200 VIII. Kapitel.
Rumä schienen auch ein Dorf auf einer Insel im Flusse
zu haben und ziemlich wohlhabend zu sein. Eine Menge
Reis wird in der Umgegend gebaut; ich kaufte davon
eine Quantität und liess ihm von zwei Sklavinnen stampfen.
Diese waren von sehr verschiedenem Naturell; denn während
die Eine ihre Arbeit mit Lust verrichtete und fast
ohne Unterbrechung lachte, war die Andere von mehr mür-'
rischem Wesen und machte sich auch eines Diebstahles
schuldig.
Fast alle Sklaven dieser Tu® tragen nichts weiter als
einen Lederanzug, die Frauen einen' langen Schurz, die Männer
gewöhnlich ein enges Hemd von demselben Stoffe. Ans
Allem, was ich sah, muss ich schliessen, dass der moralische
Zustand dieser Tuäreg-Sklaven ein sehr niedriger
ist, zumal derjenige der Kel-e’-Ssük. Diese waren nämlich
.früher die Bewohner fester Wohnsitze an der Grenze
der Wüste, wo viel fremder Handelsverkehr getrieben wurde,
und haben durch diesen Umstand Sitten angenommen, .welche
ihnen ursprünglich fremd waren. Aber wir müssen uns
daran erinnern,' dass von den ältesten Zeiten her Prostitution
als ein Beweis von Gastfreundschaft bei mehreren Berber
Stämmen Nord-Afrika’s üblich war.
• [Mittwoch, 14*™ JunQ Wir blieben hier den ganzen
Vormittag liegen und brachen erst spät am Tage auf. Mein
Beschützer blieb zurück, um irgend ein Geschäft abzumachen,
während ich mit den Zuverlässigsten von seinen Schülern
vorauszog. Zuerst hielten wir uns längs des'Flusses,
der hier.ganz nahe am Ufer eine bedeutende Tiefe zu haben
schien; aber weiterhin wandten wir uns in einige Entfernung
von ihm ab. Die Ebene war hier dicht mit kleinen Talha-
häumen besetzt. So erstiegen wir denn nach einem Marsche
von ungefähr 4 Meilen, von unserem Lager an gerechnet,
eine Reihe von Sanddünen, hinter denen sich ein breiter
Gürtel sumpfigen Wiesenlandes in einer Entfernung von
Lager bei Ieeäbegen. 201
mehr als 2 Meilen vom Flusse entlang erstreckte. Der höhere
Boden ward bald felsiger und war mit schwarzen Kieselsteinen
bestreut, zwischen denen zahlreiche Fusstapfen von Giraffen
sichtbar waren. Das Land war anmuthig gewellt und
von einem aufspringenden Riff von Sand- und Kalkstein wie
von einer Mauer durchschnitten. Hier hörten wir von einem
Schaafhirten, der gerade seine Heerde an einem kleihen,
vom neulichen Regenfalie gebildeten Teiche tränkte, dass
sich in geringer Entfernung ein Lager befände; wir gaben
daher unserem Marsche eine mehr südliche Richtung und
erreichten bald ein hart am Rande des steilen Ufers gelegenes
Dorf Es bestand aus Mättenhütten und war von
einigen Arabern vom Stamme der Bü-Ali, sowie von einigen
Kël-e’-Ssük bewohnt. Die Mattenhütten hatten ein
sehr reinliches Aussehen und waren gut gelüftet, indem
jede zwei Thüröffnungen hatte, die eine auf der Nord- und
die andere auf der Südseite, aber allerdings eben nicht von
besonderer Grösse.
Es war spät am Abend* als wir hier ankamen, und da es
gänzlich an Bäumen fehlte, hatten wir grosse Schwierigkeit,
etwas Brennholz aufzutreiben; auch fehlte es an gutem
Bjfrgu für die Pferde, da der Fluss, der sich hier in zwei
Arme theilt, zu tief ist, um das" Gedeihen dieses Sumpf-,
grases in irgend bedeutender Ausdehnung zu gestatten. Ausserdem
konnte auch die Armuth der Bewohner keineswegs
den Ansprüchen meiner Gefährten Genüge leisten; denn die
Télamïd sehnten sich sehr nach einem guten Abendessen. Dies
#ar auch der Grund, wesshalb El Bakäy selbst, dem dieser
Umstand wohlbekannt war, diesen Platz zur Seite liegen gelassen
und seine Schritte ungeachtet der späten Tagesstunde
einem anderen Lager zugewandt hatte. Letzterer Umstand
trug auch die Schuld, dass sich-unser nächster Tagemarsch
auf eine Strecke von nicht ganz- 1 fyleile beschränkte, indem
wir. unseren Lagerplatz bei Issäbegen nur. gegen denje