
d. Wu a d e r n e t z e de r Art e r i en und Venen.
Zu den vergleichend anatomischen Thatsächen von grossem
physiologischem Interesse gehören ohne Zweifel die Wundernetze.
So nennt man die plötzliche Zertheilung einer Arterie oder Vene
in ein Büschel von feineren Zweigen, oder in viele unter einander
anastomosirende Aeste, welche entweder für sich zu ihrer
Bestimmung hingehen, oder sich selbst wieder in einen neuen
Stamm sammeln. Die Wundernetze der letztem Art sind seltener.
Man kennt diesen Bau an den Arterien der Extremitäten
und des Schwanzes einiger langsam sich bewegenden Säugethiere,
wie Bradypus, Myrmecophaga, Manis, Stenops. Carlisle Philos.
transacl., 1 8 0 0 . V rolik de peculiari art. extremitatum in nonnullis
animalibus dispositione. Amst. 1 8 2 6 . Es kommen aber auch Wundernetze
an Theilen vor, wo eine Beziehung zur Muskelbewegung
wegfällt, wie das Rete mirabile caroticum, das aus Gehirnästen
der Carotis communis bei den Wiederkäuern und heim Schwein
gebildet wird, und dessen sämmtliche Zweige sich erst wieder
zur Carotis cerehralis sammeln. Plapp (Meck. Arch. 1 8 2 7 .} .zeigt,
dass hei den Thieren mit einem Rete mirabile caroticum die
Vertebralarterie nicht zum Gehirn geht,.und mit der Carotis externa
zusammenhängt, wie bei der Ziege und beim Kalbp oder
bei Verbindung mit dem Wunder netz sich doch vorzüglich in
die Nackenmuskeln verbreitet, wie beim Schaf. Aehnliche Netze
von Arterien finden sich in der Augenhöhle der Wiederkäuer,
Katzen, Vögel nach R app, und <Barkow (Meck. Arch. 1829.).
Hier entspringen die Arterien des Bulbus daraus. Von ungeheurem
Umfang sind die Wundernetze der Intercostalarterien und
der Venae iliacae der Delphine. Breschet hist. anat. et physioL.
d’un organ de nature oasculaire decouvert dans les cetaCes. Paris
1 8 3 6 . B aer noo. act. XVII. Bei einigen Vögeln ist an der Art.
tibialis antica ein Netz. Unter den Amphibien kennt man nur
das kleine Wundernetz am Stamm der Carotis der Frösche, die
sogenannte Carotisdrüse. H uschke in T iedemaniP s Zeitschrift IV. 1.
Einige der grössten Wundernetze sind kürzlich bei mehreren
Fischen von E schricht und^mir entdeckt worden; sie sind um
so merkwürdiger,: als sie zugleich von Venen und Arterien zusammengesetzt
werden. E schricht und Mueller über die arteriösen
und venösen Wundernetze an der Leber des Thunfisches.
Berlin 1 8 3 6 . Die grosse Eingeweidearterie der Thunfische-(Thyn-
nus vulgaris und brachypterus) giebt der Leber ihre Leberzweige,
bildet aber an derselben Stelle mehrere sehr, grosse büschelartige
Wundernetze, von vielen hunderten Zweigen, welche sich wieder
zu Stämmen sammeln, die sich in den Verdauungseingeweiden
verbreiten; aber das vom Darm und Milz rückkehrende Blut
geht, ehe es in die Leber gelangt, durch eben solche Wundernetze
der Pfortader. Bei Squalus cornubicus und Squalus vulpes
habe ich an anderen Stellen Wundernetze gefunden. Sie liegen
beim erstem über der Leber zu jeder Seite der Speiseröhre.
Das Blut der Eingeweidearterie durchgeht sie, und das aus den
Lebervenen rückkehrende Blut durchgeht den venösen Theil dev-
*
selben, ehe es zum Herzen gelangt. Beim Squalus vulpes befinden
sich die Wundernetze an den Gefässen des Darms, Magens
und der Milz. Andere Haifische haben nichts davon.
Entweder haben diese Bildungen einen mechanischen oder
einen chemischen Einfluss auf das Blut. Die Vertheilung des
Blutes auf viele feinere Röhren, die sich doch wieder sammeln,
scheint den Zweck einer örtlichen Verlangsamung des Blutstroms
zu haben, indem die vermehrte Reibung diese Folge haben muss.
Diese Erklärung passt auf alle Formen der Wundernetze. Die
Erklärung, dass die Wundernetze an den Extremitäten und au
dem Schwänze einiger kletternder Thiere zur Erleichterung der
Circulation böi den Anstrengungen der Muskeln bestimmt seyen,
passt nur auf wenige Formen. Für die Supposition einer chemischen
Wirkung hat man bis j’etzt keine anderen Gründe als die
Vergleichung mit den Lymphgefässplexus- und Lymphdrüsen, und
die Beobachtung von J, D avy dass die Thunfische eine eigene
hohe Temperatur (99° F. hei 80°, 5 des Mediums) haben. Diese
Erklärung ist wenig wahrscheinlich. Der Durchgang des Blutes
des Verdauungssystems durch 2 Capillargefässnetze, des Darmkanals
und der Leber, scheint .schon bei allen Wirbelthieren auf
örtliche Verlangsamung des Blutstroms berechnet zu seyn; die
Wundernetze der erwähnten Fische müssen den Blutstrom noch
langsamer machen.
V. Capitel. Vom Verhalten- d e r B lu tg e fä sse b ei d er
Aufnahme und A u sscheidung d e r Stoffe.
a» Von de r Res o r p t i o n .
Vor der Entdeckung der Lymphgefässe durch AselLius 1622
schrieb man den Venen die Resorption zu. Nach dieser Entdek-
kung, und nachdem man die Lymphgefässe in den meisten Organen
kennen gelernt hatte, hielt man sie für die alleinigen Organe
der Resorption. Die Ansicht von der Resorption der Lymphgefässe'stützt
sich auf das Anschwellen der Lymphgefässe des Darmes
einige Zeit nach dem Essen; ferner auf das anatomische Verhältnisse
dass diese GefäsSe durch Klappen den Lauf des Chylus
und der Lymphe gegen den Ductus thoracicus befördern, den entgegengesetzten
hemmen müssen. Indessen hat man in verschiedenen
Zeiten dagegen gewarnt, dass man die Lymphgefässe nicht
als einzige Organe^ der Resorption betrachten könne. Bekannt
ist die Resorption der Knochenmasse im innern der Knochen bei
Entstehung ihrer Zellen, die Absorption der Alveolen der Zähne
bei den Alten, und doch existiren in den Knochen keine Lymph—
gefässe. Man kennt die Resorption von Eiter, Stücken der Crystall—.
linse und von Blut im Auge, von dessen Innerm doch keine Lymph -
gefässe bekannt sind. Endlich dürfte man nur an die Aufsaugun ig
der Dotterflüssigkeit von der Keimhaut erinnern, von welch er
Niemand behaupten wird, dass sie in den ersten Tagen sch on
Lymphgefässe besitze, wenn nicht auch die wirbellosen Thi ere