
Gall, J. F. Meckel, jene Analogie mit besseren Gründen verworfen,
und die meisten dieser Anatomen haben das Bauchmark
der Gliederthiere ohne Weiteres dem Rückenmark der Wirbel-
thiere gleichgestellt. M eckel und P h. von W alther äusserten
sich sofort bestimmter dahin, dass die Fortsetzung des Hirns
in den Rumpf hei den Wirbellosen als Vereinigung des später
getrennten Nervensystems, de“s Rückenmarkes und des Nervus
sympathicus der Eingeweide zu betrachten sey, so dass das
Nervensystem der Wirbellosen, seiner Bedeutung nach beide Functionen
enthaltend, bei den Mollusken sich mehr zu dem Typus
des sympathischen Nerven, bei den Gliederthieren mehr zu dem
Typus des Rückenmarkes hinneige.
T reviranus und E. H. W eber endlich glaubten die Knoten
der Ganglienkette der Gliederthiere nur als Knoten der Rückenmarksnerven
anerkennen zu müssen, so dass diese verbunden und
verwachsen seyen, die verbindenden Stränge 'aber lediglich als
die ersten Rudimente des Rückenmarks der Wirbelthiere erscheinen.
Diese Streitfrage wird nun entschieden, dadurch, dass bei
den meisten Gliederthieren, namentlich bei allen Insecten, ausser
dem Bauchmarke oder der Ganglienkette der. Bauchseite, ein
zweit.es Nervensystem, welches lediglich den Eingeweiden bestimmt
ist, vorkömmt, und, dass dieses Nervensystem, ebenfalls aus einer
Reibe von feinen und kleineren Ganglien bestehend, auf dem
Darmkanal und besonders auf dem Magen seine grösste Entwik-
kelung durch feine Geflechte erreicht, mit dem Gehirn aber
durch Wurzeln zusammenhängt.
Schon Meckel und T reviranus1 hatten gelegentlich auf eine
Analogie zwischen dem vpn L yonet und Swammerdam beschriebenen
, auf der Speiseröhre verlaufenden, unpaarigen Nervus: recurrens
und dem Nervus sympathicus hingewiesen. Doch ist dieser
von L yonet beschriebene Nerve nur die einfachste und un-
ausgebildetste Form eines eigentümlichen Nervensystems, dessen
entwickelte Formen ich fast bei allen Ordnungen der Insecten
untersucht habe. In seinen ausgebildeten Formen entspringt dieses
Nervensystem mit feinen Wurzeln vom Gehirn, und verläuft,
auf den Rücken der Speiseröhre sich begebend, zwischen dieser
und dem Herzen zum Magen, wo es ein besonderes Geflecht bildet,
das von einem ziemlich starken Ganglion entspringt. Bei
diesen entwickelten Formen ist* der Magen- oder Centraltheil
dieses Nervensystems immer stärker als sein oberer Theil, der
von kleineren Anschwellungen aus mit dem Gehirne zusammenhängt.
Uebrigens zeigt der über dem Darmkanal verlaufende
Stamm manche Verschiedenheiten, er verläuft bald; einfach und
unpaarig zum Magen, wo er sein Knötchen und Geflecht bildet,
wie bei Dysticus u. A.; bald sind zwei Stämmchen vorhanden,
wie z. B. bei Gryllotalpa. Diese beiden Nerven schwellen hier
an dem Muskelmagen'zu Knötchen an. Bei dem von mir, in den
Nop. act. T. X IV ., beschriebenen Exemplar vereinigten sich die
beiden Stränge in ein Knötchen, später sah- ich beide Nerven
mehrmals ganz getrennt und jeden-sein Knötchen bilden. Die
erster« Varietät sah ich nicht wieder. Durch Brandt’s Untersuchnngen
ist die Kenntniss der Eingeweidenerven der Insecten,
Crusta'ceen, Mollusken und Ringelwürmer sehr erweitert worden.
Derselbe hat gezeigt, dass es zwei Systeme von Eingeweidenerven
bei den Insecten giebt, wovon das eine paarig, das andere unpaarig
ist. Beide stehen mit dem Hirn in Verbindung. Das paarige
bildet Knötchen auf der Speiseröhre, zuweilen auch jeder-
seits auf dem Magen, das unpaarige ist oft wenig entwickelt, wenn
es das paarige ist, und umgekehrt. Ist das unpaarige stark entwickelt,
so bildet es einen unpaaren Knoten auf dem Magen.
Mem. de l’acad. de Petersb. ,3. Arm. d. sc. nat. 5. 81.
Spuren des Nervensystems finden sich nach E hrenrerg’s Entdeckungen
schon bpi den Infusorien, wenigstens den Räderthie-
ren. Vergl. oben p. 43. Unter den bekannteren Formen des
Nervensystems der niederen Thiere kann man folgende Typen
unterscheiden.
I. Typus der Kadiarien.
Stralilig peripherische .Gliederung, gleiche Theile in derPeripherie eines Centrums.
Die Urform des Nervensystems ist der Ring, dasjenige,;was
wir bei den wirbellosen Thieren den Schlundring nennen. In
seiner einfachsten Form erscheint er bei den Radiarien; er ist
noch ohne Ganglien, ohne Fortsetzung zu einem Markstrange.
Gemäss der strahligen Eintheilung und Zusammensetzung des
Thiers ist auch die Verbreitung seiner Nervenäste angeordnet.
So wenig das Thier in einen gegliederten Leib sich fortsetzt,
so wenig kann hier eine Fortsetzung des Schlundrings in einen
Markstrang auftreten. Wiederholung derselben thierischen Theile
in der Peripherie des Kreises ist hier die Urform des Thieres;
unter diesen Bedingungen sind alle Nerven des Schlundrings
gleich, keiner ist vorzugsweise Markstrang, kein Theil des Schlundrings
vorzugsweise Hirn. Alle die strahligen Aeste eines Nerven-
kreises, wovon keiner die Priorität bat, sind zusammen dasjenige,
was bei den höheren Thieren die Fortsetzung des Schlundrings
in den Markstrang ist.
II. Typus der Eingeweidethiere, Mollusken.
Untergang der Gliederung in einen muskulösen Eingeweidesack.
In der Abtheilung der Wiëichthiere oder Eingeweidethiere
erleidet diese Urbildung Veränderungen, welche nur den Veränderungen
der gesamjnten Organisation entsprechen. Die Symmetrie
des strahligen Typus hat aufgehört, und der Mangel der
den übrigen Wirbellosen eigenthümlichen Gliederung ist einer
ihrer wesentlichsten Charactere. Das Weichthier ist nur ein Con-
volut von Eingeweiden, so viel ihrer nöthig sind zum Bestehen
einer thierischen Individualität, deren sensible Functionen meist
auf ein unbeholfenes Tasten und Fühlen, und eine träge Ortsbe-
wegung hinauslaufen.
Der Schlundring erscheint auch hier als Urform, seine gleichen,,
strahligen Nerven für gleiche, peripherische Theile hat er
mit diesen abgelegt. Es giebt Sinnesnerven, Eingew.eidenerven
Mül le r ’s Physiologie, I. gq