
tremitäten, Mangel an Intelligönz und eine undeutliche Articula-
tion. Im elften Jahre, zur Zeit, wo das Individuum genauer beobachtet
wurde, war die Schwäche in den Extremitäten so gross,
dass es kaum die Beinè bewegen konnte, die nichts'von ihrer
Sensibilität verloren hatten. Die Bewegung der Arme war gestattet;
der intellektuelle Zustand war stumpfsinnig. Die Person
starb an einer entzündlichen Krankheit. Die Fossae occipitales
inferiores waren mit Serosität gefüllt. Statt des kleinen Gehirns
fand sich nur eine kleine häutige Qnerbinde über dem verlängerten
Marke, die jederseits in eine Haselnuss grosse Anschwellung
überging. Der Pons fehlte durchaus, die Oliven waren undeutlich.
Alan sehe die Abbildung bei Cruveilhier livr. 15.
VI. Von d e n H e ro isp h ä re n des g ro s s e n Geh irn s.
Schon die stufenweise Entwickelung der Hemisphären des
grossen Gehirns bis zum Menschen, die Coincidenz der Atrophie
und des Mangels der Windungen derselben mit Idiotismus zeigen,
dass man in diesem Organsysteme des Gehirns den Sitz dér höheren
Seelenthätigkeiten- suchen muss. Es ist aber auch direct durch
Versuche bewiesen, dass dem-so ist. Besonders- sind F lourens
Versuche auch in diesem Punkte sehr lehrreich geworden, und
H ertwig’s Versuche haben sie im Wesentlichen nur bestätigen
können. Die Hemisphären des grossen Gehirns zeigen beim Anstich
und Anschneiden selbst keine Empfindliehheit. Der Ort
des Gehirns, wo die Empfindungen zu Vorstellungen gestaltet,
die Vorstellungen aufbewahrt werden, Um gleichsam als Schatten
der Empfindung wieder zu erscheinen, ist selbst nicht empfindlich.
Diese Erfahrung, die auch H ertwig machte, stimmt aueh
mit Erfahrungen am Menschen bei Kopfverletzungen überein;
denn oft genug hat man schon beobachtet, wo man hervorgequollene
Theile des "Gehirns von den gesunden ablösen musste,
dass diess auch bei einem Subjecte mit klarem BewüsStseyn ohne
alle Empfindung geschehen kann. Bei der Verletzung der Hemisphären
entstehen auch keine Convulsionen,' sondern die einzige
constante Folge jeder, tiefem Verletzung der Hemisphären
ist Blindheit des Auges der entgegengesetzten Seite, und
Stumpfsinn. Dass die oberen Theile der Hemisphären keine Muskelzusammenziehungen
bewirken können, haften schon Halber
und Z ins gefunden. Auch die Corpora striatay die Sehhügel bewirken
gereizt nach F lourens keine Zuckungen, und LoRRy hatte
dasselbe schon von dem Corpus callosom au'sgemittelt. p
Die von F lottress und H ertwig über die Function der Hemisphären
an verschiedenen Thiereri angesteWten Versuche Stimmen
im Allgemeinen sehr überein. Ich werde das sehr interessante Detail
eines Versuches von F lourens an einer Taube mittheilen. Als
F lourens der Taube die rechte Hemisphäre weggenommen hatte,
war sie auf der entgegengesetzten Seite blind. Gleichwohl dauerte
die Contraetilität der Iris auf diesem Auge fort,' aus. Gründen,
die schon oben p. 848. angegeben worden. In allen Thei-
len der, entgegengesetzten Seite des Rumpfes zeigte sich eine
deutliche Schwäche. Diese Schwäche ist indess nach F lourens
sowohl in Hinsicht des Grades als der Dauer eine veränderliche
Erscheinung. Bei allen Thieren kommen die Kräfte bald wieder
ins Gleichgewicht, und das Missverhältniss zwischen beiden Seiten
stellt sieh wieder her. Die Taube sah auf der verletzten
Seite sehr gut, sie hörte, stand, ging, flog ohne Hinderniss. Nach
Wegnahme beider Hemisphären entsteht Verlust des Gesichtes
und Muskelsehwäche, die jedoch weder bedeutend noch an-
IB haltend- ist. Eine solche Taube flog, wenn man sie in die Luft
warf; sie ging, wenn man sie stiess. Die Iris war in beiden Augen
beweglich; die Taube höx’te nicht, sie bewegte sich nicht frei-
I
willig, immer'zeigte sie sich in der Art eines schlafenden Thie-
res, und wenn man sie reizte, so zeigte sie das Wesen eines er-
■ wachenden Thieres. In welche Lage sie nun auch gebracht
wurde, so setzte sie sich ins Gleichgewicht; auf den Rücken gelegt,
stand sie auf; Wasser, das man ihr in den Schnabel gab,
I trank sie; sie widerstrebte den Bemühungen', den Schnabel zu
öffnen.' F lourens vergleicht ein solches Thier mit einem Wesen,
das immer zu schlafen genöihigt ist, aber seihst das Vermögen
zu träumen verloren hat. Die Versuche an Säugethieren fielen
fast eben so aus. H ertwig’s 'Versuche stimmen mit denen von
F lourens überein. . Er fand- die Hemisphären des grossen Gehirns.
nicht empfindlich, und’ nur hei der Verwundung der Basis
des Gehirns' zeigte ein. Hund Zeichen _des Schmerzes. Ein Hund,
dem H ertwig Beide Hemisphären weggenommen, bewegte sich
nicht mehr freiwillig von dem Orte, wo -er lag, sondern war
ganz stumpfsinnig; angeregt, that er einige Schritte, sogleich
fiel er aber wieder zu Boden und in Schlafsucht. Einen
Schuss hörte er nicht. Eine Taube, welcher H ertwig den ohern
Theil der Hemisphäre wegnahm, hatte Gesicht und Gehör verloren,
und saäs1 wie schlafend da.- Er fütterte sie; Erbsen, die ihr
bloss in den Schnabel gegeben wurden, verschlang sie nicht, wohl
aber, wenn sie auf die Zunge gelegt wurden (Reflexion); die Muskeln
waren wenig geschwächt; sie stand fest und flog, in die
Luft geworfen. Dieser Zustand dauerte bis zum 15. Tage, wo das
Gehör und die Empfindlichkeit grösstentheils wiederkehrten; diese
Taube lebte drei Monate. Eine Henne, der beide Hemisphären
bis fest auf die Basis ausgeschnitten waren, hatte Gesicht, Gehör,
Geschmack, Geruch verloren, sass immer an einem Orte
und gab kein Zeichen von sich,, bis sie heftig angeregt, einige
Schritte that. In diesem Sopor lebte das Thier ohne Wiederherstellung
der Sinnesthätigkeit drei Monate. S chobps hat ähnliche
Versuche angestellt. Meckel’s Archiv. 1827.
Offenbar, wie aus diesen Versuchen und den Folgen- des Drucks
auf die Hemisphären - des Menschen hervorgeht, sind diese Theile
des Gehirns der Sitz der Seelenfunctionen, der Ort, wo die Empfindungen
nicht bloss bewusst werden, sondern zu Anschauungen,
Vorstellungen umgeschaffen, und von wo aus die Seeienthätigkeit
als Aufmerksamkeit bald mehr- diesem, bald jenem Theile der
sensoriellen Einwirkungen sieh zuwendet. Welcher Unterschied
in Hinsicht der Kräfte der grauen und markigen Substanz