Oberfläche des Organes
ausgeschwitzten Faserstoff belebt und organisirt werden.
Die organische Kraft wirkt über die Grenze der Organe hinaus
bei der Umwandlung der thierischen Materie in den Gefässen,
bei der Umwandlung des Chymus und Chylus, der in den Lymph-
gefässen bei seinem Weiterrücken neue Eigenschaften erhält; sie
i wirkt von den Wänden der'Blutgefässe aus auf das Blut und be-
dingt dessen Ilüssigkeif, während das Blut ausser den Gefässen
fast unter allen Bedingungen gerinnt, wenn es nicht zersetzt wird.