Bis 1 St. von Lipso längs dem Meerbusen steht noch
immer verwitterter Glimmerschiefer zu Tage, auf welchen sich
jetzt mächtig dichter, gelblichweisser Kalkstein auflagert, als
Gebirg sich erhebt und bis nach Lithäda, an die westlichste
Spitze von Euböa fortzieht.
Wo der Meerbusen am ändern Ende sich zu scliliessen
anfängt, sind ganz nahe am Wege, in Anhäufungen von Conglomérat
aus grossen Kalksteinbrocken, ein Paar flache Höhlungen,
sie scheinen tief zu sein, weil sie ganz schwarz verräuchert
sind. Die Hirten haben nahe dabei eine Menge
Schilfhütten. Zur Seite der Bucht waren viele feuchte Felder
mit Lein (Atrapt) bestellt, der jetzt schon 3 bis 4 Zoll
hoch war, dicht und freudig wuchs. Da, wo der Meerbusen
nördlich den grössten Einbug macht, ist Euböa sehr schmal,
man sieht von hier, wenn man etwas aufwärts steigt, hinter
der Insel das Meer und Gebirge von Thessalien.
Ist man um den Busen herum, so geht der Weg anfangs
alimählig, dann aber sehr steil bergauf. Leb er all sieht man
fruchtbare Felder, obgleich sie voll Kalksteinbrocken liegen.
Ehe man die letzte kleine Anhöhe dicht vor dem Dorfe
J a l ï t r a ersteigt, ist am Wege eine gefasste Quelle. Ich
sah hier eine junge Frau mit folgendem Kopfputz. Auf der
Stirn trug sie einen Ducaten und von da abwärts bis unter
das Ohr Silbermünzen und zwar so, dass vom Schlafe an die
Münzen aufeinander gereiht, wie in einer Geldrolle übereinander
lagen, zuletzt auf jeder Seite ein spanischer Thaler.
Es war Sonntag, die Einwohner hatten sich wie gewöhnlich
an ein Paar Punkten versammelt. Wir kamen zum De-
mocheronten, der türkisch gekleidet war, und da wir freundlich
zu ihm gingen, nicht wusste, ob er Uns in sein Haus
treten lassen sollte, nur um da für unser Geld zu frühstücken
, als wir aber den Ton verändert hatten, wurde er freundlich
und verschaffte uns schnell das Wenige, was wir brauchten.
Der Wein von Jalïtra und Ajio wird für den besten in diesem
Theil von Euböa gehalten.
Westlich von Jalltra folgt bald schwärzlichgrauer Kalkstein,
häufig mit Kalkspathadern durchzogen, er ist auf den
gelblichweissen Kalkstein aufgelagert.
Wir zogen durch ein oberes Längenthal, in welchem
zuletzt einige Kiefern stehen, dann senkt sich der Weg hinab
in eine Schlucht; da, wo man sie durchschneidet, zeigt sich
im Wege eine unbedeutende Einlagerung von durch Eisenoxyd
roth gefärbtem, dickschieferigen, thonigen Gestein. Das Kalk-
gebirg ist voll Höhlenbildung, ^ St. vor Lithada bildet es
einige groteske Formen, unter ändern geht eine bedeutende
Oeffnung durch eine grosse Felsenwand. Vegetation ist wenig
am kahlen Kalkgebirg, dem Li thad a , der von d Herri-
coyen 1300 Par. F. hoch geschätzt wird.. Kurz vor Lithada
sieht man die Ruine eines Wartthurmes;, unter dem Dorf
breitet sich eine fruchtbare Ebene aus, fast bis an die W^str
spitze von Euböa, das Cap Lithada (Kenäon), vor welchem
man noch mehrere kleine flache Inseln und Klippen liegen
sieht, es sind die Lichaden .
Als Herakles dem Zeus auf dem Vorgebirge Kenäon opfern
wollte und durch das von der eifersüchtigen Deiäneira mit
dem Blute des Kentauren Nessos bestrichne Opferkleid, was
sich unter wüthenden Schmerzen, die bis in’s Mark der Knochen
drangen, an den Körper heftete, gequält wurde, warf
er den Ueberbringer desselben, den Lichas, gegen eine dieser
Klippen, die von ihm den Namen der Lichaden bekamen.
Ovid. Metam. IX. 282. dichtet: der eine dieser Felsen
solle die Gestalt eines Menschen haben und man müsse sich
fürchten auf ihn zu treten, denn er habe noch Gefühl.
Dass im Alterthum bei Erdbeben viele Eiländer der Lichaden
und ganze Stücke vom Vorgebirg Kenäon (nach Demetrios
Kalatinos) versunken sind, ist bereits in der allgm.
Einleit, über Euböa erwähnt worden.
Man könnte jene Mythe so erklären: dass am Cap Kenäon
bei der Emporhebung von Euböa der heftigste vulkanische
Ausbruch stattfand, was viel für sich hat, da zu beiden Seiten
sich noch jetzt vulkanische Thätigkeit durch die heissen