
Es ist dort auch gezeigt worden, dass der Ton hei ungleich gespannten
Rautschuckbändern von einem der Bänder herrühren kann
und dass oft das andere schwach mitschwingt; dass dagegen nicht
immer Compensation der verschiedenen Stimmungen beider Bänder
eintritt. Man kann auch am Kehlkopf öfter eine einseitige Schwingung
eines Stimmbandes bemerken, besonders dann, wenn sie nicht
ganz in gleicher Ebene liegen. Die Thatsache, dass bei zwei
ungleich gespannten Stimmbändern, wie bei ungleich gespannten
Rautschuckbändern, öfter nur das eine tönt, und dass sie in freilich
seltenen Fällen zwei Töne geben, beweist abermals, dass die
Stimmbänder das Primitive beim Tonangeben sind und nicht die
Luft es ist.
VIII. Bei gleichbleibender Spannung der Stimmbänder entsteht
zuweilen statt des Grundtons derselben ein viel höherer Ton, besonn
ders wenn sie beim Schwingen in einem Theile ihrer Länge anstossen.
Diess ist aus der Entstehung von Schwingungsknoten zu erklären,
und Aehnliches zeigt sich zuweilen an Rautschuckbändern.
IX. Es können sowohl Töne her vor gebracht werden, wenn die
Stimmbänder eine enge Oeffnung zwischen sich haben, als wenn sie
sich ganz berühren. Im letztem Fall erfolgen die Töne besondersleicht
bei ganz schlaffen Stimmbändern. In diesem Fall sind die
Schwingungen der Stimmbänder ungemein stark, indem der Durchgang
der Luft erschwert ist und sie stärker abgetrieben oder
auseinander getrieben werden. Diess ist ein ganz ähnliches Verhalten
wie bei den membranösen Zungen von Kautschuck. Denn
der Ton entsteht hier öfter, wenn die Bänder bis zur Berührunganeinander
liegen, ja sogar und noch besser als im letzten Fall,,
wenn ein Band mit seinem Rande über dem andern liegt, oder
wenn nur ein Band angewandt und dieses mit seinem Rande über
den Rand einer dünnen Holzplatte gespannt wird. Es ist dasselbe
Verhalten wie bei den nicht einschlagenden Zungen, indem
die Oeffnung von Moment zu Moment geschlossen und der Luftstrom
stossweise unterbrochen wird.
X. Die Töne, welche entstehen, wenn die Stimmbänder bei sehr
geringer Spannung einander berühren, unterscheiden sich im Klang,
von denjenigen, die bei enger Oeffnung der Stimmritze erzeugt werden.
Im erstem Fall ist der Schall stärker und voller, im.
letztem Fall schwächer und gedämpfter.
XI. Haben die Stimmbänder eine bestimmte Länge und. gleichbleibende
schwache Spannung, so ist der Ton■ in der Höhe nicht verschieden,
mögen die Stimmbänder sich berühren oder eine enge Oejf-
nung zwischen sich haben.
XII. Auch im ganz schlaffen und nicht gespannten Zustande
der Stimmbänder lassen sich noch ganz gut Töne hervorbringen, wenn
die Stimmritze zugleich sehr verkürzt wird, indem man sie durch-
Zusammendrücken der Lippen mit der Pincette- in ihrem hintern
Theile schliesst; bei einer Länge der Spalte von zwei Linien»
lassen sich dann noch» Töne hervorbringen, wenn die Stimmbänder
erschlafft sind und sich mit ihren Rändern berühren.. Diese Eigenschaft
der Stimmbänder lässt sich an trocknen elastischen Platten,
wie Rautschuckstreifen, nicht erläutern, wohl aber an nassen Bän-
189
dern von elastischem Gewebe, wie von Arterienhaut. Das elastische
Gewebe verliert übrigens auch im schlaffen, nicht gespannten Zustande
seine elastische Gegenwirkung gegen den Strom der Luft nicht;
denn der durchgehende Strom der Luft dehnt, wenn der Durchgang
sehr kurz ist und die Stimmbänder aneinander liegen, beim
Durchdrängen die schlaffen Bänder so sehr aus, dass sie wieder
elastische Gegenwirkung bekommen, so dass durch die Vibrationen
mit sehr grossen Excursionen die Stimmritze abwechselnd
geöffnet und geschlossen wird. Es ist indess nicht einmal nöthig,
dass die Elasticität der durch den Luftstrom ausgedehnten Stimmbänder
so gross werde, dass sie rückschwingend die Stimmritze
sehliessen. Sie können auch ohne periodischen Schluss der
Stimmritze im vom Luftstrom ausgedehnten Zustande schwingen,
so wie eine schwach gespannte mem'branöse Zunge von Raut-
sehuck, ohne bei den Rückschwingungen die gerade Linie zu
erreichen. .
X III. Tiefe Töne lassen sich bei kurzer, ja sehr kurzer Stimmritze
sowohl als bei langer Stimmritze, hohe Töne bei langer sowohl
als kurzer Stimmritze erzeugen, wenn nur die Stimmbänder bei langer
Stimmritze fü r hohe Töne zugleich stärker gespannt sind, und wenn
nur die Stimmbänder fü r tiefe Töne bei sehr kurzer Stimmritze mit
berührenden Lippen ganz erschlafft sind. Man kann durch Zusammendrücken
der Lippen der Stimmritze mittelst einer Pincette
in dem Raume vor den Vocalfortsätzen der Cartilagines aryte-
noideae der Stimmritze ohne Veränderung der Spannung jede
beliebige Verkürzung geben. Man kann ferner durch Zurückdrücken
des Schildknorpels den Stimmbändern jede beliebige Abspannung
geben. Durch Anwendung dieser yornchtungen gelangt
man zu dem vorerwähnten Resultate.
XIV. Die Töne verändern sich in der Höhe, wenn die ganzen
Stimmbänder vom Winkel der Cartilago thyreoidea bis zu den fe st
aneinander liegenden Vocalfortsätzen der Cartilagines arytenoideae ohne
Berührung schwingen, mit zunehmender Spannung nicht gan& wie die
Saiten und an zwei Enden gespannten Membranen. Sie bleiben bei
zunehmender Spannung meist um einige halbe oder ganze Pöne
unter der nach der Theorie geforderten durch die Spannung bedingten
Höhe. Niemals werden sie höher als die nach der Theorie
°geforderten Töne; es sey denn, dass die Stimmbänder ungleich
gespannt sind, sich in einem Theil ihrer Länge bei der Schwingung
berühren und secundäre Schwingungsknoten erzeugen, wobei
unerwartete, sehr hohe Töne nach Analogie der Flageolet-
töne entstehen können. Bekanntlich nehmen bei den Saiten die
Töne oder Schwingungsmengen bei gleicher Länge der Saiten
im geraden Verhältnisse zu, wie die Quadratwurzeln der spannenden
Kräfte. Siehe oben p. 136. D.h. wird eine Saite durch
4 Loth Gewicht gespannt und giebt sie dann c , so giebt sie bet
16 Loth Gewicht die Octave von c, bei 64 Loth Gewicht die
zweite Octave von c. Vermittelst der p. 185. beschriebenen Vorrichtung
lassen sich vergleichende Proben an den Stimmbändern
anstellen. Man erhält zwar bei quadratischer Zunahme der
Gewichte auf der Wageschaale in der Regel keine Octaven,