
k. Drüsengewebe.
Wenn auch gewisse Krankheiten, wie die Scrofelsucht- und
der Krebs, die Tuberkeln, als Bildungskrankheiten vorzüglich
das drüsige Gewebe ergreifen, so ist doch ein allgemeines Leiden
des Drüsengewebes int diesen Krankheiten nicht aus Sympathie zu
erklären, sondern es liegt in der Natur didser Krankheiten, dass
sie diess Gewebe besonders ergreifen, und die .Verbreitung geht
nicht so sehr von einer örtlichen Reizung, sondern von einer
allgemeinen Anlage des« Drüsengewebes aus, die sich dann zu
einer vollkommenen Krankheit ausbildet, wenn das Drüsengewebe
örtlich gereizt wird. Gleichwohl ist es nicht zu bezweifeln,
dass, wenn eine Krankheit in einer einzelnen Drüse beginnt,
sie durch die Sympathie der verschiedenen Theile der Drüse
leichter die ganze Drüse, als die fremdartige Umgebung erreichen
wird. Unter die sympathische Reizung des Drüsengewebes
gehört aber folgende Thatsache:
Dass alle Absonderungsorgane, wie sie ihre Reizung auf die
Ausführungsgänge reflectiren, so auch in einen Zustand sympathischer
Reizung gerathen, wenn ihre Ansführungsgänge ursprünglich
gereizt werden; so bedingt die Gegenwart der Speisen im Munde
einen grossem Zufluss des Speichels aus den" Speicheldrüsen, die
Gegenwart einer Sonde in der Blase die vermehrte Absonderung
des Urins aus den Nieren (?), die Reizung der Glans penis eine vermehrte
Absonderung des Samens, die Reizung der .Schleimhaut
des Auges eine vermehrte Absonderung der Thränen. So ist es
ebenfalls, Thatsache, dass, während die Speisen noch im Magen
enthalten sind, der Ausfluss der Galle in den Dünndarm nur
gering, dass sich dieser aber im zweiten Stadium der Verdauung,
wenn der Chymus mit der innern Haut des Dünndarms in Berührung
kommt, sehr vermehrt, und dass umgekehrt im Hunger die
Ausscheidung der Galle sehr vermindert ist.
Die'Materialien, welche wir in diesem Abschnitte mitgetheilt
haben, hat vorzüglich Bichat, in seiner allgemeinen Anatomie,
dem Lichte der physiologischen Anatomie zugänglich gemacht,
ein Werk, welches mehr wahren Inhalt der allgemeinen Pathologie,
als unsere mehrsten Lehrbücher der allgemeinen Pathologie
enthält. Auf welche Art die Sympathien der verschiedenen
Theile eines Gewebes erfolgen, ist schwer zu entscheiden. Einige
leiten dieselben unabhängig von den Nerven, von der Gleichheit
und dem continuirlichen Verlaufe eines Gewebes ab. Ist die
Verbreitung der Entzündung z. B. durch diese Art von Anstek-
kung möglich ? Ist die Materie eines Gewebes unabhängig von
dem Einfluss der Nerven fähig, durch eine Art von Affinität der
Gewebetheile.gegen einander, eine Reizung weiter zu leiten? Wir
sind nicht im Stande, diese Frage zu lösen. Andere leiten die
Sympathien im Verlaufe des Gewebes von den Nerven ab. Dass
viele der hieher gehörigen Erscheinungen auf diese Art erklärt
werden müssen, scheint daraus hervorzugehen, dass auch Schleimhäute,
welche anatomisch nicht Zusammenhängen, seröse Häute,
welche untereinander keine Communications haben, doch Erscheinungen
von Sympathie darbieten. Siehe eben p. 763. Gleichwohl
lassen sich diese Erscheinungen auch so erklären, dass eine in
das Blut aufgenommene oder dort ausgebildete krankhafte Materie
eine Affinität gegen das ganze Schleimhautsystem u. s. w. hat.
Bei der Ausbreitung der Empfindungen in den verschiedenen
Theilen eines Gewebes sind aber offenbar die Nerven mit thätig;
und hier fragt es sich, nun, ob die Irradiation z. B. in den
Schleimhäuten durch einen vorauszusetzenden Zusammenhang der
peripherischen Nervenzweige, oder durch Mitwirkung der Cen-
traltfieile erfolgt.
II. Sympat h ien v e r s ch i ed en e r Gewebe u n t e r sich.
Diese zweite Form von Sympathie ist viel seltener als die
erste. In der Regel geht eine krankhafte Affection innerhalb eines
und desselben Gewebes viel leichter von einem auf ein anderes
Organ über, als dass in einem und demselben Organe ein
Gewebe seinen Zustand einem andern Gewebe überträgt Die
Tunica mueosa des ganzen. Darmkanals kann krankhaft absondern,
ohne dass die Tunica muscularis mit afficirt ist; unter einem
krankhaften serösen Ueberzuge des Herzens kann gesunde
Muskelsubstanz liegen; die tunica musculosa des Darmkanals
kann ohne Veränderung .der Tunica mueosa und serosa desselben
krampfhaft afficirt seyn. Die Tunica serosa kann Wasser absondern,
ohne Mitleiden der andern Häute eines Organes. Indessen
giebt es doch Sympathien dieser Art. Es ist hier zu bemerken,
dass, wenn die Sympathien verschiedener Theile desselben Gewebes
in der Regel gleiche Zustände bedingen, in den Sympathien
verschiedener Gewebe die Affectionen der in Wechselwirkung
tretenden Gewebe nach ihren Lebenseigenschaften auch
verschieden sind^ nur die Entzündung ist auch hier eine in gleicher
Art sich mittheilende Veränderung. Die hieher gehörenden
consensuellen Erscheinungen sind vorzüglich folgende:
1) Zwischen der äussern Haut und den Schleimhäuten. Diese
sind sehr häufig. Viele Krankheiten der Schleimhäute, namentlich
die Entzündungen und Blennorrhoen, entstehen oft durch
Wirkung einer Krankheitsursache auf die äussere Haut, und umgekehrt.
Auf Erkältung der äussern Haut erfolgt Lungenentzündung,
Halsentzündung, Darmentzündung etc., oder catarrhalische
Affectionen dieser Häute, und zwar jedesmal in der Schleimhaut
desjenigen Organes, welches nach individuellen Eigenthümlich-
keiten mehr' als die äussere Haut in der Disposition zu Krankheiten
ist. Nach ausgedehnten Verbrennungen der äussern Haut
entsteht zuweilen Entzündung der Lungenschleimhaut., Magenschleimhaut.
In den exanthematischen Affectionen der äussern
Haut leiden zuweilen die-Schleimhäute mit. Andrerseits verändert
eine Krankheit der Schleimhäute, z. B. ein gastrischer
Zustand, die Absonderung, den Turgor, die Farbe der äussern
Haut. Auch wirkt man durch die äussere Haut consCnsuell auf
die Schleimhäute, wie bei Anwendung der Kälte auf die äussere
Haut bei Blutungen aus Schleimhäuten.