Weiter gegen Livadia hin zu ziehen war jetzt gegen den
Plan und Zweck der Reise. Ich hoffte später von Livadia
aus den Laphystios (Steiuerzeuger) bei Granitze zu besuchen;
es soll ein Berg sein, aus röthlichem Gestein, bei dem ein
Krater und bei den Mühlen von Kalami warme Quellen sich
befinden.
Nachmittags kehrten wir ein Stück weit auf dem Wege
zurück, den wir hergekommen waren, und wandten uns dann
östlich nach Kartitze. Denn unter dem Sphingion am See
hinzuziehen, verhinderte der noch hohe Wasserstand, und es
hätte auf dem steilen Kalkfelsen das Steingebilde, was einem
Weiberkopfe ähnlich sehen soll, uns vielleicht die Sage erproben
lassen: die Sphinx liege am See und werfe jeden, der sich
ihr nahe, hinein; da gingen wir hinter ihr weg, dass sie uns
nicht sah, wir aber leider auch sie nicht sahen.
Der Weg führt über lauter Kalkgebirg. Ich habe schon
oft das Wort Weg gebraucht und muss eine Erklärung geben,
was man sich in der Regel unter Weg in Griechenland vorzustellen
hat. Meist ist es ein durch Pferde und Menschen
ausgetretener Fussweg, doch giebt es auch häufig, wo grössere
Passage ist, geebnete Wege, die so breit sind, dass ein beladenes
Lastpferd mit einiger Vorsicht neben dem ändern vorbei
kann. Oft ist aber der Weg nur eine Richtung, deren
Spur man auf den zackig hervorragenden Kalkklippen bemerkt;
doch reitet man auch auf solchen Wegen, zwar langsam, aber
mit den dortigen daran gewöhnten Pferden doch recht sicher.
Fahrbare Strassen und Wagen sind jetzt nur in der Nähe
von Athen. Wenn nur erst gute Wege für Packpferde durch
den ganzen Staat hergestellt sein werden, so ist das für die
erste Generation völlig hinreichend. Die Spuren der altgriechischen
Fahrwege und die von den Türken gepflasterten schauderhaften
Steinwege werde ich stets besonders bemerken.
Der Regen hat hier und in den meisten Kalkgebirgen
Romeliens, wo er auf in die Höhe stehende Ecken und Kanten
trifft, Furchen ausgewaschen, welche durch radial von
einer Spitze oder einer Kante herablaufende etwas härtere
scharfe Erhöhungen begrenzt sind, wie man die Bergmodelle
schroffer Gebirge vorzustellen pflegt. Man kommt bei dem
Likaris-See (Hylika) vorbei; er ist sehr tief und zeigte eine
klare Wasserfläche. Wir zogen hoch am Abhange hin und
hatten daher einen guten Ueberblick und sahen, wie das felsige
Ufer meist erst einige Klaftern weit flach unter dem Wasser
sich hinzieht und dann plötzlich zur schwarzen Tiefe abgerissen
ist. Dieser See ist an 3 Seiten von steilen Kalkbergen
umschlossen, nur östlich geht er flach aus in ein weit
geöffnetes fruchtbares Thal, was durch einen flachen Gebirgsrücken
begrenzt wird, von welchem eine bedeutende Wasserriese
herabkommt und in den See mündet. Nur von der östlichen
Seite könnte der See durch einen sehr weit hineinzutreibenden
Stölln grösstentheils entwässert werden, aber man
gewönne nur einen ■ Schlund. Der See tritt im Winter etwas
in die östlich angrenzende Ebene, wodurch nichts von Erheblichkeit
verloren ist. Er steht nordwestlich durch Kata-
wothren mit dem Kopäis in Verbindung, hat für sich allein
kein bedeutendes Sammelrevier, auch fliessen ihm nicht starke
Quellen zu; so bleibt er im Niveau des Kopäis und hebt sich
nicht über die anstossende Ebene. In dem flachen Thale, wo
sonst Kartitze stand, haben die Alten einen Wasserstolln von
dem Kopäis nach dem Likaris gezogen, von dem einige Licht-
löclier noch zu sehen sind; die meisten sind verschüttet, da
in dem flachen, schwach ansteigenden Thale etwas Getreidebau
stattfindet. Die Alten haben auch in den Likaris Abzug
aus dem Kopäis befördern wollen, da bereits natürliche Kata-
wothren dorthin stattfinden und da der Likaris durch den ihn
südlich begrenzenden Kalkberg zwei Katawothren hat. Das
Wasser der einen trieb dort eine Mühle, die aber jetzt verfallen
ist. Das Hauptkatawothron des Likaris soll östlich nahe
am Meere ihren Ausfluss haben, aber salzig sein. Wahrscheinlich
ist diess aber kein Abfluss, sondern eine starke Salzquelle,
wie diess an den griechischen Küsten häufig der Fall ist, z. B.
bei Gardike, die Rheitoi, westlich von Cyrrha u. a., wo Meerwasser
emporgetrieben wird.