
so würde man diese Frage bis zur Gewissheit entscheiden können;
allein die Narkotika, welche an Nerven applicirt, diesen ihre
Fähigkeit nehmen, auf Reize, die auf die Nerven angebracht werden,
Bewegung der mit ihnen verbundenen Muskeln hervorzuru-
fen, wirken eben so auf die Muskeln applicirt und machen sie
unfähig, durch Reizung der Nerven ihre Zusammenziehungskraft
zu äussern. Das Opium auf das Herz eines Frosches angewandt,
hebt dessen Bewegungen bald auf, (sehr schnell wenn es auf die
innere Fläche des Herzens angewandt wird, viel später, wie
H enry zeigte, wenn es auf dessen äussere Fläche applicirt wird).
Indessen beweist die plötzliche Veränderung und Stockung des
Herzschlages nach einer gewaltsamen Zerstörung des ganzen Riik-
kenmarkes jedenfalls, das die Nerven des Herzens einen grossen
Antheil an dessen Bewegungen haben.
Oh dieser 'Einfluss unmittelbar von den Herznerven und ihren
Quellen, dem Nervus sympathicus'ausgehe, oder oh das Gehirn
und Rückenmark diese Nerven mit derjenigen Kraft versehen,
wodurch sie die Bevregungskraft des Herzens erhalten, ist
eine andere Frage. DieseFrage wurde vorzüglich durch B ichat in
Anregung gebracht. B ichat trennte .genauer die Functionen der
physiologisch verschiedenen Nervenstämme, der Cerebro-Spinal-
Nerven und des Nervus sympathicus. Die Nerven des Gehirns
und Rückenmarkes, welche wiilkührliche Bewegungen veranlassen
können, wenn sie sich in Muskeln verbreiten,- sind in einer grossen
Abhängigkeit von diesen Organen; die Unterbrechung ihres
Zusammenhanges mit dem Gehirn oder Rückenmarke lieht' ihren
Einfluss zur Erregung witlkührlicher Bewegungen auf. Die Nerven
des Rückenmarkes sind eben, so gelähmt, wenn die Leitung
zwischen ihnen und dem Gehirn durch Verletzung des Rückenmarkes'
aufgehoben ist, obgleich ein vom Gehirn oder Rückenmarke
getrennter Nerve bei mechanischer oder galvanischer Reizung
noch unwillkührliche Bewegung des mit ihm verbundenen
Muskels bewirkt. Die von dem Nervus sympathicus versehenen
Theile, Herz, Darmkanal, Uterus etc., haben dagegen nur unwillkührliche
Bewegungen; der Nervus sympathicus hängt nicht unmittelbar
mit dem Gehirn und Rückenmarke, wie die Cerebro-
Spinalnerven, sondern nur mittelbar durch Vermittelung der
letztem zusammen. Bichat nannte das System der Cerebro-
Spinalnerven das animalische, das System des Nervus sympathicus
das organische Nervensystem, schrieb dem letztem eine gewisse
Unabhängigkeit von Gehirn und Rückenmark zu, und betrachtete
die Ganglien und Geflechte des N. sympathicus als dessen
Centraltheile. In der neuern Zeit ist die nach dem Kreisläufe
des Blutes zweite grosse Entdeckung gemacht worden, nämlich,
dass die Spinalnerven, welche durch eine vordere oder hintere
Wurzel von dem Rückenmarke entspringen, durch die-vordere
Wurzel im Stande sind, Bewegungen in den Muskeln hervorzurufen,
durch die hintere Wurzel, welche mit einem Ganglion
versehen ist, aber empfindend sind. Bell hat diese Entdek-
kung gemacht, und ich habe bewiesen, dass mechanische und
galvanische Reize, auf die hinteren Wurzeln der Spinalnerven applicirt,
nicht im Stande sind, Bewegung in den Muskeln zu erregen,
zu welchen die Spinalnerven hingehen. Siehe IH. Buch.
S carpa hat nun in der neuern Zeit zu zeigen gesucht, dass der
Nervus sympathicus, der in der Brust mit dem Anfänge der Spinalnerven
zusammenhängt, doch bloss mit den hinteren Würze n
der Spinalnerven, nicht aber mit den vorderen in Verbindung
stebe, und dass also der Nervus sympathicus weder vom Rückenmarke
aus zur Erregung des Herzens bestimmt werden könne,
noch selbst motorische Kraft besitze. S carpa de ganglus nervorum
deque origine et essentia n. intercostalis ad H. W eber. Annal. um-
vers. d. medicina. Magg. e Giugn. 1831. W utzer’s und meine eigenen
Untersuchungen, so wie die von R etzius und Mayer, haben
indess gezeigt, dass S carpa’s spätere Ansicht unrichtig ist, und
dass die Rami communicantes inter n. sympathicum et nervös spinales,
sowohl von der vordem motorischen, als von der hintern
sensibeln Wurzel der Spinalnerven ihre Fäden erhalten. Siehe
Meckel’s Archiv 1831. 1. p- 85. u. 260.
Mit der Untersuchung des Einflusses des Rückenmarkes und
Gehirns auf die Bewegungen des Herzens haben sich auf experimentellem
Wege besonders L egallois, P hilip, T reviranus, Nasse,
W edemeyer, Clift und F lourens beschäftigt.
L egallois trat mit neuen Thatsachen in seinem Werke [exp.
sur le principe de La nie. Paris 1812.) hervor, nach welchen der
Grund der Herzthätigkeit nur in dem Rückenmarke gelegen seyn
sollte. L egallois Beweise lassen sich auf folgende Hauptpunkte
Zerstört man bei einem Tbiere den Cervicaltheil des Rückenmarkes
und die Medulla oblongata, so hört das Atlimen wegen
der Zerstörung der Quelle der Athemnerven, nämlich der Medulla
oblongata und des Rückenmarkes, auf. Der Herzschlag dauert
schwächer noch fort, ohne längere Zeit den Blutlauf unterhalten
zu können, und die zur Unterhaltung der Circulation nö-
thige Stärke der Herzbewegung lässt sich durch künstliche Respiration
nicht erwecken. Die theilweise und in Pausen aufeinander
folgende Zerstörung des Rückenmarkes unterhält die Herzbewegung
länger als die plötzliche Zerstöiung.
Der Kreislauf des Blutes hört auch auf, wenn man nur den
untern Theil des Rückenmarkes durch Einstossen eines Griffels
vernichtet. Auch dann wird er durch küustliche Respiration
nicht wieder erregt.
Aus diesen Versuchen schloss L egallois, dass der Nervenein-
fluss auf die Herzthätigkeit von dem Rückenmarke ausgehe, und
zwar nicht von einem bestimmten Theile des Rückenmarkes, sondern
von dem ganzen Rückenmarke. W enn diess wahr ist, schloss
L egallois ,. so wird nach Zerstörung eines Theiles des Rückenmarkes
die Nervenkraft des unversehrten Theiles nicht menr hinreichen,
das Herz zur Bewegung der ganzen Masse des Blutes zu
' erregen. Allerdings wird sie aher hinreichen, bei künstlichem
Athmen das Blut durch einen Theil des Gefässsystems zu treiben.
L egallois “schloss weiter, dgss, wenn man nach partieller Zerstörung
des Rückenmarkes den Weg des Blutes durch das ganze
Muller’s Physiologie. 1. 13