
liegt. Nun Hegt uns ob, den zweiten Theil des oben aufgestellten
Satzes zu beweisen, dass die Stammtheile des N. sympathicus
und die Ganglien zur Erhaltung dieses Typus auch nicht nöthig
sind, sondern dass auch die letzten Verzweigungen des N. sym-
pathieüs noch die Fähigkeit haben, diesen Typus der unwillkürlichen
Bewegungen zu reguliren. Es ist gar nicht nöthig, dass
die Stämme der N. cardiaci zur Unterhaltung der Bewegungen
des Herzens vorhanden , seyen; das Herz des Frosches schlägt
noch periodisch fort, selbst wenn man die ganze Basis, die Vorhöfe
bis auf die Kammer abgeschnitten hat. Eben so dauern
die peristaltiscben Bewegungen des Darmkanals nicht allein fort,
wenn man den Darm mit summt dem Mesenterium und den
gangliösert Nervenplexus von dem Rumpfe trennt, sondern auch,
wenn man den Darm seihst von diesem Plexus isolirt, indem
man ihn dicht an der Insertion des Mesenteriums abschneidet.
In diesem Falle sind nur die peripherischen inneren Verzweigungen
des N. sympathicus an dem Herzen und Darm noch Übrig,
und dennoch bewegen sich die>e Organe mit ihrem gewöhnlichen
Typus geraume- Zeit fort.
VIII. So gewiss indess nach diesen Beobachtungen die iiusser-
sten und kleinsten Theile des N. sympathicus die Bewegungen der
unwillkiihrlichen Theile noch reguliren können, so haben doch sowohl
das Gehirn und Rückenmark, als die Ganglien selbst im gereizten Zustande
den grössten Einfluss auf den Modus dieser Bewegungen; so
lange die Organe noch durch Nervenoerbiudung rrdt jenen Zusammenhängen.
Gehirn und Rückenmark sind aber als die letzten Quellen
auch der Thätigkeit des N. sympathicus anzusehen, wenn diese sich
nicht erschöpfen soll. Denn bekanntlich verändert sich der Herzschlag
bei jeder Leidenschaft, und die Bewegungen des Darmkanals
werden bei Irritation des Rückenmarks ebenfalls verändert*,
auch sind die Centralorgane des Nervensystems für die
unwillkührlich beweglichen Theile als für die Dauer nothwendige
Quellen des Nervenprincips anzusehenindem hei Lähmungen
des Rückenmarkes auch die Beweglichkeit des Darmkanals abnimmt,
und Trägheit desselben eintritt. Aber auch die Reizung
der Ganglien, selbst wirkt auf alle von ihnen aus zu den unwillkührlich
beweglichen Theilen hingehenden Nerven, wie folgende
Versuche beweisen. Ich habe schon oben erwähnt, dass ich
durch Galvanisiren des durchschnittenen. N. splanchnicus eines
Kaninchens an dem zum Ganglion coeliacum gehenden Stück,
welches auf einer Glasplatte lag, vermehrte Bewegung des ganzen
Darmkanals hervorbrachte. Diesem Versuch könnte man
den Vorwurf machen, dass das galvanische Fluidum von 65 Plattenpaaren
viel zu stark war, und dass er deswegen durch die
thierischen Theile als durch blosse nasse Leiter bis auf den
Darm selbst überspi’ingen konnte, so dass man nicht viel
mehr gethan, als wenn man den Darm selbst galvanisirt hätte.
Indessen habe ich ändere Versuche angestellt,: welche ganz entscheidende
Resultate gaben. Ich legte bei einem Kaninchen den
ganzen Darmkanal bloss, und zu gleicher Zeit das Ganglion ,coeliacum.
Sobald der Darmkanal eines Tbieres der atmosphärischen
Luft ausgesetzt ist, werden seine Bewegungen sehr lebhaft; diess
dauert eine ganze Zeit, allmählig nehmen sie wieder ab, bis sie
ganz schwach werden. Diesen Moment wartete ich ab. Ich betupfte
dann das Ganglion coeliacum mit einem Stückchen Kali
causticum, worauf sogleich die peristaltischen Bewegungen des
Darmkanals wieder lebhaft wurden. Dieser Versuch gab mir bei
Wiederholung dasselbe ganz unzweideutige Resultat. Also sind
die Ganglien fähig, im Zustande der Reizung das Nervenprincip
bis zu den feinsten Verbreitungen des N. sympathicus in beweglichen
Theilen in Thätigkeit zu setzen; obgleich die Thätigkeit
dieser Theile im Allgemeinen fortdauert, wenn die Ganglien entfernt
sind.
IX. Aus den bisherigen Thatsachen geht hervor, dass der IV.
sympathicus durch die Centraltheile des■ Nervensyst eins, Gehirn und
Rückenmark, als Quellen des Nerpenprincips gleichsam geladen werden
kann, dass er aber, einmal geladen, seine Ladung mit dem Nervenprincip
behält, und fortfährt, dasselbe nach seiner gewöhnlichen Thätigkeit
auszuströmen, auch wenn die fernere Ladung vermindert würde,
und erst' von einer gewissen Zeit an sich kräftiger erneuerte. PVor-
aus ein Theil der Phänomene, des Schlafs, erklärlich wird. Während
das Sensorium commune im Schlafe grossentheils unthätig wird,
fährt die Bewegung des Herzens, Darmkanals wenig oder gar
nicht verändert fort. Denn die von dem N. sympathicus abhängigen
. Theile sind yon einer theilweisen und vorübergehenden
Ruhe des Sensoriums nicht abhängig, so lange sie noch gleichsam
mit Nervenprincip geladen sind. Im Ge'gentheil scheint sich
die Ausstrahlung des Nervenprincips von den Centraltheilen her
dem sympathischen Theile des Nervensystems um so mehr zuzuwenden,
als die Verwendung desselben für die Thätigkeit der
Sinne und der Seelenoperationen während des Schlafes aufhört.
Auch in der Ohnmacht wird zwar die Thätigkeit des Herzens
geschwächt, aber sie erhält sich in viel höherem Grade, als
die aller von Cerehrospinalnerven versehenen Theile. Hier zeigt
sich also etwas, was sich noch an dem ausgeschnittenen Herzen
und Darm, nur geringer, eine Zeit lang offenbart. Verliert aber
das Gehirn und Rückenmark zu sehr die Fähigkeit, Quelle des
Nervenprincips zu seyn, ist keine Erholung in grösseren Zwischenräumen
mehr möglich, so kömmt auch das sympathische
System in den Fäll, in welchen das System der Cerebrospinalnerven
täglich einmal, nämlich im Schlafe, verfällt; dann entsteht
eine Erschöpfung, welche gleichsam nicht durch fernere Ladung
mehr ausgeglichen werden kann; so entsteht jener, den Tod
verkündende, häufige, schwache, kaum fühlbare Puls, am Ende
der acuten Krankheiten. Vergl. W i l s o n P h i l i p Philos. iransact.
1833. 1. M u e l l e r ’s Archiv fü r Anat. und Physiol. ,1834. 137.
- X. Pie örtliche Application der Narcoiica auf den N. sympathicus
wirkt nicht nat cotisirend in die Ferne auf die unwillkührlich
beweglichen Organe; aber die letzteren können durch die Narcotisa-
iion der feinsten, in ihnen selbst sich verbreitenden Fasern des N.
sympathicus paralysirt werden. Diess Verhältniss ist ganz wie bei
den übrigen oder Cerebrospinalnerven, indem die örtliche Appli-
IM üller ’s Physiologie. I. '