welcher sie nicht ganz fehlen, da auch sie fruchtbare Samen
enthält. Wenn daher das Aufhängen wilder Feigen an culti-
virte Stämme, die von den Alten schon gekannte Caprification,
von Nutzen ist, so liesse sich diess wohl eher so erklären, dass
durch den männlichen Samenstaub der wilden, mit welchen
Insekten in die Fruchtböden der guten Feigen dringen, oder
durch dessen Einwirkung auf den veredelten Stamm, die weiblichen
Bliithen dann einen desto kräftigem, fleischigem und
saftigem Fruchtboden hervorbrächten, als dass durch den
Stich einer kleinen Schlupfwespe, der Cynips Psenes L.,
der Fruchtboden der zahmen Feige gereizt und daher grösser
und schmackhafter werde. Auch sagen die Griechen, dass die
angehängten wilden Feigen dazu dienten, dass diezahmen nicht
vor der Reife abfielen. Der Stich aller Insekten in Früchte geschieht,
entweder um ihre Eier hinein zu legen, oder ihnen
Saft zur Nahrung zu entlocken; beides hinterlässt eine Spur,
die aber nicht an der veredelten Feige zu bemerken ist;
auch schwillt ja die wilde Feige nicht auf, in der jene Wespe
geboren wird. Es ist daher wahrscheinlicher, dass diese Cynips
die Befruchtung der veredelten Feige durch männlichen
Samenstaub bewirkt, und es wäre somit sehr anzuratlien, stets
in der Nähe der veredelten Feigenbäume auch wilde zu erziehen.
Um recht grosse und schmackhafte Feigen zu erziehen,
schneidet man wohl auch den Rand des oben geschlossenen
Fruchtbodens mit einem feinen Messer aus, die Wunde vernarbt
bald, die Feigen nehmen sichtlich zu und reifen schnell.
Auch sticht man sie mit einer Nadel oder mit einer zugespitzten
, in Oel getauchten Feder an, wodurch sie ebenfalls
grösser werden und früher reifen. Diese Verfahrungsarten
lassen sich bei wenigen Bäumen anwenden, im Grossen sind
aber jene kleinen Schlüpfer allem ändern vorzuziehen und sie
daher zu hegen und um ihretwillen die Insektenfressenden
Vögel in der Umgegend von Feigenpflanzungen zu vermindern.
Die frühzeitigen Feigen gehören überdiess nicht zu den
gesunden und wer die natürliche Reife nicht erwarten kann,
der nehme zu den vorhin angeführten Künsteleien seine Zuflucht.
So viel ist gewiss, dass eine gute Sorte in angemess-
nem Boden und Standort die Früchte, wenn auch langsamer,
aber desto schmackhafter zur Reife bringt.
Der milchige scharfe und bittere Saft der unreifen Frucht
verwandelt sich bei der Reife in Schleimzucker und bildet so
die angenehm süss schmeckende Feige.
Die Feige hatte bei den Alten eine heilige mystische
Bedeutung, sie war Symbol der Fruchtbarkeit und Fortpflanzung;
hätten sie aber erkannt, dass sie die Blüthe geheim-
nissvoll verbirgt und einschliesst, während andre Gewächse
mit der Blüthenpracht glänzen, so würden sie sie wohl zum
Sinnbild der Sittsamkeit gemacht haben. Jetzt hat die Feige
keine grössere Bedeutung, als wenn sie süss ist und gleichsam
im Munde zergeht. Bei den Italienern ist sie ein etwas ob-
scönes Sinnbild.
Feigen, Rosinen und Wein, die ein Helvetier Eiicon von
Rom mitnahm und in Gallien verkaufte, reizten die Gallier
dieses Land zu erobern; Rom wurde eingenommen und geplündert.
Grosse, herrliche Feigen von Karthago zeigte Scipio
Africanus in der Volksversammlung vor, sie entschieden den
Beschluss der Römer zum dritten punischen Kriege. Karthago
wurde zerstört.
Meist aus getrockneten Feigen bestand die Kost der Athleten,
welche zu ihren Uebungen einen leichten, schlanken
Körper brauchten;: die, welche mehr massige Gewalt nöthig
hatten, assen desto mehr Fleisch.
Die Alten unterschieden eine Menge Abarten von Feigen,
jetzt sind die vorzüglichsten von Griechenland, die von Kala-
inäta und einigen der Inseln. Am feinsten und süssesten sind
die kleinen, weissen Feigen. Aber keine kommen denen von
Smyrna an Süssigkeit und Schmackhaftigkeit gleich, dort werden
die eben erst getrockneten in runde, hohe, feste Schachteln
von gradspaltigem Nadelholz, lagenweise eingepackt, sie
erhalten sich auf diese Weise saftig und hüllen sich in den
Erster Theil. ^