224 IX . Kapitol.
Tisch, den ich von Tripoli aus mit mir herum getragen und der
mir die grössten Dienste geleistet hatte, zerbrochen und ich
sah mich genöthigt, dieses Kartenblatt, auf meiner Matte
sitzend, auf einem über die Kniee gelegten Stück Bret zu
vollenden; denn ich besass damals weder eine Kiste noch
einen Stuhl*).
Nachdem ich diese Arbeit vollendet hatte, machte ich in Begleitung
des Scheichs den Kel e’ Ssük meine Aufwartung. Die
beiden Häuptlinge Chosematen und Hanna nahmen zumal meine
Aufmerksamkeit in Anspruch. Beide waren alte, ehrwürdige
Leute, aber es waltete der sonderbare Umstand ob, dass beide
blind waren oder wenigstens nicht weit davon. Hanna, um
2 Jahre älter als sein Amtsgenosse, hatte nur ein.Auge und
Chosematen war völlig blind; dennoch aber erwartete er von
mir, dass ich ihn heilen könnte. Es war gut, dass beide einige
ihrer Söhne bei sich hatten, und unter den 4 Söhnen Chosema-
ten’s waren ein paar sehr aufgeweckte junge Leute ; ihre Schwester
Nässaru hatte ich schon in Tin-scherlfen kennen gelernt.
Ausser, den Verhandlungen mit diesen Leuten, deren. Wohlwollen
zu erwerben, für mich besonders wichtig war, weil sie
die öffentliche Meinung in diesen Nigergegenden beherrschten,
gingen die Vorbereitungen zu meiner Heimreise, wiewohl nur
langsam, vor sich und der Scheich verfasste zu meinen Gunsten
ein Schreiben an die Häuptlinge auf der Strasse, über
die meine Reise führen sollte. Dasselbe war mit viel Gelehrsamkeit
abgefasst und suchte meine Stellung in das
günstigste Licht zu stellen; so versprach es denn, in der Folge,
nach der Trennung von meinem .Beschützer, mir vom
grössten Nutzen zu werden**). Im Ganzen war der Aufent-.
*) Dieses Blatt von der Flussstrecke zwischen Timbuktu und Gögö ist erst
im vorigen Herbste in Buropa angekommen und Herrn Dr. Petermann bei der
Niederlegung des Flusses vom grössten Nutzen gewesen. Das Blatt von der
Niger-Strecke zwischen Gögö und Ssai war schon viel' früher eingetroffen.
»») Eine Übersetzung dieses Briefes findet man in Anhang IV.
Der Stamm der GA-bëro.
halt hier nicht bo einförmig, 1 aber die Örtlichkeit ward mir
lästig wegen der grossen Hitze, die hier vorwaltete; denn
der Schatten, den die schönen Sykomoren in der Nähe des
Flusses gewährten, war von meinem Zelte zu weit entfernt
und von Vögeln zu sehr gesucht, um von Nutzen zu sein.
Es war mir daher ganz recht, dass der Besuch einiger anderer
Leute meinen Beschützer bewog, unseren Aufenthalt an
diesem Platze durch eine kleine Exkursion zu Unterbrechen.
Diese Leute waren die Gä-bero, wie sie gewöhnlich
genannt werden, oder mit ihrem eigentlichen Namen
Sstidu- kämil, ein zahlreicher Stamm der- Fulbe, der in
diesen Gegenden seit mehreren Jahrhunderten angesessen
ist und aus Furcht vor der Verfolgung der Asskiä oder
Ssikkiä seine eigene Sprache gegen diejenige der Landeseingeborenen
vertauscht hat. Si® haben in früheren Zeiten
fast ungestörte Freiheit genossen, Während sie in nomineller
Abhängigkeit vom Statthalter von Ssai waren; aber
vor nicht langer Zeit waren sie gezwungen worden, dié
Oberhoheit von Hómbori anzuerkennen, indem der Statthalter
dieses Platzes einen Heereszug gegen sie unternommen
und einige 80 aus ihrer Zahl getödtet hatte.
Sie baten daher den Scheich, zu ihnen zu kommen, seinen
Schutz über sie auszudehnen und ihnen seinen Segen zu geben.
Wir Verliesen jedoch vor dem Nachmittag des 25atf®
diesen Platz nicht.
Nachdem wir das Areal der alten Stadt hinter uns gelassen
und dann eine mit kleinen Talhabäumeii und Düïnger
büschen bewachsene Ebene durchzogen hatten, erreichten wir
nach einem Marsche von ungefähr 4 Meilen den grasreichen
Rand des Flusses und betraten kühn dén Sumpfboden; denn
inmitten dieser Flachlande, wo sich der Fluss zurückgezogen
hatte, lagen mehrere Gruppen Mattenhütten, bewohnt
von GA-bêro und Rumä, und neben ihnen wählten wir
unser Nachtlager. Da wir nun keine Zelte' mitgenommen
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