XII KAPITEL
Zweiter Aufenthalt in Ssai. — Reise durch Béndina und Kébbi.
Nachdem ich eine Weile in meiner Hütte ausgeruht hatte,
• folgte ich nebst meinen Gefährten der Aufforderung. des
Statthalters, ihn zu besuchen, und fand unseren armen
Freund A'bu-Bakr in demselben Gemache, wo ioh ihn vor
mehr als einem Jahre gelassen hatte. Seine Lähmung, die
Folge der „ssefii” genannten Krankheit, hatte so zugenommen,
dass er jetzt ganz steif war, aber trotzdem sah er etwas
besser aus, als bei meiner ersten Durchreise. Ich bekam
auch bald Gelegenheit, seine genaue Kenntniss des
Landes zu bewundern; denn als ihm Ahmed el Wädäui die
Gedichte — „kassäid” —. welche mein Freund El Bakäy an
den Emir A'hmedu gerichtet , vorgelesen hatte und Herauf
einige der interessanteren Vorfälle unserer Reise aufzutischen
anfing, ward er bei der Benennung der Plätze jeden Augenblick
von A'bü-Bakr verbessert, und es schien wirklich, als ob
dieser Beamte die genaueste nomenclatorische Kenntniss von
allen Ortschaften am Flusse entlang bis Töndibi besässe, wo
ihn die politischen Verhältnisse des Landes gezwungen hatten
, auf seiner interessanten Schifffahrt den Fluss aufwärts
umzukehren. Es war ganz offenbar, dass er grosses Interesse
an den Bemühungen des Scheichs nahm, friedlichen
Verkehr mit den Fulbe von Gändö und Sökoto zu eröffnen,
und er drückte sein Bedauern darüber aus,*dass das feindselige
Benehmen des Tuäreg - Häuptlings El Chadlr ihn dar
Politische Lage von Ssai. 297
mals verhindert hätte, Timbuktu zu erreichen; aber meine
Gefährten versicherten i ihn, dass der Scheich auf die erste
Nachricht von seiner Annäherung hin einen Boten abgescHckt
hätte, um ihn vor den Tuäreg sicher zu stellen.
Selbst wenn wir diesen Vèrsuch, die Schifffahrt auf dem
Flusse entlang zu eröffnen, ausser Acht lassen, unterliegt es
keinem Zweifel , dass der Herr von Ssai bei den Bemühungen
von Seiten der Europäer, den Fluss zu beschiffen, von
der grössten Wichtigkeit ist, und es bleibt.hur zu bedauern,
dass er nicht über grössere Mittel gebietet, sowohl in pekuniärer
als militärischer Beziehung, um aus der günstigen
Lage seiner Provinz alle möglichen Vortheile ziehen zu können.
Alles in Allem genommen, waren seine Umstände zur
Zeit, besonders in Folge des Aufstandes dér Provinz Dén-
dina, ausserordentlich beschränkt. Zu gleicher Zeit verhindert
ihn sein geschwächter Zustand, die geringe Macht, die
ihm zu Gebote steht, zur Anwendung zu bringen, und dies
muss natürlicherweise seine politische Schwäche noch vermehren.
Auf diese Weise lässt sich auch der Umstand erklären,
dass wir nicht eben sehr gastlich behandelt wurden.
Dessenungeachtet machte ich ihm diesmal ein recht hübsches
Geschenk; darunter befand sich ein rother Mantel von
allerdings nur untergeordneter Qualität, den ich eigens zu
diesem Zwecke zurückgelegt‘hatte. Es war mir jedoch sehr
angenehm, als Anerkennung für einige Arzneien, mit denen
ich seine Krankheit zu lindern versucht hatte, etwa 1 Pfund
Zucker von ihm zu erhalten; denn ich hatte dessen lange
zur Würzung meines Thee’s entbehrt und auf dem Markte
war keiner zu haben. Auch war A'bü-Bakr grossmüthig genug,
meinen Reisegefährten, als wir nach einem Aufenthalte
von 3 Tagen die Stadt verliessen, ein Kameel zum Geschenk
zu maohen, dessen sie sehr dringend bedurften.
Der Markt von Ssai war in vielen Beziehungen jetzt besser
versehen, als bei meiner vorigen Anwesenheit, aber mit diesem