
durch die Verkürzung und Spannung höher. Zu diesen Mitteln
gesellen sich noch die Veränderungen der Weite der Oeffnung
und die daraus hervorgehende Verschiedenheit der Geschwindigkeit
der Luit. Allein so lange das Mundstück allein sich .verändert
und die Ringe der Luftröhre und ihre obere Oeffnung dieselben
bleiben, beschränken sich die Tonveränderungen bloss auf
die, welche mit dem Grundton harmonisch sind.
Sey daher der Grundton bei grösster Erschlaffung des La-
biums c, so könne der Vogel durch'die Verkürzung desselben
nur die Octave, die Quinte derselben Octave, die nächste Oc-
tave, ihre Terz und Quinte, die nächste Octave hervorbringen.
Diese Ansicht beruht offenbar auf einem .Missverständnis*; denn
die einseitig gespannten Membranen verändern ihre Töne im umgekehrten
Verhältnis* der Länge derselben und wie die Quadratwurzeln
der spannenden Kräfte, und da die Spannung in jeder
Fraction zwischen 1, 4, 16 gedacht werden kann, so müssen
auch alle Töne zwischen 1 und 2 und nicht bloss, die harmonischen
Töne auf diese Art möglich seyn. Hätte Guvier gar nicht
auf die Spannung der Labien, sondern nur. auf die Weite des
Mundstücks gerechnet, so würde sein Vergleich der Stimmorgane
der Vögel mit einer Labialpfeife richtig geblieben seyn; indem
er auf die Schwingungen der Stimmbänder rechnete, verwechselte
er das Mundstück einer Zungenpfeife mit dem einer Läbial-
pfeife, welche bei stärkerem Blasen die Töne 2, 3, 4, 5, 6 giebt.
Die nicht harmonischen Töne lässt Cuvier durch die Verkürzung
der Luftröhre hervorbringen. Indem der Vogel die Luftröhre um
verkürze, bringe er ceteris paribus den nächsten ganzen Ton über
dem Grundton hervor; nun brauche er die Länge der Luftröhre
nicht zu verändern, sondern bloss das Mundstück zu verkürzen,
um alle harmonischen Tone des zweiten Tons hervorzpbringen.
Um auf diese Art von c bis c zu steigen, müsste die Luftröhre
sich um die Hälfte verkürzen können, .was wohl nicht gut möglich
ist-, das übrige wird indess durch die . verschiedene Weite
der Oeffnung des obern Kehlkopfs hervorgebracht, Avie die Töne
an einer gedeckten Pfeife höher werden, in dem. Grade als man
die Deckung abnehmen lässt. Auf diese Art Hesse sich fast wieder
eine Octave am Stimmorgan der Vögel erreichen. Wenn Cuvier
das Stimmorgan bienach mit den Trompeten vergleicht, so ge-
räth der grosse Forscher wieder in eine Verwechselung der Labialpfeifen
mit den Zungenpfeifen, wohin die Trompeten gehören,
weil der Anspruch der Luftsäule durch membranöse Zungen,
die Lippen, geschieht. Tn einer Zungenpfeife ändern sich die
Töne aber nicht wie in den Labiaipfei-fen nach der Länge der
Luftsäulen, sondern in ganz andern Verhältnissen.
I. Theorie von Savart. Dieser grosse Physiker vergleicht das
Stimmorgan der Vögel, wie-das des Menschen, mit einer Labialpfeife,
und hält also die Luft für das eigentlich Tönende, so dass
das Mundstück am untern Kehlkopf dem, Mundstück einer Labialpfeife
und nicht einer Zungenpfeife vergleichbar wird. ■ Sy-
vart hat indess gezeigt, dass bei dieser Voraussetzung doch die
Wände der Luftröhre einen grossen Einfluss auf den Ton der
Luftsäule haben müssen. Er verglich die Töne verschiedener
gleich langer und weiter Labialpfeifen aus verschiedenem
Material. Alle waren 1 Fuss Jang, 9 Linien dick (im Lichten).
Der Versuch ergab, dass eine aus 12fach zusammengeleimtem Papier
gebildete Pfeife, von £ Linie Dicke der Wände, eine schon
etwas andere Zahl der Schwingungen hat, als eine hölzerne Pfeife,
und dass sich der Ton um mehr als eine Octave vertiefen kann,
wenn die Steifheit der Wände bedeutend abnimmt, namentlich
durch Anfeuchtung. Hier gerathen die Wände der Pfeife in
Schwingung und haben selbst wieder auf den Ton der Luftsäule
Einfluss.
c. Bemerkungen. S avart sucht die Vergleichung des Stimmorgans
der Vögel mft einer Zungenpfeife durch die Bemerkung zu
widerlegen, dass der Ton eines Mundstücks bei stärkerm Blasen sich
nicht bedeutend ändere, dass man dagegen durch veränderte Geschwindigkeit
des Luftstroms bei einem Singvogel nach seinen Versuchen
vom Grundton aus alle möglichen in anderthalb Octaven begriffenen
Töne hervorbringCn könne. Ich halte es für durchaus nicht
erwiesen, dass das Stimmorgan der Vögel wirklich eine Zungenpfeife
darstelle; indess ist der Einwurf von Savart nicht entscheidend.
Denn ich habe gezeigt p. 155., dass sich die Töne an Mundstücken
mit membranösen Zungen yon Kautschuck um einige Töne duroh
stärkeres Blasen erhöhen lassen, dass diese Erhöhung sich auf
alle in einer* Quinte liegenden Töne erstreckt bei Zungen von
Arterienhaut, dass sich der Ton der Stimmbänder des männlichen
Kehlkopfs um alle in einer Quinte liegenden Töne erhöhen lässt,
und ganz dasselbe, ja noch mehr kommt an den Mundstücken
mit metallischen Zungen vor, wenn die Zunge nur dünn genug
ist. Die .Töne der dünnen metallenen Zunge in der Schalmei
der Kinder konnte ich um mehr als anderthalb Octaven erhöhen,
und bei stärkerm Blasen durch alle in anderthalb Octaven möglichen
Töne durchgehen. Der Erfolg blieb sich gleich, mochte
ich durch die obere Oeffnung der Schalmei blasen, oder das
Stück, worin die metallene Zunge steckt, selbst anblasen. Man
hat sich bei dem Studium der metallenen Zungen zu sehr an
die dicken Zungen der Orgelpfeifen gehalten, bei welchen die
gewöhnliche Geschwindigkeit des Luftstroms nicht stark genug ist,
um den Ton zu erhöhen; vergl. oben p. 155.
Ob die Töne des Stimmorgans der Vögel nach Analogie der
Zungenpfeifen und' des menschlichen Stimmorgans entstehen, oder
nach Analogie der Labialpfeifen, und ob die Lippen der Stimmritzen
des Vogels durch Eigenschwingung tönen oder ob durch die
Reibung des Luftstroms an den Lippen die Luftsäule der Luftröhre
in Schwingung versetzt werde, scheint mir ganz ausserordentlich
schwer- und für jetzt fast unmöglich zu entscheiden. Das einfache
Stimmorgan vieler Vögel ist unzweifelhaft eine Zungen pfeife, wie
z. B. das der Enten, Gänse und anderer. Man sieht nicht allein die
heftigen Schwingungen des äussern Stimmbandes, dieser Ton hat
auch die grösste Aehnlichkeit mit einem d u r c h .Schwingungen von
Membranen erzeugten Ton (und dasselbe gilt von allen Vögeln, die
einen Membranenton haben, wie die Stimme der Raben, die