
empfindungslos; später bildet sich die Empfindung wieder in derselben
aus.
Eine zweite ganz ähnliche und auf dieselbe Art zu erklärende
Erscheinung ist; das^, wenn man den Zeigefinger und Mittelfinger
einer Hand kreuzweise übereinander legt, und zwischen
den zugewandten Seiten der gekreuzten Finger, die sonst die entgegengesetzten
Seiten derselben waren, eine kleine Kugel, z. B. eine
Erbse, bin und her rollt, man zwei Kugeln zu fühlen scheint.
Bei dem Berühren einer kleinen Kugel mit zwei natürlich nebeneinanderliegenden
Fingern fühlt man eigentlich keine Kugel, sondern
zwei Convexitäten, welche die Vorstellung oder der Schluss
zur Kugel ergänzt, indem die Phantasie sich vorstellt, dass zwei
nebeneinander liegende, mit ihren Convexitäten von einander abgewandte
Kugelsegmente zu einer Kugel gehören. Kreuzt man
nun die Finger, und macht die beiden äusseren entgegengesetzten
Seiten der zwei Finger zu inneren, einander zugewandten
Seiten, so behalten die Empfindungen der Fasern ihre relative
Lage, wie die Fasern zuletzt Zum Gehirn kommenj und als weön
keine Kreuzung stattgefunden hätte, d. h, 'die Empfindung eines
nach aussen wirklich convexen Kugelsegmentes bei
*, wird nach y auf die entgegengesetzte Seite tratfs-
ponirt, eben- so nach Der Inhalt der Empfindungen
bei x und y bleibt ganz unverändert,' ebön
so der Inhalt der Empfindungen^ bei x' und y ', aber
die Eindrücke sind nach der Transposition nicht
mehr zwei von einander abgewandte, sondern zwei
einander zugewandte Convexitäten; diese muss die
Vorstellung zu zwei KugCln ergänzen, da zwei einander
zugewandte Convexitäten nicht einer und derselben Kugel,
Wohl aber zwei Kugeln angehören können. Diese Erklärung des
Phänomens habe ich schon 1826 in meiner' Schrift: Physiologie
des Gesichtssinnes. Lpzg: 1826. p. 84.' gegeben, wo überhaupt schon
die ersten Elemente des mechanischen Theiles der Nervenphysik
angedeutet wurden. Den Versuch finde ich schon bei Aristoteles.
Aristoteles über den Traum. 2. cap.
II. Ueb e r die I r r a d i a t i o n de r Empf i ndungen ode r die
M i t empfi n d ung eu.
Zuweilen erregt eine Empfindung eine andere, oder die Empfindungen
breiten sich krankhafter Weise weiter als die afficirten
Theile aus. Diese Erscheinungen, die ich' Mitempfindungen nenne,
sind im gesunden Leben nicht selten» Man kann die Erregung des
Kitzels in der Nase durch Sehen in helles Licht, euch die ausgedehnten
Empfindungen von einer beschränkten, durch Kitzeln erregten
Stelle^ und die ausgedehnten Empfindungen von Reizung
der äusseren Geschlechtstheite beim Coitus, die Empfindungen,
Welche ein in unserer Nähe gefallener, erschreckender Schuss erregt,
die rieselnden Empfindungen und' Schauergefühle beim Hören
gewisser Töne, z. B. des gekratzten Glases, dieselben Empfindungen
beim Beissen auf sandige Substanzen hieher rechnen.
Dagegen gehören noch viel mehr pathologische Phänomene hieher
wie z. B. die Ausbreitung des Zahnwehes über den Ort des
Reizes auf das ganze Gesicht, die Ausbreitung der Schmerzen
von einem afficirten Finger auf die Hand, den Arm, die anderen
Finger ohne dass man immer eine materielle Mittheilung der
krankmachenden Ursache annehmen darf. Besonders ausgedehnt
sind diese Irradiationen, wenn eine. Nervengeschwulst heftige Empfindungen
verursacht, und nun auch die uinberiiegenden Theilej
ja selbst entfernte Theile zu schmerzen anfangen, wie man einen
hieher gehörenden Fall in London med. Gazette 1834,, F roriep’s
Not. 8 8 8 . erzählt findet, wo nach einer Amputation, durch eine
am Knochen und der Narbe festgewachsene Geschwulst des N.
ischiadicus die Haut des ganzen Amputationsstumpfes, zuweilen
auch entfeinte Theile;: wie die Bauchdecken, sehr schmerzhaft
wurden,' ohne alle entzündlich? Symptome, Empfindungen,, welche
nach der zweiten Amputation ganz aufhörten. Man braucht sich
nur an einer Stelle der Haut heftig, und etwas anhaltend zu verbrennen,
um sich zu überzeugen, dass hier Mitempfindungen in
benachbarten Nervenfasern entstehen, auf welche sich die Krankheitsursache
selbst nicht ausdehnt. Für das gesunde Leben würden
dergleichen Mitempfindungen sehr hinderlich seyn, daher sie
die Natur durch Isolirung der einzelnen Fasern der Nerven verhütet
hat; denn wenn die Fasern von zehn verschiedenen Stellen
der Haut in eine irgendwo zusammenflössen, ehe sie zum
Gehirn kommen, so könnte das Gehirn auch nur eine einzige
Empfindung von zehn verschiedenen Stellen der Haut und an
einem Orte haben; und wenn die Primitivfasern der Nerven von
einer Stelle mit den Primitivfasern von neun anderen Stellen zusammenflössen,
die getrennt zum Gehirn gelangen, so würden im
Zustande der Gesundheit von der Erregung einer einzigen Stelle
dér Haut, zugleich noch neun andere Empfindungen von anderen
Theilen mit zum Gehirn kommen müssen. Diess geschieht nun
im Zustande der Gesundheit in der Regel nicht, und es kann
auch nicht geschehen, weil die Primitivfhsern der Nerven auf
ihrem Wege zum Gehirn isolirt bleiben. Wie ist nun aber jene
ausnahmsweise stattfindende Mitempfindung zu erklären? Da
sieh an jeder Stelle der Haut bloss durch die Heftigkeit einer
Empfindung Mitempfindungen, erregen lassen, so kann man jene
Erscheinung nicht durch eine, in einigen Nerven ausnahmsweise
stattfindende Verbindung der Primitivfasern erklären. Die Erklärung
muss vielmehr auf alle Empfindung&nerven passen. Eben
so wenig lässt sich die Irradiation der Empfindung bloss durch
netzförmige Verbindung der Primitivfasern an ihren peripherischen
Enden in der Haut erklären. Denn die Irradiation kömmt
auch in der retina vor, wo jedenfalls eine solche Verbindung der
Fasern nicht ©xistirt. Man kann zwei Erklärungen der Erscheinung
aufstellen.
4) Man erklärt solche Mittheilung der Empfindung aus vor